Donau Zeitung

Das Pflegeheim als Mahnmal

- VON BENJAMIN REIF redaktion@donau-zeitung.de

Friedrich Nietzsche schrieb einst: „Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“Das Zitat des großen Philosophe­n regt in diesen Zeiten zum Nachdenken an. Etwa drei Monate mit Corona liegen hinter uns. Wie viele noch vor uns liegen, weiß niemand.

Wir blicken nicht in einen Abgrund im Sinne einer Katastroph­e ungeahnten Ausmaßes. Deutschlan­d und der Landkreis Dillingen im Speziellen sind von Szenen verschont geblieben, wie sie sich in New York oder in Brasilien abspielen. Wenn wir in den Abgrund blicken, um in Nietzsches Bild zu bleiben, dann sieht darin jeder etwas anderes. Die eine die Angst um eine bestimmte Person, die andere eine Verschwöru­ng der Pharmaindu­strie. Der eine empfindet Angst um die eigene wirtschaft­liche Existenz, der andere sieht Chancen für eine Neuausrich­tung der Gesellscha­ft.

Manche aber empfinden nichts als Trauer um die Menschen, die das Virus das Leben gekostet hat. Wie falsch, wie zynisch, wie schmerzhaf­t müssen diese Mitbürger das oft gehörte Argument empfinden, die Grippe töte jedes Jahr viel mehr Menschen als das Coronaviru­s?

Wir müssen alle weiterhin über das Coronaviru­s reden. Miteinande­r, und nicht übereinand­er. Wer eine Meinung hat, die von der eines Kollegen, Familienmi­tglieds oder Bekannten abweicht, der sollte mit demjenigen das Gespräch suchen, und sich nicht mit Gleichgesi­nnten über ihn auslassen. Das Virus wird uns noch länger begleiten. Die Diskussion­en um dessen Ursprünge, seine Verbreitun­g und auch seinen Schaden werden andauern. Doch abseits aller Meinungen und Argumente steht die Tatsache, dass in einem Bissinger Pflegeheim 24 Menschen tot sind, die ohne das Virus noch leben würden. Deren Angehörige­n gehört unser Beileid.

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