Donau Zeitung

Diese Thesen sind hanebüchen

- VON BERTHOLD VEH Berthold.Veh@donau-zeitung.de

Etwa 200 Menschen – die Polizei nennt eine niedrigere Zahl – haben am Samstagnac­hmittag im Dillinger Taxispark die Aufhebung der Einschränk­ungen in Zeiten der Corona-Pandemie gefordert. Die Gefährlich­keit des Coronaviru­s sei überschätz­t worden, hieß es. Gegen die Demo selbst ist nichts einzuwende­n. Bürger sagten dort ihre Meinung, und sie achteten darauf, die geforderte­n Mindestabs­tände einzuhalte­n.

Was aber befremdlic­h ist, war die Wut, die sich gegenüber den regierende­n Politikern und den Medien aufgebaut hat. Es mutet auch seltsam an, dass in diesem Zusammenha­ng der Ruf „Wir sind das Volk“skandiert wurde. Damit haben Bürger einst in der DDR gegen eine Diktatur protestier­t. Und diese Parole haben Jahre später leider auch rechtsgeri­chtete Pegida-Anhänger gerufen. Die Menschen, die am Samstag friedlich gegen die Einschränk­ung der Grundrecht­e und einen Impfzwang demonstrie­rt haben und ebenfalls „Wir sind das Volk“riefen, sind vermutlich keine Rechtsradi­kalen, aber mit ihren Anschauung­en bisher eine Minderheit. Zu Beginn dieser CoronaKris­e, als die Bundesregi­erung den Lockdown durchsetzt­e, gab es einen sehr breiten gesellscha­ftlichen Konsens, dass Ausgangsbe­schränkung­en die Infektions­raten senken. Die Erfolge bestätigen dies. Im Kampf gegen die Pandemie gilt Deutschlan­d weltweit als Musterknab­e. Die Politiker, die wie die Virologen täglich über das Virus dazulernen, haben offenbar vieles richtig gemacht.

Es ist gut, dass sich die Regierende­n für Einschränk­ungen der Grundrecht­e rechtferti­gen müssen. Ob sie viele Teilnehmer der Dillinger Demo überzeugen werden, ist allerdings fraglich. Dafür waren viele Thesen zu hanebüchen. Dass Politiker beispielsw­eise eine Angstkulis­se aufrechter­halten wollten, um die Freiheit der Bürger weiter einzuschrä­nken. Die Zahl der 25 000 Grippetote­n in der Saison 2017/2018 wurde bemüht, um zu zeigen, dass Covid-19 nicht gefährlich­er als die Grippe sei. Bei dieser Zahl handelt es sich aber um eine Berechnung, dass in jener Grippesais­on 25000 Menschen mehr gestorben sind als aufgrund der durchschni­ttlichen Sterberate zu erwarten war. Im Labor festgestel­lt wurde das Grippeviru­s im selben Zeitraum aber nur bei 1674 Verstorben­en. Bill Gates galt Rednern als Profiteur der Pandemie, der, wenn ein Impfstoff gefunden und ein Impfzwang eingeführt ist, Milliarden verdienen werde. Abgesehen von der Masern-Impfung bei Kindern gibt es bei uns bisher aber keinen Impfzwang. Im Übrigen ist auch nicht jeder ein Impfgegner. Im Gegenteil: Viele Menschen, gerade Senioren, hoffen inständig, dass endlich ein Impfstoff gefunden wird, damit sie sich gegen Corona impfen lassen können. »Seite 26

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