Der Corona-Neustart muss grün sein
Leere Strände und saubere Luft, weil keiner mehr fliegt und Auto fährt? Corona rettet den Planeten nicht. Das müssen wir Menschen schon selbst tun
Es nervt schon gewaltig, wenn immer häufiger zu hören ist, Corona habe ja doch auch seine guten Seiten. Dass die Pandemie etwa praktisch die Rettung für Klima und Umwelt bedeute, weil keiner mehr fliege oder mit dem Auto fahre. Klar, wir alle lechzen gerade in diesen Zeiten nach guten Nachrichten. Aber vieles, was manche jetzt leichtfertig bejubeln, hat todernste Hintergründe. Dass in Industriezentren die Luftqualität besser geworden ist? Liegt daran, dass dort nicht mehr produziert wird und Millionen Menschen ihre Existenz verloren haben. An Stränden, die normalerweise von Touristen überfüllt sind, legen seltene Meeresschildkröten wieder Eier? Schön, unbedingt diese Abschnitte schützen. Vielleicht lockt das künftig Ökotouristen. Kommen aber gar keine Besucher mehr, wird es nicht lange dauern, bis die Menschen, die bislang vom Tourismus lebten, vor lauter Hunger die Eier essen müssen. Und die Schildkrötenmama gleich mit.
Wir sollten vorsichtig sein mit den Aussagen, was Corona uns angeblich alles sagen oder lehren will. Corona ist ganz einfach eine fürchterliche Seuche, die täglich viele, zu viele Menschen tötet. Pandemien gab es auch zu früheren Zeiten, doch in der globalisierten Welt können sich Krankheitserreger schneller verbreiten. Durch den technischen und medizinischen Fortschritt, den weltweiten Austausch von Wissen sind aber auch die Chancen, einer solchen Bedrohung Herr zu werden, so groß wie nie zuvor. Gleiches gilt für Umwelt und Klima: Der menschengemachte Klimawandel betrifft alle, jeder weiß, dass es höchste Zeit zu handeln ist. Aber die Klimakatastrophe verläuft weit langsamer als die aktuelle Pandemie. Deshalb ist die Gefahr, sie einfach zu ignorieren, noch größer. Dort, wo die Corona-Gefahr anfangs am heftigsten geleugnet oder kleingeredet wurde, hat das Virus am stärksten zugeschlagen. Wo überlegt und konsequent reagiert wurde, konnten mehr Menschenleben gerettet werden.
Auch Klima und Umwelt werden sich nur durch ebenso überlegte wie konsequente Anstrengungen retten lassen. Panik, wie sie die jugendliche Klimaschutz-Ikone Greta Thunberg beim Weltwirtschaftsforum in Davos forderte, ist dabei der absolut falsche Ansatz. Es ist das große Verdienst von „Fridays for Future“, den Klimaschutz so eindringlich auf die Tagesordnung gehoben zu haben. Deshalb ist es keine gute Nachricht, dass es durch Corona ruhig um die Bewegung geworden ist. Schadenfreude sollten sich auch diejenigen verkneifen, die es mitunter arrogant fanden, wie manche jugendlichen Klimaaktivisten etwa die Zukunftsängste von Lausitzer Kohlekumpeln beiseitegewischt haben. Trotzdem sollte die Klimabewegung manche Haltungen und Protestformen überdenken. Durch Corona müssen sich nun auch der 15 Jahre alte Gymnasiast oder der 25 Jahre alte Programmierer um ihre wirtschaftliche Zukunft sorgen. Und die Schule, kaum dass sie endlich wieder öffnet, gleich wieder zum Klimaprotest zu schwänzen – wie absurd wäre das?
Gesellschaften, das zeigt die Corona-Krise, können unglaubliche Kräfte mobilisieren. Deutschland ist durch seine wirtschaftliche Stärke in der Lage, unzählige Milliarden einzusetzen, damit die Krisenfolgen möglichst klein bleiben und eine Erholung so rasch wie möglich gelingt. Das Geld muss gezielt so verwendet werden, dass Arbeitsplätze erhalten und neu geschaffen, gleichzeitig aber auch Klima und Umwelt gerettet werden. In unserem verzweifelten Kampf gegen Corona dürfen wir nicht vergessen, wie sehr unsere natürlichen Lebensgrundlagen insgesamt gefährdet sind. Alle Anstrengungen zum Neustart müssen deshalb unter grünen Vorzeichen erfolgen.
Auch für „Fridays for Future“wird sich vieles ändern