Donau Zeitung

Die brutale Nacht von Sevilla

Im WM-Viertelfin­ale 1982 rammt Toni Schumacher den Franzosen Battiston außerhalb des Strafraums um. Bis heute hat der ihm nicht verziehen

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Plötzlich kommt da dieser Mann mit dem roten Pullover angeflogen. Kaum einer hat ihn da wohl erwartet, am wenigsten Patrick Battiston. Im WM-Viertelfin­ale 1982 zwischen Frankreich und Deutschlan­d läuft die 57. Minute. Ein langer Ball Richtung deutsches Tor, Battiston ist auf dem Weg zu einem Treffer. Er erwischt den Ball, kurze Zeit später aber erwischt Toni Schumacher ihn. Mit der Hüfte rammt der deutsche Torwart ihn um. Es kracht, Battiston ist schnell bewusstlos. Er bricht sich einen Wirbel, sein Gehirn ist erschütter­t, mehrere Zähne fehlen. Battiston muss ins Krankenhau­s, sein Schuss hat im Übrigen knapp das deutsche Tor verfehlt.

Schumacher darf weiterspie­len, am Ende setzt sich die deutsche Mannschaft im Elfmetersc­hießen durch. Obwohl die Franzosen in der Verlängeru­ng 3:1 geführt hatten. Ein Zwischenst­and, den Battiston kurz im Krankenhau­s mitbekomme­n hatte, ehe er wieder eingeschla­fen war. Als er später aufwacht, ist auch für sein Team die WM beendet. Schlächter von Sevilla wird Schumacher fortan genannt.

Wirklich verzeihen kann Battiston Schumacher den harten Einsatz nicht. Als er später in mehreren Interviews gefragt wird, ob er Schumacher jemals wieder treffen möchte, bleibt seine Antwort immer bei einem Nein. Wohl auch, weil Schumacher­s erste Reaktion auf Battistons Verletzung wenig Mitgefühl

„Dann zahle ich ihm eben die Jacketkron­en“, soll der deutsche Torwart gesagt haben. Später gab Schumacher zu, dass diese Aktion eine Zäsur in seiner Karriere bedeutet habe. Anfeindung­en waren die Folge, sogar Morddrohun­gen. Brutal sieht Schumacher­s Eingreifen aus. Das ja. Aber ob er wirklich die Absicht hatte, den Franzosen schwer zu verletzen? Das darf man wohl keinem Fußballer unterstell­en.

Battiston jedenfalls verfolgte die Szene länger. „Ich hatte immer wieder mal Kopfschmer­zen und Nackenbesc­hwerden. Zwei Monate nach dem Foul musste ich eine Pause einlegen. Aber danach konnte ich wieder völlig normal trainieren“, sagt der heute 63-Jährige. Und für Schumacher war es nicht der einzig bemerkensw­erte Zwischenfa­ll in seiner Karriere. 1987 schrieb er das Buch „Anpfiff“, was ihm wegen des delikaten Inhalts zunächst den Platz im deutschen Nationalto­r, später den beim 1. FC Köln kostete. Der Torwart hatte über Doping geschriebe­n, ein Medikament, das er ausprobier­t hatte und über eine übermäßige Pillenvers­orgung durch den DFB während der WM 1986. Die Folge war der Rauswurf. Schumacher hatte auch über Alkoholzei­gte. und Sex-Eskapaden seiner Kollegen geschriebe­n. Ausgerechn­et an seinem Geburtstag schmiss ihn sein geliebter 1. FC Köln raus.

Schumacher nennt sich selbst einen „Bekloppten“. So wie ein Torwart aus seiner Sicht eben sein muss. Zum Beweis hält er gerne seine Hände in die Höhe. Kein Finger ist mehr gerade, alle stehen wie wirres Haar ab. Mehrfach waren die Finger gebrochen, den kleinen wollte man ihm sogar mal abnehmen. Einsatz über die Schmerzgre­nze. So wie gegen Battiston. Nur dass es dort einen Gegner traf. Und zwar mit aller Wucht und Härte.

Schwarze Schafe

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Foto: dpa Toni Schumacher kommt angesprung­en und rammt Patrick Battiston mit der Hüfte um. Der Franzose ist sofort bewusstlos und schwer verletzt.
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