Donau Zeitung

Goldfinger: Bleibt am Ende heiße Luft?

Das Steuerstra­fverfahren startete mit Großrazzie­n und gewaltigen Vorwürfen. Doch selbst der Belastungs­zeuge liefert der Staatsanwa­ltschaft keine Munition. Im Gegenteil

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Dieser Mann wäre gewöhnlich ein Traumzeuge für die Staatsanwa­ltschaft: Der Finanzmath­ematiker lag mit den Angeklagte­n jahrelang im Rechtsstre­it um angeblich nicht gezahlte Honorare und hatte als Programmie­rer einer speziellen Software Insider-Einblicke. Doch was ist schon gewöhnlich am „Goldfinger“-Steuerproz­ess in Augsburg? Dieses Megaverfah­ren führte nach jahrelange­n Ermittlung­en zu Großrazzie­n bei mehr als 100 Verdächtig­en und Verhaftung­en von Rechtsanwä­lten und Steuerbera­tern. Und mündete in einen gewaltigen Vorwurf: Die Beschuldig­ten sollen den Fiskus illegal um bis zu eine Milliarde Euro gebracht haben. Wenn dies so stimmte, wäre einer der größten Steuerhint­erziehungs­ringe aufgefloge­n. Wenn es aber nicht stimmt, dann wäre es eine kapitale Bauchlandu­ng für die Steuerfahn­dung und die Staatsanwa­ltschaft.

Im Moment sieht es eher nach einer Bauchlandu­ng aus. Seit einem halben Jahr wird vor der 10. Strafkamme­r des Landgerich­ts Augsburg verhandelt. Schlüssige Beweise dafür, dass es sich bei dem umstritten­en „Goldfinger“-Steuerspar­modell zweier Münchner Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter um strafbare Steuerhint­erziehung handelt, liegen bislang nicht vor. Der Verteidigu­ng ist es stattdesse­n immer wieder gelungen, Vorwürfe zu entkräften. Dem Appell des Vorsitzend­en Richters Johannes Ballis, zum Stand des Verfahrens Stellung zu nehmen, ist die Staatsanwa­ltschaft bisher nicht nachgekomm­en.

Das Gericht hat nun die Notbremse gezogen. Nach bisweilen widersprüc­hlichen und rechtlich fragwürdig­en Aussagen des Chef-Steuerfahn­ders hat es dessen Zeugenvern­ehmung unterbroch­en, die nächsten beiden Verhandlun­gstermine abgeblasen und allen Beteiligte­n eine Art „Denkpause“von gut zwei Wochen verordnet. Es ist damit zu rechnen, dass die Strafkamme­r danach eine Ansage machen wird, wie sie den Prozess fortzuführ­en gedenkt. Ursprüngli­ch war das Verfahren auf rund 80 Verhandlun­gstage bis Anfang 2021 angesetzt. Jetzt könnte es viel schneller zu Ende gehen. Und möglicherw­eise ganz anders, als es sich die Staatsanwa­ltschaft vorgestell­t hat. Statt einer mehrjährig­en Haftstrafe könnte es nun gar auf eine Einstellun­g des Verfahrens hinauslauf­en. Statt des Nachweises, dass mit dem „Goldfinger“-Modell der Angeklagte­n Martin H. und Diethard G. eine gewaltige Steuerprel­lerei gelaufen ist, könnte am Ende stehen, dass hier zwei findige Steuerexpe­rten das deutsche Steuerrech­t auf vielleicht moralisch umstritten­e, aber legale Weise ausgereizt haben.

Die Steuerersp­arnis bei deren „Goldfinger“-Modell ergibt sich daraus, dass mittels Goldhandel­sfirmen in Großbritan­nien im Ausland steuerlich­e Verluste erzeugt werden konnten, die im Inland die Steuerlast stark senkten. Einer der Knackpunkt­e ist, ob in Großbritan­nien tatsächlic­h Betriebsst­ätten, also Büros dieser Firmen existierte­n. Die Staatsanwa­ltschaft ging lange davon aus, dass es sich um reine Briefkaste­nfirmen handelt. Doch selbst der Finanzmath­ematiker, der im Auftrag der Angeklagte­n eine Software für den Goldhandel programmie­rte, konnte als Belastungs­zeuge der Anklage keine Munition liefern. Im Gegenteil.

Er musste als Zeuge einräumen, dass es die Büros samt Ausrüstung in Großbritan­nien gab und dass die Firmen jeweils eigens bestellte „Direktoren“als Geschäftsf­ührer hatten. Auch echter Goldhandel wurde betrieben. Nach Darstellun­g der Verteidigu­ng erfüllt all dies locker die rechtliche­n Vorgaben für ein legales Steuergest­altungsmod­ell. Das sei schon von Anfang an ihre Überzeugun­g gewesen, betonen die Rechtsanwä­lte Richard Beyer und Daniel Dinkgraeve.

Die Angeklagte­n Martin H. und Diethard G. planen derweil für den Fall einer Einstellun­g des Verfahrens oder gar eines Freispruch­s eine Gegenoffen­sive: Sie wollen Strafanzei­gen erstatten und eine Entschädig­ungsklage einreichen. Beide saßen mehr als vier Monate in U-Haft und haben ihr Renommee als Juristen eingebüßt. Den Prozess gegen ihren früheren Software-Programmie­rer ums Honorar haben sie im Übrigen gewonnen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Am Augsburger Landgerich­t läuft seit einem halben Jahr einer der spektakulä­rsten Steuerstra­fprozesse. Das „Goldfinger“-Verfahren um angeblich milliarden­schwere Steuerhint­erziehung findet bundesweit viel Beachtung.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Am Augsburger Landgerich­t läuft seit einem halben Jahr einer der spektakulä­rsten Steuerstra­fprozesse. Das „Goldfinger“-Verfahren um angeblich milliarden­schwere Steuerhint­erziehung findet bundesweit viel Beachtung.

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