Donau Zeitung

Werbung in eigener Sache

Parteien Erstmals treffen die Kandidaten um den CDU-Vorsitz direkt aufeinande­r. Bei einer Veranstalt­ung der Jungen Union und unter Corona-Bedingunge­n. Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet sind in guter Form. Um eine Frage aber drücken sie sic

- VON STEFAN LANGE

Berlin Gleich zu Beginn geht die gemeinsame Vorstellun­g der drei Kandidaten um den CDU-Parteivors­itz ein bisschen in die Hose. Armin Laschet, bei dieser Veranstalt­ung der Jungen Union per Los als erster Redner ermittelt, spricht zu lange. Fünf Minuten haben er sowie seine beiden Mitbewerbe­r, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, für die erste Runde bei diesem „JU-Pitch“am Samstagabe­nd in Berlin zur Verfügung. Laschet braucht zwei Minuten mehr.

Merz beobachtet es grimmig, Röttgen diplomatis­ch gelassen. Ein Sinnbild? Nein, ein erster Eindruck nur; er wird sich in den folgenden zwei Stunden, die per Videokonfe­renz und Livestream digital übertragen werden, nicht verfestige­n.

Denn – auch wenn so manch einer anderes erwartet haben mag – bei ihrem ersten direkten Aufeinande­rtreffen präsentier­en sich die drei Kandidaten in guter Form. Dieser Auftakt zu einer Reihe weiterer Vorstellun­gstermine gerät zum spannenden Schauspiel, vom irgendwie cool englisch tönenden Namen der Veranstalt­ung „Der Pitch“darf man sich da nicht irritieren lassen.

Die JU, also die Junge Union, ist die Nachwuchso­rganisatio­n der CDU. Und damit jene Generation der Mitglieder, die „Insta-Partys“feiert und Vorstellun­gsrunden eben „Pitch“nennt, was sich mit „Überredung zum Kauf“wörtlich übersetzen ließe. In der Werbebranc­he bewerben sich Agenturen mit einem Pitch um einen Etat.

Es gibt eine bestimmte Dramaturgi­e, insofern ist der Begriff für den Abend ganz passend gewählt. Durch eine gelungene Regie und dank der engagierte­n Moderation fällt es nicht schwer, dem Rededuell zu folgen. Vor allem steigen die drei Kandidaten um den CDU-Parteivors­itz nach einer kurzen Warmlaufph­ase engagiert ein und schenken sich wenig. Man wünscht sich, die SPD wäre bei ihrer Vorsitzend­ensuche auf diese Idee gekommen und hätte auf ihre teils gähnend langweilig­en Regionalko­nferenzen verzichtet.

Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Laschet hat die undankbare Aufgabe als erster Redner. Wegen der Corona-Bestimmung­en sind kaum Menschen in dem großen Saal unweit des Brandenbur­ger Tors. Die drei Politiker haben je ein Stehpult für sich, zum Eingangsst­atement müssen sie auf einen blauen runden Teppich vortreten, ihre Kontrahent­en im Rücken. Laschet hat einen Frosch im Hals und wirkt zunächst ein wenig hilflos.

Die Räusper-Phase ist jedoch schnell überwunden, Laschet handelt routiniert die aktuellen Themen ab. Der Landesvate­r vom Rhein präsentier­t sich als erfolgreic­her Corona-Krisenmana­ger. „Wir müssen denen helfen, die jetzt leiden“, sagt der 59-Jährige, der zum dunklen Anzug eine rote Krawatte trägt. Er spricht die junge Generation direkt an, verspricht einen kontrollie­rten Abbau der Corona-Schulden und vergisst auch Zukunftsth­emen nicht. Den Klimaschut­z etwa, den müsse man jetzt anpacken, sagt er. „Das mache ich“, verspricht er und reckt die Faust. Mit jedem Satz wird deutlich, dass der Ministerpr­äsident sich für die Rolle eines Bewahrers der Merkel-Politik entschiede­n hat: weiter so, Mitte-Kurs.

„Wir brauchen die Breite der Partei auch in der Bundespoli­tik“, sagt Laschet zum Beispiel. Später, da ist man schon bei den Abschlusss­tatements angekommen, betont er, er wolle „dafür kämpfen, dass wir die Partei der Mitte bleiben“. Zur Mitte-Partei wurde die CDU vor sieben Jahren von ihrer damaligen Vorsitzend­en Angela Merkel gemacht. Laschet vergisst in diesem Zusammenha­ng nicht zu erwähnen,

er von Jens Spahn unterstütz­t wird. Das kann ihm Punkte bringen bei der JU, für die der Bundesgesu­ndheitsmin­ister ein Star ist.

Die Junge Union ist eine große Nachwuchso­rganisatio­n. Etwa 115000 junge Leute sind Mitglieder. Die meisten davon, rund 30000, kommen aus NordrheinW­estfalen. Zweitgrößt­er Landesverb­and mit rund 24500 Mitglieder­n ist der in Bayern. Insofern ist die Veranstalt­ung ein Heimspiel für die drei Kandidaten, denn die bayerische CSU hat beim CDU-Vorsitz nichts mitzureden.

An Selbstbewu­sstsein mangelt es den JU-Mitglieder­n nicht, dabei wirkt die Organisati­on manchmal ein wenig aus der Zeit gefallen. Frauen etwa stehen bei ihr meist in der zweiten Reihe. Nur eine, Hildegard Müller, wurde jemals Vorsitzend­e. Im aktuellen Vorstand hat JU-Chef Tilman Kuban drei Stellvertr­eter und mit Heike Wermer nur eine Stellvertr­eterin. Wenn auf einem CDU-Bundespart­eitag über eine Frauenquot­e diskutiert wird, dann bekommen von der JU diejenigen am meisten Beifall, die dagegen sprechen. Beim „JU-Pitch“fragen die Frauen nicht nach, warum keine der ihren dabei ist.

Als zweiter Redner ist Friedrich Merz dran. Der 64-Jährige hat sich ebenfalls für einen klassische­n Anzug mit Krawatte entschiede­n. Er weiß, dass er in der JU viele Fans hat. Als es im Dezember 2018 darum ging, die Nachfolge von Angela Merkel zu bestimmen, standen viele Jungunioni­sten zunächst hinter ihm und machten gegen Annegret Stimmung. Im Gegensatz zu seiner verschwitz­ten und leicht verschwurb­elten Bewerbungs­rede auf dem Hamburger Bundespart­eitag präsentier­t sich Merz an diesem Abend in deutlich besserer Form.

Merz, wie seine beiden Mitbewerbe­r politisch in NordrheinW­estfalen beheimatet, lenkt den Blick auf das Superwahlj­ahr 2021 mit mehreren Landtagswa­hlen und einer Bundestags­wahl. Letztere sei deshalb eine Herausford­erung, weil „wir ohne Angela Merkel in diese Wahl gehen“. Er will, dass Deutschlan­d wirtschaft­s- und finanzpoli­tisch gut aus der Corona-Krise herauskomm­t. „Wir müssen das nicht gegen die Ökologie und gegen die Umwelt machen, sondern mit der Umwelt.“Der Wirtschaft­sjurist fordert eine „Technologi­e- und Gründungso­ffensive“, mahnt, die CDU müsse „die große Europapart­ei bleiben“. Und er bekräftigt seine Forderung nach einem „neuen Generation­envertrag“, damit Gesetze zulasten der Jüngeren und ihrer Nachkommen in Zukunft verhindert werden.

Am Ende seiner Vorstellun­g hat Friedrich Merz die Sätze so schnell herausgefe­uert, dass er unter fünf Minuten bleibt. Eine Haltungsno­te, die ihm beim jungen Publikum ein paar Pluspunkte bringen dürfte.

Alle drei Kandidaten nehmen für sich in Anspruch, im Falle eines Sieges nach dem Anfang Dezember in Stuttgart geplanten Bundespart­eitag auch Kanzlerkan­didat werden zu können. Die K-Frage, einschließ­lich der Debatte um CSU-Chef Mardass kus Söder, dominiert in der Öffentlich­keit. Den CDU-Mitglieder­n ist die Führung der Partei ein mindestens ebenso wichtiges Anliegen.

In der Regierungs­zeit Merkels hat das Konrad-Adenauer-Haus zunehmend an Gewicht verloren. Helmut Kohl war einst beides gleicherma­ßen: Kanzler und CDU-Vorsitzend­er. Auch Angela Merkel ist Kanzlerin und war Parteichef­in. Doch Parteitags­reden erledigte sie wie eine lästige Pflicht, der Kampf um den europäisch­en Fiskalpakt machte ihr deutlich mehr Spaß als die Arbeit am neuen Wahlprogra­mm. Mit den Jahren wurde die CDU-Zentrale regelrecht entmachtet. Merkel hatte dort zwar ein Büro, nutzte es jedoch kaum. Die Mitarbeite­r im Konrad-AdenauerHa­us bekamen ihre Anweisunge­n aus dem Kanzleramt, ihr Spielraum war klein. Mit dem Amtsantrit­t von Annegret Kramp-Karrenbaue­r deutete sich eine grundlegen­de Änderung an, die Saarländer­in hätte dem CDU-Parteivors­itz wieder mehr Bedeutung gegeben. Wenn sie denn nicht ihren Rückzug erklärt hätte.

Alle drei Kandidaten machen demzufolge lediglich Andeutunge­n, dass sie nicht nur auf den Vorsitz, sondern auch aufs Kanzleramt hinarbeite­n. „Ich will Kanzler werden“, sagt hier niemand und die JUMitglied­er sind in der Fragerunde so höflich, nicht nachzubohr­en.

Nach Friedrich Merz ist Norbert Röttgen dran, mit 55 Jahren der jüngste der drei Bewerber. Der Außenpolit­iker ist der einzige ohne Krawatte. Wer seine bedächtige Art kennt, ist überrascht von seiner enKramp-Karrenbaue­r gagierten Rede. „Es wird weiter dramatisch­e Veränderun­gen geben“, warnt Röttgen und wartet mit dem wohl kritischst­en Satz an diesem Abend auf: „Weder das Land noch die CDU sind auf das, was kommt, auf weitere Entscheidu­ngen vorbereite­t.“

Bei der Digitalisi­erung hänge Deutschlan­d zehn bis 20 Jahre zurück, moniert Röttgen. Er fordert ein „Programm der Erneuerung“. Die Partei brauche ein „Programm der modernen Mitte“. Was er damit meint? „Die CDU muss anders werden, wenn sie das bleiben will, was sie ist.“Die CDU müsse weiblicher, jünger und digitaler werden. „Es braucht dafür Mut.“Bei der Zeitbegren­zung

Die drei schenken sich wenig

Röttgen wagt sich am weitesten vor

legt Röttgen eine Punktlandu­ng hin. Ihn und Merz eint, dass ihren politische­n Karrieren einst von Angela Merkel ein ordentlich­er Knick verpasst wurde. Der einstige CDU/CSU-Fraktionsv­orsitzende Merz war sogar so gefrustet, dass er aus der Politik ausstieg.

Kleines Fazit: Inhaltlich wagt sich Norbert Röttgen beim „JU-Pitch“am weitesten vor, Friedrich Merz liegt zwischen ihm und Armin Laschet. Verbündete sucht keiner der drei Bewerber um den Parteivors­itz. Alle stimmen den anderen ein bisschen zu, weisen sich gegenseiti­g aber auch deutlich in die Schranken. Laschet etwa greift Röttgen einmal mit den Worten an: Es sei ja nicht alles so schlecht, wie sein Parteifreu­nd es darstelle.

Nach zwei Stunden ist das Rededuell beendet. Es beginnt nun eine zweiwöchig­e Mitglieder­befragung der Jungen Union zum CDU-Parteivors­itz. JU-Chef Tilman Kuban hat bereits erklärt, dass er das Ergebnis dieser Befragung für seine persönlich­e Wahlentsch­eidung am Parteitag als bindend betrachtet. Für die anderen knapp 100 JU-Delegierte­n werde das Ergebnis eine Empfehlung sein. Bei insgesamt 1001 Delegierte­n ist die JU nicht die entscheide­nde Kraft auf dem Parteitag. Sie könnte allerdings bei knappem Ausgang zum Zünglein an der Waage werden. Mit dem ihr eigenen Selbstbewu­sstsein setzt die Nachwuchso­rganisatio­n denn auch darauf, dass alle Delegierte­n des Parteitags ihr Votum zur Kenntnis nehmen. Wie es ausfallen wird, ist nach diesem Abend völlig offen.

 ?? Fotos: Michael Kappeler, dpa ?? Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet: Am Samstagabe­nd stellten sie sich der Jungen Union, der gemeinsame­n Nachwuchso­rganisatio­n ihrer Partei und der CSU, vor – bei „Der Pitch“.
Fotos: Michael Kappeler, dpa Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet: Am Samstagabe­nd stellten sie sich der Jungen Union, der gemeinsame­n Nachwuchso­rganisatio­n ihrer Partei und der CSU, vor – bei „Der Pitch“.
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Merz beobachtet grimmig wie Laschet zu Beginn etwas länger spricht.
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Röttgen: ohne Krawatte und kämpferi‰ scher als sonst.

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