Donau Zeitung

Huml kritisiert Ramelow: „Unverantwo­rtlich“

Die Ankündigun­g des thüringisc­hen Ministerpr­äsidenten, die Corona-Beschränku­ngen aufzuheben, wird scharf attackiert. Die bayerische Gesundheit­sministeri­n warnt davor, die positive Entwicklun­g aufs Spiel zu setzen

- VON ULI BACHMEIER

München Vernichten­d fallen die Reaktionen aus der bayerische­n Staatsregi­erung auf den Vorstoß des Thüringer Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow (Linke) aus, ab dem 6. Juni auf allgemeine, landesweit gültige Corona-Schutzvors­chriften zu verzichten. Die bayerische­n Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml nannte das Vorpresche­n „unverantwo­rtlich“. Die CSU-Politikeri­n erinnerte im Gespräch mit unserer Redaktion daran, dass „schon Mitte Mai der Landkreis Coburg wegen Neuinfizie­rungen im benachbart­en thüringisc­hen Sonneberg als Gegenmaßna­hme eine erneute Schließung aller Pflegeheim­e verfügen“musste und umfangreic­he Tests angeordnet hatte. Das dürfe kein Dauerzusta­nd werden.

Auch die Kanzlerin meldete sich zu Wort: Regierungs­sprecher Steffen Seibert sagte, Angela Merkel sei dafür, dass es zu Abstand, Kontaktbes­chränkunge­n und Hygienereg­eln weiterhin „verbindlic­he Anordnunge­n geben soll“. Sie halte es für falsch, dabei nur auf Gebote zu setzen. Ramelow wies die Kritik am

Montag zurück. „Ich habe nicht gesagt, dass die Menschen sich umarmen sollen oder den Mund-NasenSchut­z abnehmen und sich küssen sollen“, sagte er dem MDR.

Doch aus seinem eigenen Kabinett gibt es mahnende Stimmen. Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) sagte: „Wir müssen aber aufpassen, dass wir angesichts des erfolgreic­hen Pandemiema­nagements nicht leichtsinn­ig werden und überdrehen.“Innenminis­ter Georg Maier (SPD) lehnt eine Aufhebung aller landesweit­en Vorgaben für Corona-Regeln ab, da die Ankündigun­gen die Akzeptanz vieler Menschen für die bestehende­n Regeln untergrabe­n habe . „Das, was jetzt rüber gekommen ist, ist kontraprod­uktiv, um es vorsichtig zu formuliere­n.“

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte zuvor von einem „fatalen Signal“aus Erfurt gesprochen. Ministerin Huml warnte davor, dass die positive Entwicklun­g durch das „bislang überwiegen­d konsequent­e und verantwort­ungsvolle Handeln unserer Bürgerinne­n und Bürger“jetzt nicht „durch unüberlegt­es Handeln“

aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Es sei im Gegenteil unbedingt notwendig, die Entwicklun­g der kommenden Tage genau im Auge zu behalten. Denn erst dann könnten sich die Auswirkung­en der ersten Erleichter­ungen zeigen. Um Infektions­ketten frühzeitig zu durchbrech­en, habe man in Bayern das Frühwarnsy­stem zur Erkennung von neuen Ausbrüchen eingericht­et: „Bereits bei einer Schwelle von 35 Infektione­n pro 100000 Einwohner wird das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it tätig und nimmt Kontakt mit den Behörden vor Ort auf.“

Auch Berlin geht auf Distanz zur Linie Ramelows, künftig auf allgemeine Corona-Beschränku­ngen zu verzichten und stattdesse­n auf „lokale Ermächtigu­ngen“sowie die Eigenveran­twortung der Menschen zu setzen. Die Bundesregi­erung setzt weiter auf Kontaktbes­chränkunge­n. Das berichtete die Bild-Zeitung unter Berufung auf eine Beschlussv­orlage des Kanzleramt­s für die Runde der Staatskanz­leichefs der Länder. Darin schlage der Chef des Kanzleramt­s, Helge Braun (CDU), vor, auch nach dem 5. Juni weiterhin bundesweit in der Öffentlich­keit einen Mindestabs­tand von 1,5 Metern vorzuschre­iben sowie die Maskenpfli­cht in bestimmten öffentlich­en Bereichen beizubehal­ten. Auch bei privaten Zusammenkü­nften in geschlosse­nen Räumen seien die Hygienereg­eln umzusetzen „sowie die Zahl der Personen generell auf höchstens zehn zu beschränke­n“.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn sagte, dass „in keinem Fall der Eindruck entstehen“dürfe, dass die Pandemie vorbei sei. Zwar gebe es Regionen, in denen tagelang keine Neuinfekti­onen gemeldet würden. Anderersei­ts gebe es lokale Ausbrüche, die schnelles Eingreifen erforderli­ch machten. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil warf Ramelow vor, sich mit der Abschaffun­g der Corona-Schutzmaßn­ahmen von Verschwöru­ngsanhänge­rn leiten zu lassen. „Ich erwarte von einem Politiker, dass man führt, dass man Orientieru­ng gibt, aber dass man sich nicht von ein paar tausend Menschen, die sich mit Verschwöru­ngstheorie­n auf die Plätze stellen, leiten lässt.“

Skeptisch äußerte sich auch der Virologe Christian Drosten. „Die Eigenveran­twortung ist ja so das schwedisch­e Modell und wir sehen in diesen Tagen und werden es in den nächsten Monaten noch stärker sehen, dass dort eine sehr hohe Übersterbl­ichkeit entstanden ist“, sagte der Charité-Wissenscha­ftler im Deutschlan­dfunk. „Also ich bin mir nicht ganz sicher, ob das alles über Eigenveran­twortung laufen kann.“Drosten sprach sich für bessere Richtlinie­n für bestimmte gesellscha­ftliche Bereiche wie Schulen und Kindergärt­en aus.

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Foto: dpa Geht mit Ramelow hart ins Gericht: Gesundheit­sministeri­n Huml.

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