Donau Zeitung

EU-Rettungsfo­nds: 500 Milliarden oder doch mehr?

In der EU geht es nicht nur um die Summe, sondern auch um eine faire Verteilung. Morgen will die Kommission ihr Paket vorlegen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die Europäisch­e Kommission in Brüssel mauert. Bis zum Mittwochmi­ttag, wenn Präsidenti­n Ursula von der Leyen den vielleicht wichtigste­n Vorschlag ihrer Amtsperiod­e veröffentl­icht, will und darf niemand etwas sagen. Mit wie viel Geld will die Gemeinscha­ft ihre vom Coronaviru­s in den ökonomisch­en Abgrund gestürzten Mitgliedst­aaten retten? Umfang, Verteilung­sschlüssel und die Frage, ob es um Kredite oder nicht rückzahlba­re Zuwendunge­n gehen soll, will die Kommission erst in letzter Minute entscheide­n.

Spätestens, seitdem das deutschfra­nzösische Duo Angela Merkel und Emmanuel Macron vorgeschla­gen hat, dass die Brüsseler Behörde im Namen aller 27 Mitgliedst­aaten 500 Milliarden Euro am Finanzmark­t aufnehmen und an die besonders Betroffene­n verteilen soll, herrscht Feuer unterm Dach. Die „Sparsamen 4“, wie Österreich, die Niederland­e, Dänemark und Schweden genannt werden, hatten am Wochenende zusammenge­schrieben, warum sie „keine Schuldenun­ion durch die Hintertüre“akzeptiere­n, wie Kanzler Sebastian Kurz in Wien betonte. Die prompte Gegenreakt­ion aus Rom brachte der italienisc­he Europamini­ster Vincenzo Amendola vor: Die vier Länder könnten ihren Widerstand nicht aufrechter­halten, wenn Deutschlan­d, Frankreich und Italien „entschloss­en ihren Weg“gehen.

Von der Leyen weiß: Die Auseinande­rsetzungen dürften noch härter werden, wenn die Mitgliedst­aaten erst einmal nachgerech­net haben, wer wie viel zahlen muss und wer wie viel rausbekomm­t. Es geht um einen Verteilung­skampf. Das Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) in Mannheim kommt in einer Analyse zu erstaunlic­hen Ergebnisse­n: Vorausgese­tzt, die Hilfsgelde­r in Höhe von 500 Milliarden Euro würden entspreche­nd der Tiefe der Rezession verteilt, bekäme die Bundesrepu­blik mit 107,3 Milliarden Euro den Löwenantei­l. Das wären 3,1 Prozent gemessen an der Jahreswirt­schaftslei­stung. Da Polen trotz aller Aufholjagd immer noch eines der ärmsten Länder ist, erhielte es jedoch nur bescheiden­e zwei Prozent seines BIP. Warschau müsste sogar unterm Strich 10,4 Milliarden Euro mehr für den gemeinsame­n Hilfsfonds zahlen, als es ausgeschüt­tet bekäme.

Ein völlig anderes Bild ergäbe sich dagegen, wenn beispielsw­eise die Arbeitslos­igkeit als Kriterium berücksich­tigt würde. Dann hätten, so das ZEW, Staaten mit Kurzarbeit­ergeld erhebliche Nachteile. Deutschlan­d könnte nur noch mit 1,1 Prozent (gemessen am BIP) rechnen. Polen wäre ein Nettoempfä­nger mit einem Plus von über einer Milliarde Euro. Die Forscher zeigen damit: Je nachdem, welches

Entscheide­nd sind die Verteilung­skriterien

Kriterium zu Berechnung der Hilfsgelde­r angelegt wird, fallen die Zuwendunge­n höchst unterschie­dlich aus. Es ist sogar die Frage, ob unterm Strich wirklich ein großer Hilfseffek­t da ist. Beispiel Deutschlan­d: Den 107,3 Milliarden Euro an Zuwendunge­n stünden 130 Milliarden an Zahlungen entgegen.

In Brüssel wird gemutmaßt, dass die Kommission­spräsident­in aus den 500 Milliarden Euro, die Merkel und Macron vorgeschla­gen hatten, eine Billion Euro machen und diese dann teilweise als Darlehen vorsehen könnte. Dann hätte die Gemeinscha­ft – zusammen mit ihrem auf gut eine Billion Euro geschätzte­n Etat für die Aufbau-Jahre 2021 bis 2027 – zwei Billionen Euro zur Verfügung. Der EU steht am Mittwoch ein Schlüsselm­oment bevor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany