Donau Zeitung

Im Club der singenden Metzger

Porträt Aylin Tezel war einmal die jüngste „Tatort“-Kommissari­n. Den Bayerische­n Fernsehpre­is hat sie nun für einen Film über ein Auswandere­r-Drama gewonnen

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Die meisten Fernsehzus­chauer in Deutschlan­d haben sie wegen ihrer Rolle im Dortmunder „Tatort“auf dem Radar. Als Oberkommis­sarin Nora Dalay hat sie jahrelang im Ruhrpott an der Seite des zynischen Kollegen Peter Faber, gespielt vom großartige­n Jörg Hartmann, und der Kollegin Martina Bönisch, kongenial dargestell­t von Anna Schudt, Morde aufzukläre­n. Sie war damals mit 28 Jahren die jüngste „Tatort“-Ermittleri­n der Republik. Irgendwann hatte sie dazu trotzdem keine Lust mehr. Immer nur Dortmund. Man kann das verstehen.

Im Februar vergangene­n Jahres also gab die Schauspiel­erin Aylin Tezel überrasche­nd ihren Ausstieg aus der Krimireihe bekannt. Wer dachte, wie kann man so leichtfert­ig so eine Bombenroll­e aufgeben, dem sei allerdings gesagt: Geschadet hat es ihrer Karriere bisher nicht – im Gegenteil. Am vergangene­n Mittwoch wurde Aylin Tezel mit knapp einem halben Jahr Verspätung in München mit dem Bayerische­n Fernsehpre­is als beste Schauspiel­erin ausgezeich­net. Und zwar für ihre Rolle im Film „Der Club der singenden Metzger“. Der Film erzählt das mitreißend­e Drama einer Freundscha­ft und einer großen Liebe vor dem Hintergrun­d der deutschame­rikanische­n Auswandere­r-Geschichte zu Beginn des letzten Jahrhunder­ts.

Es ist nicht die erste Trophäe für die 36-Jährige. Auch den DeutAuf schen Schauspiel­preis und verschiede­ne andere Belobigung­en hat sie sich schon abholen dürfen. Dabei ist ihr die Schauspiel­erei nicht wie vielen anderen Filmstars in die Wiege gelegt worden. Ihr türkischst­ämmiger Vater ist Arzt, ihre deutsche Mutter Kinderkran­kenschwest­er. Doch Aylin Tezel selbst hatte nur als Mädchen mal kurz mit einem Medizinstu­dium geliebäuge­lt: „Mein Vater hatte, glaube ich, schon eine Zeit lang die Hoffnung, dass ich in seine Fußstapfen trete. Als Kind habe ich das auch mal gesagt, dass ich gerne Kinderärzt­in werden will, weil ich beeindruck­t war von der Arbeit meiner Eltern.

der anderen Seite habe ich schon mit sechs Jahren getanzt und mit zwölf fing ich an, mir die ganzen Reclam-Ausgaben von Theaterstü­cken zu kaufen.“

Wer sich in diesem Alter freiwillig mit solcher Lektüre befasst, muss man unterstell­en, sich ernsthaft für das Schauspiel zu interessie­ren. Trotzdem verlief ihr Aufstieg nicht linear. Ihr Studium an der Berliner Schauspiel­schule Ernst Busch hat Aylin Tezel, die in London lebt, beispielsw­eise abgebroche­n. Erst nach einer Tanzpädago­genausbild­ung in Bielefeld begann sie schließlic­h zu drehen. 2007 begann sie die Arbeit an einem eigenen Kurzfilm, in den sie vier Jahre lang privates Geld steckte und dessen Erlös ihr am Ende eine Einzimmerw­ohnung einbrachte. Inzwischen dürften die Gagen für ein größeres Apartment reichen. Josef Karg

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Foto: dpa

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