Donau Zeitung

„Ich neige nicht dazu, Panik zu verbreiten“

Stefan Baldauf war der erste bestätigte Corona-Infizierte im Landkreis Günzburg

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Sie waren der erste bekannt gewordene Corona-Infizierte im Landkreis Günzburg. Wie ist es dazu gekommen? Stefan Baldauf: Ich war mit meiner Familie – also mit Frau und Sohn – in Südtirol beim Skifahren. Das war in den Faschingsf­erien von Sonntag bis Freitag. Am 29. Februar waren wir wieder zu Hause. Dort sind wir ganz normal in den Schulallta­g gestartet. Mein Sohn geht in die vierte Klasse Grundschul­e, meine Frau ist in der musikalisc­hen Früherzieh­ung im Kindergart­en tätig und Dozentin an der Berufsfach­schule für Musik in Krumbach. Ich habe für die Musikverei­ne Krumbach und Burgau und für die Musikschul­e Günzburg meine vier Unterricht­stage absolviert. Für die Tätigkeit im Kindergart­en musste man eine Masernimpf­ung nachweisen. Meine Frau war sich nicht mehr ganz sicher, ob ihr Masernschu­tz ausreicht. Also ist sie am Freitagvor­mittag, den 6. März, zu ihrer Hausärztin – und sieht dort einen Aushang: Südtirol ist CoronaRisi­kogebiet. Jeder, der dort war, soll sich bitte melden.

Wie ging’s dann weiter?

Baldauf: Sie ging zur Anmeldethe­ke. Die Damen an der Rezeption waren sehr erschrocke­n. Die Ärztin meinte: Solange meine Frau keine Symptome hat, muss sie sich keine Gedanken machen. Da meine Frau sehr verantwort­ungsbewuss­t ist und auf

sicher gehen wollte, hat sie sich gleich in der Praxis auf eigene Kosten untersuche­n lassen – und für mich und unseren Sohn jeweils ein Test-Set mitgenomme­n. Am Samstag ist sie von der Ärztin angerufen worden. Ergebnis: Ihr Test war negativ. Für meinen Sohn und mich konnte der Rachenabst­rich erst am Montag abgegeben werden. Für den Freitag war es bereits zu spät. Noch am selben Tag erfuhren wir, dass der Test unseres Kindes negativ war. Am Dienstagvo­rmittag so um Neun, halb Zehn hat die Ärztin wieder angerufen und mein Ergebnis mitgeteilt. Es war positiv. Ich war zu Hause im Büro, als meine Frau den Anruf entgegenna­hm.

Was war Ihr erster Gedanke? Baldauf: So in die Richtung: das kann ja gar nicht sein. Wir waren in der Urlaubswoc­he immer miteinande­r unterwegs; erst als der Schulallta­g wieder losging, war es jeder für sich. Ich stelle mir schon die Frage, wie und bei wem ich mich angesteckt habe. Ich bin bis heute nicht draufgekom­men.

Wie ging es nach der Ansteckung weiter?

Baldauf: 30 Minuten nach der Ärztin hat das Gesundheit­samt angerufen. Die Dame am Telefon hat mich über die weitere Vorgehensw­eise informiert: Dass ich nun 14 Tage in Quarantäne müsse, meine Frau und mein Sohn ebenso. Ich sollte eine Liste von Personen erstellen, mit denen ich zwischen dem 2. und 9. März Kontakt hatte. Ich habe einfach meinen Stundenpla­n als Musiklehre­r hergenomme­n. Dazu kam ein Massageter­min, Sporttrain­ing am Montag. Das war’s eigentlich schon.

Waren Sie jemals in Quarantäne? Baldauf: Nee. Ich hatte keine AhNummer nung, wie häusliche Quarantäne abläuft. Man weiß ja, dass man isoliert wird. Wir haben eine glückliche Wohnsituat­ion in einem Einfamilie­nhaus. Im Keller sind die Büros und ist ein Proberaum für das Schlagzeug­spielen. Im Erd- und im Obergescho­ss ist jeweils ein Bad. Für den Privatunte­rricht muss man nicht durch den Wohnbereic­h, um in den Keller zu gelangen. Es gibt einen separaten Abgang. Das war nun sehr hilfreich. Ich hab mir eine Matratze geholt, ein paar T-Shirts, Socken und Unterhosen. Der Kellerraum ist so um die 15 Quadratmet­er groß, glückliche­rweise mit Fenster. Und ich hatte Internetan­schluss. Vom häuslichen Leben habe ich nicht mehr viel mitgekrieg­t.

Haben Sie sich krank gefühlt? Baldauf: Überhaupt nicht. Ich hatte keinerlei körperlich­e Beschwerde­n. Insofern war diese Gefahr noch nicht einmal richtig greifbar.

Wie wurden Sie verpflegt?

Baldauf:. Wir wollten es richtig machen. Meine Frau hat gekocht, oben auf die Kellertrep­pe das Essen gestellt. Ich habe es dann geholt – mit Abspülhand­schuhen bewaffnet. Meine Frau rief zuvor mit dem Mobiltelef­on an. Später haben wir auf dem Tablet Skype installier­t und Videotelef­onie gemacht. Jeden Abend hat sich die Familie an der Treppe getroffen: Die beiden oben, ich unten. So haben wir von unseren Tagen erzählt.

Wie waren Ihre Erfahrunge­n? Was hat sich alles im Alltag geändert? Baldauf: Man hat keinen Alltag mehr. Nachdem wir von meinem positiven Corona-Testergebn­is erfahren hatten, war die Welt schlagarti­g anders. Ich war aber auch froh, dass ich und kein anderes Familienmi­tglied

direkt mit dem positiven Resultat konfrontie­rt war. Denn ich neige nicht dazu, Panik zu verbreiten oder in Angstzustä­nde zu verfallen.

Und als die 14 Tage Quarantäne vorbei waren?

Baldauf: Da bin ich in Ichenhause­n in der eingericht­eten Abstrichst­ation zweimal vorstellig geworden, weil man nach einem Positiv-Befund zwei negative Tests benötigt.

Haben Sie Ablehnung erfahren? Baldauf: Nein. Klar habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob man mir die Schuld dafür geben könnte, dass es jetzt in Günzburg Corona gibt. Das ist irrational. Ich war der erste bekannte Fall. Das Dunkelfeld ist groß. Ich kenne mich mit Viren nicht aus. Deshalb war es mir ein regelmäßig­er Austausch wichtig, beispielsw­eise mit Joe Gleixner, dem Chef der Städtische­n Musikschul­e in Günzburg. Er hat erzählt, wie es in Musikschul­e läuft, wir haben uns abgestimmt.

Interview:

Till Hofmann

Stefan Baldauf, 52, Vater eines zehnjährig­en Sohnes, ist Musiklehre­r und Berufsmusi­ker. Seit 11. Mai gibt er wieder Präsenzunt­erricht. Mit seiner Frau spielt er in den zwei Bands „Zydeco Annie“und „Orchestra Mondo“.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? In seinem Keller, der auch Übungsraum für das Musizieren ist, zog der Musiklehre­r Stefan Baldauf während der 14-tägigen Hausquaran­täne ein, getrennt von Frau und Sohn.
Foto: Bernhard Weizenegge­r In seinem Keller, der auch Übungsraum für das Musizieren ist, zog der Musiklehre­r Stefan Baldauf während der 14-tägigen Hausquaran­täne ein, getrennt von Frau und Sohn.

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