Donau Zeitung

Feiern außer Kontrolle

Am ersten Ausgeh-Wochenende nach den Beschränku­ngen kommt es in ganz Bayern zu Auseinande­rsetzungen und Schlägerei­en. In der Augsburger Maxstraße geraten eine Wirtin und Polizisten aneinander

- VON DANIEL WIRSCHING, INA MARKS, JONAS VOSS UND MARIA HEINRICH

Augsburg Im Biergarten das erste Radler genießen und endlich mal wieder abends ausgehen, anstatt zu Hause vor dem Fernseher zu lümmeln. Nach den strengen coronabedi­ngten Auflagen im April und Mai nutzten viele Menschen in Bayern die vergangene­n Tage, um mal wieder auf andere Gedanken zu kommen und etwas Spaß zu haben. Doch nicht überall blieb es dabei friedlich – bayernweit kam es teils zu massiven Auseinande­rsetzungen im Nachtleben.

Am Freitagabe­nd sammelten sich in der Münchner Innenstadt trotz Infektions­schutzgese­tzes mehrere hundert Menschen an verschiede­nen zentralen Plätzen, die Polizei musste mehrere hundert Platzverwe­ise ausspreche­n. In Nürnberg wurden nach einer Massenschl­ägerei am Sonntagmor­gen 45 Personen festgenomm­en. Die Beamten waren alarmiert worden, weil sich an einer Steintribü­ne auf dem Reichspart­eitagsgelä­nde etwa 200 bis 300 Personen aus der Tuning-Szene getroffen hatten, die laut Musik hörten und tanzten. Die Polizei rückte mit mehr als zwei Dutzend Streifenwa­gen an.

In Königsbrun­n meldete die Polizei in der Nacht auf Samstag drei größere und einige kleinere Auseinande­rsetzungen und Schlägerei­en. Und in Augsburg sind bei einer Schlägerei zwischen drei Männern mehrere Menschen verletzt worden. Wie ein Sprecher am Sonntag mitteilte, wollten die Beamten unter den Männern schlichten. Ein 19-Jähriger habe sich den Polizisten gegenüber aber sehr aggressiv verhalten und wurde in Gewahrsam genommen. Dabei spuckte und trat er nach den Beamten und verletzte drei Polizisten leicht. Einem vierten fügte er eine blutende Bisswunde am Bein zu.

Besondere Aufmerksam­keit zog eine Auseinande­rsetzung zwischen einer Wirtin und der Polizei in der Augsburger Innenstadt auf sich. In

Maxstraße, die als Weggehmeil­e bekannt ist, hielten sich am Freitagabe­nd viele junge Menschen auf. An die Einhaltung des Mindestabs­tandes war vor allem am beliebten Herkulesbr­unnen nicht zu denken. Allein in diesem Bereich hielten sich laut Polizei zeitweise über hundert Menschen auf. Auch vor der Kneipe einer 30-jährigen Wirtin war dem städtische­n Ordnungsdi­enst offenbar zu viel los. Nachdem die Frau aufgeforde­rt worden war, ihren To-go-Verkauf von Getränken zu stoppen, eskalierte die Situation.

Was dann geschah, darüber gehen die Schilderun­gen auseinande­r. Laut Polizei kam die Wirtin den Aufforderu­ngen des Ordnungsdi­enstes nicht nach, die Polizei wurde hinzugeruf­en. Die Wirtin habe die wachsende Menschenme­nge gegen die städtische­n Mitarbeite­r aufgehetzt, schließlic­h sei eine Polizeibea­mtin angegriffe­n worden. Trotz „massiven Widerstand­s“habe man die Wirtin und ihre Mutter unter Kontrolle bringen können. Mehrere Polizeibea­mte erlitten Verletzung­en. Auch die Gastronomi­n wurde verletzt, sie schildert die Vorgänge in dieser Nacht ganz anders als die Polizei: Sie sei plötzlich zu Boden geworfen und unter anderem mit Pfefferspr­ay attackiert worden.

Der Vorfall liegt nun bei der Augsburger Staatsanwa­ltschaft. Wie Sprecher Michael Nißl bestätigte, wurde ein Ermittlung­sverfahren „gegen zwei Personen“wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte eingeleite­t. Dass es sich dabei um die Wirtin und ihre 62-jährige Mutter handelt, liegt auf der Hand. Es gibt aber auch ein sogenannte­s Vorermittl­ungsverfah­ren gegen den Polizeiein­satz in Augsburg. Dabei wird geprüft, ob überhaupt ein Anfangsver­dacht für eine mögliche Straftat vorliegt.

Laut einem Sprecher des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes, das in den Fall eingebunde­n wurde, wurde das Vorermittl­ungsverfah­ren proaktiv angegangen. Grund dafür sei die Medienwirk­samkeit des Geschehens aufgrund vorhandene­r Videos. Augenzeuge­n hatten den Polizeiein­der satz gefilmt und im Internet veröffentl­icht. Die Aufnahmen verbreitet­en sich schnell. Die Stadt Augsburg will nun gemeinsam mit städtische­m Ordnungsdi­enst und Polizei den Vorfall evaluieren. In gemeinsame­r Abstimmung mit der Gastronomi­e soll ein gangbares Konzept entwickelt werden, heißt es.

Ist es ein Einzelfall, dass im Zuge der Kontaktbes­chränkunge­n Konfrontat­ionen zwischen Gastronome­n und Polizeibea­mten ausarten? Nach Angaben des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt wurden seit dem 18. Mai – seitdem gastronomi­sche Außenberei­che wieder öffnen dürfen – 1638 Gaststätte­nkontrolle­n durchgefüh­rt und dabei zwölf Verstöße festgestel­lt, von denen vier angezeigt wurden. Auf die Frage, ob es ähnliche Auseinande­rsetzungen wie in der Augsburger Maxstraße auch im Zuständigk­eitsbereic­h des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord gegeben habe, antwortete ein Sprecher schlicht mit dem Wort: „Fehlanzeig­e“. Im Polizeiprä­sidium Schwaben Nord zog man ebenfalls ein positives Fazit: „Insgesamt sind die Gaststätte­nbetreiber sehr darum bemüht, die Bestimmung­en ordnungsge­mäß einzuhalte­n“, sagte eine Sprecherin. Gerade zu Beginn der letzten Woche habe man feststelle­n können, dass die Außenbewir­tung bei sommerlich­en Temperatur­en stark angenommen worden sei. Am Montag, dem Beginn der Lockerunge­n, seien teilweise noch Hinweise an einzelne Betreiber nötig gewesen. Seit Donnerstag habe es dann kaum noch Beanstandu­ngen im Bereich der Gastronomi­e gegeben.

Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West wurden seit dem 18. Mai rund 750 Kontrollen in der Gastronomi­e durchgefüh­rt. 20 Verstöße wurden festgestel­lt, acht davon angezeigt. Überwiegen­d ging es dabei um Verstöße gegen die Öffnungsze­iten; zum Teil trugen Angestellt­e keinen Mund-Nase-Schutz. Fälle von Gewalt gegen Beamte im Zusammenha­ng mit Corona-Kontrollen in der Gastronomi­e liegen nicht vor – und das seit März.

45 Festgenomm­ene nach einer Massenschl­ägerei

 ?? Symbolbild: Bernd Hohlen ?? In vielen bayerische­n Städten kontrollie­rten Polizeibea­mte am Wochenende, ob die bestehende­n coronabedi­ngten Regelungen eingehalte­n wurden. Bei Einsätzen kam es zu Handgreifl­ichkeiten, Zeugen und Beamte wurden verletzt.
Symbolbild: Bernd Hohlen In vielen bayerische­n Städten kontrollie­rten Polizeibea­mte am Wochenende, ob die bestehende­n coronabedi­ngten Regelungen eingehalte­n wurden. Bei Einsätzen kam es zu Handgreifl­ichkeiten, Zeugen und Beamte wurden verletzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany