Goldfinger: Bleibt am Ende heiße Luft?
Das Steuerstrafverfahren startete mit Großrazzien und gewaltigen Vorwürfen. Doch selbst der Belastungszeuge liefert der Staatsanwaltschaft keine Munition. Im Gegenteil
Augsburg Dieser Mann wäre gewöhnlich ein Traumzeuge für die Staatsanwaltschaft: Der Finanzmathematiker lag mit den Angeklagten jahrelang im Rechtsstreit um angeblich nicht gezahlte Honorare und hatte als Programmierer einer speziellen Software Insider-Einblicke. Doch was ist schon gewöhnlich am „Goldfinger“-Steuerprozess in Augsburg? Dieses Megaverfahren führte nach jahrelangen Ermittlungen zu Großrazzien bei mehr als 100 Verdächtigen und Verhaftungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern. Und mündete in einen gewaltigen Vorwurf: Die Beschuldigten sollen den Fiskus illegal um bis zu eine Milliarde Euro gebracht haben. Wenn dies so stimmte, wäre einer der größten Steuerhinterziehungsringe aufgeflogen. Wenn es aber nicht stimmt, dann wäre es eine kapitale Bauchlandung für die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaft.
Im Moment sieht es eher nach einer Bauchlandung aus. Seit einem halben Jahr wird vor der 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg verhandelt. Schlüssige Beweise dafür, dass es sich bei dem umstrittenen „Goldfinger“-Steuersparmodell zweier Münchner Rechtsanwälte und Steuerberater um strafbare Steuerhinterziehung handelt, liegen bislang nicht vor. Der Verteidigung ist es stattdessen immer wieder gelungen, Vorwürfe zu entkräften. Dem Appell des Vorsitzenden Richters Johannes Ballis, zum Stand des Verfahrens Stellung zu nehmen, ist die Staatsanwaltschaft bisher nicht nachgekommen.
Das Gericht hat nun die Notbremse gezogen. Nach bisweilen widersprüchlichen und rechtlich fragwürdigen Aussagen des Chef-Steuerfahnders hat es dessen Zeugenvernehmung unterbrochen, die nächsten beiden Verhandlungstermine abgeblasen und allen Beteiligten eine Art „Denkpause“von gut zwei Wochen verordnet. Es ist damit zu rechnen, dass die Strafkammer danach eine Ansage machen wird, wie sie den Prozess fortzuführen gedenkt. Ursprünglich war das Verfahren auf rund 80 Verhandlungstage bis Anfang 2021 angesetzt. Jetzt könnte es viel schneller zu Ende gehen. Und möglicherweise ganz anders, als es sich die Staatsanwaltschaft vorgestellt hat. Statt einer mehrjährigen Haftstrafe könnte es nun gar auf eine Einstellung des Verfahrens hinauslaufen. Statt des Nachweises, dass mit dem „Goldfinger“-Modell der Angeklagten Martin H. und Diethard G. eine gewaltige Steuerprellerei gelaufen ist, könnte am Ende stehen, dass hier zwei findige Steuerexperten das deutsche Steuerrecht auf vielleicht moralisch umstrittene, aber legale Weise ausgereizt haben.
Die Steuerersparnis bei deren „Goldfinger“-Modell ergibt sich daraus, dass mittels Goldhandelsfirmen in Großbritannien im Ausland steuerliche Verluste erzeugt werden konnten, die im Inland die Steuerlast stark senkten. Einer der Knackpunkte ist, ob in Großbritannien tatsächlich Betriebsstätten, also Büros dieser Firmen existierten. Die Staatsanwaltschaft ging lange davon aus, dass es sich um reine Briefkastenfirmen handelt. Doch selbst der Finanzmathematiker, der im Auftrag der Angeklagten eine Software für den Goldhandel programmierte, konnte als Belastungszeuge der Anklage keine Munition liefern. Im Gegenteil.
Er musste als Zeuge einräumen, dass es die Büros samt Ausrüstung in Großbritannien gab und dass die Firmen jeweils eigens bestellte „Direktoren“als Geschäftsführer hatten. Auch echter Goldhandel wurde betrieben. Nach Darstellung der Verteidigung erfüllt all dies locker die rechtlichen Vorgaben für ein legales Steuergestaltungsmodell. Das sei schon von Anfang an ihre Überzeugung gewesen, betonen die Rechtsanwälte Richard Beyer und Daniel Dinkgraeve.
Die Angeklagten Martin H. und Diethard G. planen derweil für den Fall einer Einstellung des Verfahrens oder gar eines Freispruchs eine Gegenoffensive: Sie wollen Strafanzeigen erstatten und eine Entschädigungsklage einreichen. Beide saßen mehr als vier Monate in U-Haft und haben ihr Renommee als Juristen eingebüßt. Den Prozess gegen ihren früheren Software-Programmierer ums Honorar haben sie im Übrigen gewonnen.