„Ich konnte nicht alles weglachen.“
Im Dschungel habe ich eine große psychische Widerstandsfähigkeit entwickelt. Eine befreiende Technik war es, auf Todesangst mit Galgenhumor zu antworten. Wenn es besonders gefährlich wurde und unser Lager mit Granaten unter Beschuss geriet oder uns von den Entführern die Enthauptung angedroht wurde, half mir Galgenhumor, akut Druck abzulassen. Sonst hätte man das alles nicht ausgehalten und wäre beinahe geplatzt vor Angst. Humor und ein verrücktes Lachen wurden zum Ventil.
Doch Humor allein hilft irgendwann auch nicht mehr.
Wallert: Ich konnte natürlich nicht alles weglachen. Was mir wirklich half, war mein Optimismus. Ich habe mich auf das Positive konzentriert, damit ich nicht in all den Bedrohungsszenarien versinke. Ich sagte immer wieder zu mir: Nur nicht den Kopf verlieren.
Ein durchaus doppeldeutiger SelbstAppell angesichts von Entführern, die mit Macheten herumwirbeln.
Wallert (lacht): Ja, ich habe den Kopf eingeschaltet und mich gefragt, was es auch Gutes in der damaligen Situation gibt oder was zumindest nicht ganz so schlecht ist. Wir haben auch zusammen gebetet.
Für was denn? Die Situation war mehr als bescheiden.
Wallert: Wir haben Gott dafür gedankt, dass wir noch leben, dass wir heute genug zu essen haben und dass über unsere Freilassung verhandelt wird. Das hat sich positiv auf uns ausgewirkt. Und dann griff ich noch auf eine andere Technik zurück: Ich habe daran gedacht, wie ich einmal auf die Zeit der Entführung zurückblicken werde und anderen erzähle, was ich erlebt habe und was man daraus lernen kann.
Das müssen Sie erklären. Ihnen hat doch positives Denken während der Geiselnahme geholfen. Wallert: Optimismus ist schon eine große Kraftquelle. Man kann es aber auch mit dem positiven Denken übertreiben. Optimismus ist auch eine Gefahrenquelle. So befinden sich auch heute in Corona-Zeiten Menschen in einer unsicheren Situation. Denn sie wissen nicht, wie es beruflich und gesundheitlich für sie weitergeht. Das löst Angst und Stress aus. Auch damals wussten wir nicht, wie es weitergeht. Das Schlimmste ist immer, wenn man nicht weiß, wie lange eine belastende Situation anhält.
Der Mensch schlecht.
Wallert: So habe ich das damals empfunden. Deswegen hatte ich mich während der Geiselnahme davon freigemacht, auf jedes Hoffnungsanzeichen aufzuspringen, während andere Geiseln solchen Fata Morganas aufgesessen sind und enttäuscht waren, wenn nichts passierte. So landeten sie psychisch in einem Loch. Mit so einer Mentalität ist man nicht darauf vorbereitet, eine lange Zeit durchzuhalten. Zu viel positives Denken kann also tödlich sein.
erträgt
Ungewissheit
Was heißt das nun konkret für die Corona-Zeit?
Wallert: Nur wenn man das Coronavirus, also die Gefahr, ernst nimmt und sich auf eine längere Zeit der Krise einstellt, ist man auch motivierter, Hygienemaßnahmen wie etwa das häufige Händewaschen oder auch das Abstandsgebot zu befolgen. Genauso wichtig ist es, sich mit dem Risiko beruflicher Einschnitte auseinanderzusetzen, die langfristig entstehen können, und Veränderungen möglichst frühzeitig zu gestalten.