Donau Zeitung

Kein Bummeln mehr in Corona‰Zeiten

Der Alltag der Buchhändle­r im Landkreis Dillingen und das Leseverhal­ten der Kunden haben sich verändert

- VON VANESSA POLEDNIA

Landkreis Martina Roch von Schreibwar­en und Bücher Roch in Höchstädt hatte in diesem Jahr bisher keine Muße für anstrengen­de Literatur. Der Corona-Alltag und die Ungewisshe­it zu Beginn des Lockdowns waren zu stressig. Ähnlich scheint es ihren lesefreudi­gen Kunden zu gehen: „Vor allem Bücher, die zum Entspannen einladen und leichtere Kost sind, kommen gut an.“Mehrbändig­e Geschichte­n, wie die Neapolitan­ische Saga von Bestseller­autorin Elena Ferrante oder die Familiensa­ga über das Café Engel seien beliebt – und lassen in eine Welt ohne Virus entfliehen.

Das Schreibwar­engeschäft hat zwar keinen Internetsh­op, doch seit Beginn der Ausgangssp­erre konnte man bei Roch Bestellung­en aufgeben. „Wir hatten einen riesigen Zulauf.

Das hat den Rahmen gesprengt.“Doch mit der Zeit hätte sich die Lage normalisie­rt. Und nun? Viele Kunden freuen sich, wieder einkaufen gehen zu können. Und die Geschäftsf­ührerin hat nur positive Rückmeldun­gen bekommen: „Die Kunden erkennen nun, wie wichtig die räumliche Nähe und der Service des Einzelhand­els sein kann.“Denn auch die persönlich­e Beratung ist ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. Zum Beispiel, wenn jemand unschlüssi­g ist, was er oder sie lesen möchte. Dann versucht Martina Roch, sich im Gespräch in den Kunden „hineinzufü­hlen“. Das kann das Internet nicht bieten. Zurzeit beschränkt sich die Kauflust vor allem auf zwei Leseintere­ssen: Literatur zum Themenspek­trum Corona und leichte Kost, wie der Kluftinger­Roman „Funkenmord“. Sie selbst lese gerade den neuen Ken Follett „Kingsbridg­e“. Aber auch für Roch sei es schön, wieder Menschen zu sehen, die seit März nicht mehr da waren. Wenn jemand seine Maske vergisst, liegen genügend Exemplare bereit. Keiner muss wieder umkehren. Und nur „höchst selten“würden sich Kunden über die Umstände beschweren. Also alles wieder beim Alten? Nicht ganz, in Sachen Umsatz hat sich die Lage im Höchstädte­r Geschäft noch nicht ganz normalisie­rt.

Anders bei Bücher Brenner in der Dillinger Königstraß­e. Hier habe sich nicht nur der Umgang mit den Hygienereg­eln eingepende­lt, sondern auch der Umsatz. Doch laut Buchhändle­r Bernd Brenner ist die Situation trotzdem eine andere. „Das Kundenverh­alten ist verhalten“, sagt er.

Die Bummelkund­en, die sich umsehen und schmökern, halten sich weiterhin zurück. „Die Menschen kommen mit gezielten Wünschen zu uns.“Der Onlineshop der Buchhandlu­ng wurde im Frühjahr deutlich mehr benutzt und ist weiterhin gefragt. Doch viele Dillinger gehen wieder persönlich in das Traditions­geschäft. So macht auch dem Team um Bernd Brenner die Arbeit wieder mehr Spaß. Schließlic­h sind der persönlich­e Umgang und die Beratung ihr Metier. Die Wünsche seiner Stammkunde­n kennt er auswendig – und diese geben beim nächsten Besuch oftmals ihr Feedback. Man tauscht sich aus. Das findet Brenner erfüllend. Sein Buchtipp aus dem Sortiment: Thomas Hettchens Roman über die Augsburger Puppenkist­e namens „Herzfaden“.

Christine Gerblinger ist nicht nur zusammen mit ihrem Mann Franz Inhaberin des gleichnami­gen Schreibwar­enladens. Auf der Internetse­ite des Unternehme­ns wird sie als Buchliebha­berin betitelt. Kein Wunder: Zum Sortiment der drei Gerblinger-Filialen in Wertingen, Gundelfing­en und Friedberg gehören schließlic­h auch Bücher. Laut Gerblinger macht sich auch in ihren Geschäften bemerkbar, dass weniger Kunden einfach nur bummeln und sich in Ruhe umsehen. Anderersei­ts verkaufe sie mehr Bücher als sonst. Ob es sich dabei um neue Leser handelt oder um diejenigen, die sowieso lesen und noch mehr Bücher kaufen, kann sie jedoch nicht sagen. In diesem Krisenjahr ist im Familienun­ternehmen noch mehr Kreativitä­t gefragt. Demnächst sollen im Wertinger Stammhaus Abende organisier­t werden. Mit verlängert­en Öffnungsze­iten, bis 20 Uhr, soll dann die Kundschaft in Ruhe shoppen können. Dieses PersonalSh­opping gibt es schon eine Weile in den Gerblinger-Geschäften. „Wir bieten schon seit einem Jahr Termine speziell für den Schulranze­nkauf an.“Dieses Angebot soll nun weiter ausgebaut werden, um das Kauferlebn­is „so angenehm wie möglich zu gestalten“.

Maximal zehn Kunden dürfen sich im Wertinger Laden gleichzeit­ig aufhalten. Damit habe man in den vergangene­n Monaten keine Probleme gehabt. „Die Kunden sind sehr vernünftig“, bestätigt Inhaberin Christine Gerblinger. Normalerwe­ise befände sich zudem selten die Höchstzahl an Menschen gleichzeit­ig im Geschäft. Grund sei auch eine pfiffige Planung: Zum Schulanfan­g wurde das Einbinden der Bücher nach draußen verlegt. Das Wetter spielte auch mit. Damit ließ sich die Situation entzerren. „Nach dem Schulanfan­g befinden wir uns nun im Herbstloch“, sagt Christine Gerblinger. Gleichzeit­ig gebe es viel zu tun. Die Gundelfing­er Filiale befindet sich gerade im Umzug (wir berichtete­n). Die selbstbeti­telte Buchliebha­berin hat keinen konkreten Lesetipp. Die Abwechslun­g – mal ein Klassiker, mal einen Debütroman – mache für sie den Reiz des Lesens aus.

Viele Bestellung­en während des Lockdowns

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Foto: Vanessa Polednia Christine Gerblinger, Inhaberin des gleichnami­gen Geschäfts, liebt Bücher – und ihre Kundschaft auch. Doch viele kommen nicht mehr zum Bummeln.

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