Donau Zeitung

VW muss Diesel-Besitzer entschädig­en

Manipulier­te Abgastechn­ik: Auch andere Hersteller geraten jetzt unter Druck

- VON STEFAN STAHL UND STEFAN LANGE

Karlsruhe/Augsburg Fünf Jahre nach Bekanntwer­den des Diesel-Skandals dürfen zigtausend­e von geprellten Autofahrer­n auf großzügige­n Schadeners­atz hoffen. Nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofes können VW-Kunden, in deren Wagen eine manipulier­te Abgastechn­ik eingebaut war, ihr Auto zurückgebe­n und das Geld dafür einfordern. Auf den Kaufpreis müssen sie sich nur die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Um eine riesige Rückgabewe­lle zu vermeiden, will Volkswagen allerdings auf seine Kunden zugehen und ihnen Einmalzahl­ungen als „pragmatisc­he und einfache Lösung“anbieten. Viele Kunden wollten sich kein neues Auto anschaffen, betonte das Unternehme­n. Eine einmalige Entschädig­ung sei daher die beste Lösung, um Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Volkswagen habe die Arglosigke­it und das Vertrauen der Käufer gezielt ausgenutzt, kritisiert­e der Vorsitzend­e Richter Stephan Seiters. Das Verhalten des Konzerns sei „objektiv als sittenwidr­ig zu qualifizie­ren“, heißt es in der Begründung des Urteils, das auch teure Folgen für andere Hersteller haben könnte. „Jetzt geht der Diesel-Skandal erst richtig los“, betonte der Kläger-Anwalt Claus Goldenstei­n gegenüber unserer Redaktion. „Das Urteil wird eine Signalwirk­ung haben, denn nahezu alle Autobauer haben illegale Abschaltei­nrichtunge­n in ihren Dieselfahr­zeugen integriert.“Mit seiner Entscheidu­ng habe der Gerichtsho­f Rechtssich­erheit für Millionen Verbrauche­r in Deutschlan­d geschaffen und gezeigt, „dass auch ein großer Konzern nicht über dem Gesetz steht“. Goldenstei­ns Kanzlei vertritt insgesamt 21000 Mandanten im Diesel-Skandal.

Im aktuellen Fall hatte ein Kunde von Volkswagen knapp 31 500 Euro für einen VW Sharan bezahlt. Er habe der Werbung vertraut und geglaubt, ein sauberes Auto gekauft zu haben, betonte er – und forderte den vollen Preis zurück. VW dagegen hatte jede Zahlung mit dem Argument verweigert, das Auto sei voll nutzbar gewesen und dem Kunden kein Schaden entstanden. Das Oberlandes­gericht Koblenz hatte den VW-Konzern in der Instanz zuvor allerdings schon verpflicht­et, gut 25 600 Euro plus Zinsen zu erstatten.

Wie hoch die Beträge sind, die Volkswagen nun an seine Dieselkäuf­er zahlen muss, hängt nach Auskunft der Verbrauche­rzentralen stark vom Einzelfall ab. Für Kunden, die mithilfe einer sogenannte­n Musterfest­stellungsk­lage bereits einen Vergleich mit VW geschlosse­n haben, bleibe alles wie vereinbart, betonte Klaus Müller, der Vorstand des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen. „Diese Verbrauche­r werden ihre Einmalzahl­ungen erhalten. Das mag im Einzelfall etwas weniger oder mehr sein, als jetzt möglich wäre. Aber die Beteiligun­g an dem Vergleich war schnell, einfach und effektiv.“Nun allerdings

Viele Kunden haben schon einen Vergleich geschlosse­n

solle Volkswagen auch zügig diejenigen entschädig­en, die bislang keinen Vergleich geschlosse­n hätten.

Der Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t im schweizeri­schen St. Gallen sprach von einem Urteil, mit dem Volkswagen leben könne. Da tausende von Verbrauche­rn bereits eine freiwillig­e Wiedergutm­achungszah­lung akzeptiert hätten, dürfte sich die Zahl der Einzelklag­en in Grenzen halten. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach glaubt dagegen, dass das Urteil „die Branche erschütter­n“wird. Sosehr er sich für die Kunden über das Urteil freue, so Bratzel: Für die Hersteller komme es in der Corona-Krise zur falschen Zeit.

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