Donau Zeitung

So teuer wird das neue Kanzleramt

Fünfstöcki­ge Wintergärt­en, eine überflüssi­ge Brücke und ein aufwendige­r Hubschraub­erlandepla­tz: Die Erweiterun­g der Berliner Regierungs­zentrale sprengt laut Bundesrech­nungshof alle üblichen Kostengren­zen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Von oben wirkt der geplante Erweiterun­gsbau des Bundeskanz­leramts in Berlin wie ein Fragezeich­en: Ein Gebäude-Band, das oben eine Kurve beschreibt, unten mit einem kreisförmi­gen Hubschraub­erlandepla­tz als Punkt. Ab 2028 soll es die Raumnöte im Hauptgebäu­de beenden und rund 400 Mitarbeite­rn Platz bieten. Der Entwurf stammt vom Architekte­npaar Charlotte Frank und Axel Schultes, das schon das 2001 bezogene Bundeskanz­leramt mit seinem charakteri­stischen runden Ausschnitt gezeichnet hatte, das viele an eine Waschmasch­ine erinnert. Weil es noch unter CDUKanzler Helmut Kohl bezogen wurde, trug es zunächst den Spitznamen „Kohlosseum“. Erster Mieter war dann aber der SPD-Mann Gerhard Schröder.

Schon heute gilt das Bundeskanz­leramt mit seinen rund 25 000 Quadratmet­ern Nutzfläche als größte

Regierungs­zentrale der westlichen Welt. Es ist rund achtmal so groß wie das Weiße Haus in Washington, zehnmal so groß wie Downing Street Nummer 10 in London und dreimal so groß wie der Pariser Élysée-Palast. Durch die Erweiterun­g soll sich die Fläche des Kanzleramt­s noch einmal verdoppeln.

Viele Fragezeich­en bei dem Projekt sieht der Bundesrech­nungshof. Denn schon jetzt ist klar, dass die Kostenschä­tzung, die bei der Vorstellun­g der Pläne vor fast zwei Jahren im Bundeskanz­leramt angegeben wurde, längst nicht ausreichen wird. War zunächst von rund 460 Millionen Euro die Rede, geht die Bundesregi­erung heute von mindestens 600 Millionen Euro aus, die aber wohl auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein dürften.

Als Gründe werden steigende Baukosten und „Entwicklun­gsrisiken“angegeben. Pro Quadratmet­er soll das Bürogebäud­e für rund 400 Mitarbeite­r also mindestens 18000 Euro kosten. Dabei sollte ein „nüchterner Zweckbau“entstehen, wie es bei der ersten Vorstellun­g hieß. Für den Rechnungsh­of steht aber bereits jetzt fest, dass der Anbau alles andere als nur zweckmäßig funktionel­l ist – im Gegenteil sprenge er den Kostenrahm­en aller bisherigen Bundesbaut­en in Berlin.

Für Bauten des Bundes gilt der Grundsatz, dass „eine wirtschaft­liche Lösung zur Deckung eines nachgewies­enen Bedarfs“vorgelegt werden muss. Beim Erweiterun­gsbau für das Kanzleramt glaubt der Bundesrech­nungshof, dass davon keine Rede sein kann. Das Preisnivea­u bewege sich sogar über dem von Gebäuden der medizinisc­hen Spitzenfor­schung mit aufwendige­n Reinräumen und luftdichte­n Fassaden. Im Abschlussb­ericht zu dem Vorhaben bezweifelt der Rechnungsh­of zudem, dass bereits alle Kosten bekannt sind.

Noch gibt es keinen Termin für einen Spatenstic­h, ginge es nach den Finanzwäch­tern, würde an das Vorhaben bis dahin noch gewaltig der Rotstift angesetzt. Für überflüssi­g halten sie etwa „neun fünfgescho­ssige Wintergärt­en“, die geplant sind. Für den Rechnungsh­of bieten diese nicht nur „keinen Mehrwert“, es sei sogar allen Beteiligte­n bewusst, dass die Glaskonstr­uktion zu Problemen führen werde. Sie drohe sich im Sommer aufzuheize­n, was einen „hohen Aufwand auch im Betrieb“bedeute. Gemeint sind Kosten für Verschattu­ngstechnik oder Kühlung. Der Rechnungsh­of empfiehlt, dass die Wintergärt­en einfach ersatzlos gestrichen werden. So ließen sich „mindestens 14 Millionen Euro“einsparen.

Für Kopfschütt­eln sorgen zudem ein als viel zu aufwendig kritisiert­er Hubschraub­erlandepla­tz und eine geplante zweite Brücke über die

Spree. Sie soll den Fluss auf einer Länge von 123 Metern stützenlos überspanne­n. Allein die Brücke soll mehr als 18 Millionen Euro kosten, doch der Bundesrech­nungshof hält sie schlicht für überflüssi­g. Der Mehrwert werde nicht nachgewies­en, deshalb raten die Gutachter, auf das Bauwerk ganz zu verzichten.

Die Liste der Kritikpunk­te ist aber noch länger. Sie enthält die geplante „Kanzlerwoh­nung mit einer Nutzfläche von 250 Quadratmet­ern“. Allein die Kosten für das Mobiliar werden mit 225000 Euro veranschla­gt. Doch im Kanzleramt­sAltbau gibt es bereits eine durchaus präsentabl­e Kanzlerwoh­nung mit 200 Quadratmet­ern. Die Bundesrepu­blik hat aber nur einen Kanzler, sodass sich den Gutachtern der Nutzen der zweiten Dienstwohn­ung nicht recht erschließe­n mag. Sie empfehlen, die Räume erst einmal als Büros zu nutzen, in diesem Punkt hat die Regierung immerhin bereits Zustimmung signalisie­rt.

Streichen würde der Rechnungsh­of weiterhin die projektier­te Kindertage­sstätte für zwölf bis 15 Kinder von Kanzleramt­sbedienste­ten. Denn die geschätzte­n Kosten von 2,8 Millionen Euro seien nicht nur unverhältn­ismäßig hoch. Durch eine Zusammenar­beit mit Kinderbetr­euungsange­boten in der Nähe, etwa dem Bundestags-Kindergart­en, sei eine eigene Kanzleramt­s-Kita komplett verzichtba­r.

Im Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s hat CDU-Kanzleramt­sminister Helge Braun die Pläne verteidigt. Bei den Beratungen zum Bundeshaus­halt 2021 sagte er etwa zu den geplanten Wintergärt­en, diese seien „elementare­r Bestandtei­l dieser

Schon jetzt achtmal größer als das Weiße Haus

Bund der Steuerzahl­er auf den Barrikaden

Baukonstru­ktion“. Sie einfach wegzulasse­n, gehe nicht, ohne sie müsste man von vorne anfangen. Doch schon kommt neuer Gegenwind vom Bund der Steuerzahl­er.

Dessen Präsident Reiner Holznagel sagte unserer Redaktion: „Weniger als 20 Jahre nach Eröffnung des Bundeskanz­leramts in Berlin wird schon ein üppiger Erweiterun­gsbau geplant. Offenbar geht es nicht darum, einen funktional­en Zweckbau zu errichten. Dies halte er für ein falsches Signal, so Holznagel weiter – „vor allem in der Corona-Krise mit ihren Rekordschu­lden der öffentlich­en Haushalte und mit Blick auf viele Bürger, die Angst um ihren Arbeitspla­tz haben.“

Er befürchtet, dass die Baukosten noch weiter steigen werden und sieht jetzt das Parlament am Zug: „Mittel sollten erst dann freigegebe­n werden, wenn die Pläne der aktuellen Situation angepasst und konkretisi­ert wurden – dabei muss immer wieder geprüft werden, was wirklich notwendig und am Ende wirtschaft­lich ist.“Holznagel fordert in diesem Zusammenha­ng, dass das Kanzleramt ein Zeichen setzen und alle Mitarbeite­r am Bonner Standort künftig in der Hauptstadt unterbring­en solle. Das Berlin/ Bonn-Gesetz habe sich 30 Jahre nach der Wiedervere­inigung überholt. Holznagel ist überzeugt: „Das Kanzleramt muss vorangehen und seinen Dienstsitz in Bonn auflösen.“

 ?? Illustrati­on: Schultes Frank Architekte­n ?? Der Entwurf des Erweiterun­gsbaus zeigt die geplante Brücke über die Spree.
Illustrati­on: Schultes Frank Architekte­n Der Entwurf des Erweiterun­gsbaus zeigt die geplante Brücke über die Spree.

Newspapers in German

Newspapers from Germany