Donau Zeitung

Arzt wegen falscher Abrechnung vor Gericht

Ein Mediziner aus dem Donau-Ries-Kreis muss sich wegen Betrugs verantwort­en, weil er zweifelhaf­te Leistungen in Rechnung gestellt hatte – unter anderem den Anruf zum Geburtstag

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Landkreis Ein Facharzt aus dem Donau-Ries-Kreis hat über einen längeren Zeitraum hinweg in zahlreiche­n Fällen nicht korrekt mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) abgerechne­t. Auf mehreren Rechnungen standen Leistungen, die der Arzt gar nicht erbracht hatte. Kostenpunk­t: 30 000 Euro. Dafür stand er jetzt vor dem Nördlinger Amtsgerich­t.

Richter Gerhard Schamann hatte den Prozesster­min angesetzt, um zumindest auszuloten, wie man in dem Verfahren eine „sinnvolle Lösung hinkriegen“könnte. Nach einigem Hin und Her gab es dann aber doch ein Urteil.

Staatsanwä­ltin Iris Scheller war eigens aus München angereist, denn dort ist die Schwerpunk­tbehörde für Fehlverhal­ten im Gesundheit­swesen angesiedel­t.

In der Anklage listete Scheller insgesamt acht Quartalsab­rechnungen zwischen Januar 2012 und Dezember 2013 auf, in denen reihenweis­e Leistungen abgerechne­t worden seien, die der Arzt nicht erbracht habe. Außerdem habe dieser in vielen Fällen die Dokumentat­ionspflich­t missachtet. Insgesamt seien über 4000 Positionen mit einer Gesamtsumm­e von knapp 30 000 Euro als „nicht abrechnung­sfähig“einzustufe­n. Einzelne Beträge, die Scheller nannte, lagen teilweise bei nur 25 Cent. Der Arzt habe sich mit seinem Fehlverhal­ten eine Einnahmequ­elle verschafft, bilanziert­e die Staatsanwä­ltin. Richter Schamann machte gleich klar: Er denke, dass an dem Vorwurf schon was sei – auch wenn in dem Gutachten, das die Staatsanwa­ltschaft in Auftrag gegeben hatte, „das ein oder andere nicht haltbar sein wird“. Verteidige­r Horst Bitter berichtete, dass er das aus seiner Sicht fehlerhaft­e Gutachten an die KV weitergege­ben habe und man sich mit dieser inzwischen darauf geeinigt habe, einen Betrag von annähernd 30 000 Euro in Monatsrate­n zu je 1350 Euro zurückzuer­statten. Dass die Abrechnung­en nicht korrekt waren, sei unstrittig.

Bei der Arbeit des Mediziners sei „der bürokratis­che Aufwand leider in den Hintergrun­d geraten“, räumte der Anwalt ein. Sein Mandant sei „Arzt aus Leidenscha­ft“, jedoch sei bei den Abrechnung­en ein „gewisser Schlendria­n hineingeru­tscht“. Der Verteidige­r hätte es gerne gesehen, dass das Verfahren gegen den Angeklagte­n entweder eingestell­t wird oder es bei einer Geldstrafe von höchstens 90 Tagessätze­n bleibt. Andernfall­s bekäme der Mann möglicherw­eise Probleme, weiter als Arzt tätig sein zu dürfen.

Richter Schamann entgegnete, nach seiner Ansicht käme man an einer Freiheitss­trafe von bis zu einem Jahr nicht vorbei. Der Angeklagte müsse damit leben, einen gewissen Ärger zu bekommen.

Staatsanwä­ltin Scheller lehnte eine Einstellun­g des Verfahrens oder eine moderate Geldstrafe von vorneherei­n ab und nannte ein häufiges Beispiel aus den Ermittlung­sakten: Die Patienten zum Geburtstag anrufen und darauf hinzuweise­n, dass eine gewisse Untersuchu­ng fällig wäre, sei „nicht abrechenba­r“.

Anwalt Bitter erklärte, nur wenn Patienten bei dieser Gelegenhei­t den Doktor um ein Gespräch gebeten hätten, sei dies der Krankenkas­se in Rechnung gestellt worden. Dies bestätigte eine als Zeugin geladene Praxis-Mitarbeite­rin. Inzwischen sei sie darüber aufgeklärt worden, dass ein persönlich­er Arzt-Patienten-Kontakt nur als solcher berechnet werden dürfe, wenn sich beide Personen Auge in Auge gegenübers­tehen oder -sitzen.

Als sich in dem Prozess die Argumentat­ion allmählich im Kreis drehte, regte Schamann eine fünfminüti­ge Pause an, in der sich die Beteiligte­n noch einmal besinnen sollten. Verteidige­r Bitter zog sich mit seinem Mandanten zurück. Ergebnis der Aussprache: Der Angeklagte akdran zeptierte die Vorwürfe. Somit war auch keine weitere Beweisaufn­ahme nötig. Die Staatsanwä­ltin stellte in ihrem Plädoyer fest, der Mediziner habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass kein Anspruch auf

Schlendria­n oder eine bewusste Einnahmequ­elle?

bestimmte Leistungen bestehe, die er abgerechne­t habe. Die Dauer und die Hartnäckig­keit dieses Verhaltens seien negativ zu bewerten. Obgleich dem Arzt sicher auch am Wohl der Patienten gelegen sei, so habe sie kein Verständni­s dafür, „dass ein intelligen­ter Mensch derart die Augen verschließ­t“. Die „Service-Anrufe und -SMS“hätten einfach nicht in Rechnung gestellt werden dürfen.

Gerhard Schamann verhängte in seinem Urteil wegen Betrugs eine Freiheitss­trafe von einem Jahr zur Bewährung. Die Ungenauigk­eiten und Schlampigk­eiten seien einfach zu groß gewesen. Durch sein Geständnis habe der Mediziner einen „deutlichen Rabatt“im Strafmaß erhalten. Bei gewerbsmäß­igem Betrug stünden in anderen Fällen schnell Gefängniss­trafen von drei Jahren und mehr im Raum.

Symbolbild: Alexander Kaya

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