Donau Zeitung

Mit dem Zollstock ins Restaurant

- VON ERICH PAWLU redaktion@donau‰zeitung.de

Viele Staatsbürg­er sehnen sich schon lange danach, für den Staat zu bürgen und ihm in finanziell­er Not beizusprin­gen. Das war noch nie so einfach wie heute – insbesonde­re für Hotelbesit­zer. Wer sich weigert, einem Gast im Restaurant zehn Quadratmet­er und im Aufzug 1,5 Quadratmet­er freien Raum zur Verfügung zu stellen, verwandelt sich vom Gastronom zum Wohltäter. Der gültige Corona-Bußgeldkat­alog verdonnert ihn sofort zu einer empfindlic­hen Geldstrafe.

Wer solche Maßnahmen ablehnt, hat nicht verstanden, dass der Corona-Bußgeldkat­alog eine Vielzahl neuer Jobs schaffen wird. Wo Menschen zusammenst­römen, darf bald der staatlich beauftragt­e Corona-Sünden-Fahnder nicht fehlen. Er ist schwer zu erkennen. Aber wer künftig ein Restaurant, ein Kino oder ein Kaufhaus mit einem Meterstab in der Hosentasch­e betritt, ist mit hoher Wahrschein­lichkeit ein Mitglied der neuen Armee staatliche­r Sündenfahn­der. Er widmet sich der schwierige­n Aufgabe, leichtfert­igen Gästen die Missachtun­g des gesetzlich vorgeschri­ebenen Mindestabs­tands von 1,5 Metern zur nächsten Person nachzuweis­en.

In der deutschen Geistesges­chichte geschieht es nicht zum ersten Mal, dass der Meterstab an die Unnatürlic­hkeit bestimmter Messungen erinnert. Fritz Mauthner gibt im „Wörterbuch der Philosophi­e“zu bedenken: „Auch die Handwerker gebrauchen Meterstab, Winkelmaß und Lot nicht, um für sich die Natur zu erkennen, … die Mathematik­er messen immer nur die tote Natur, und wenn sie das Leben selbst messen, so haben sie vorher das Leben weggedacht.“

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