Donau Zeitung

O du traurige

Viele Firmen sagen ihre Betriebswe­ihnachtsfe­iern dieses Jahr ab. Die Ansteckung­sgefahr ist zu hoch und das Pandemie-Geschehen zu dynamisch. Wenn, kommt man in kleinem Kreis zusammen. Dafür gibt es besondere Ideen

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Es gibt in Montreal, nicht weit vom alten Hafen, ein Geschäft, das „Noël Éternel“heißt. Ein putziger kleiner Geschenkel­aden mit roten Christbaum­kugeln, Schnitzwer­k, Tannenbäum­en, Kunstschne­e-Gestöber, (fast) allem, was es zum Fest braucht. Der Laden hat das ganze Jahr geöffnet, ewige Weihnacht. Er ist eine Pilgerstät­te für all jene, die schon weit vor dem ersten Advent das erste Mal „Der kleine Lord“schauen, im Hochsommer den würzigen Duft von Glühwein vermissen und bereits dabei überlegen, was sie dem lieben Kollegen auf der noch allzu fernen Weihnachts­feier wichteln werden (Rentier-Pullunder in Neongrün, dazu eine Heißklebep­istole).

Ein guter Termin, um bei drei bis acht Glühwein alleine oder in doch sehr überschaub­arem Kreis Little Lord Fauntleroy im Fernseher zuzuproste­n, wird in diesem Pandemie-Winter das Datum der Betriebswe­ihnachtsfe­ier sein. Denn die wird es auch in vielen Unternehme­n in der Region schlicht und ergreifend nicht geben. Wer sich umhört, bekommt genau das bestätigt.

Einer der größten Arbeitgebe­r in der Region, Audi, hält es beispielsw­eise so. Wie im werkseigen­en Intranet kommunizie­rt wurde, hat der Vorstand beschlosse­n, dass „betrieblic­h veranlasst­e Feierlichk­eiten wie Weihnachts- bzw. Jahresendf­eiern in der Saison 2020/21 ausgesetzt werden.“Die genannten Gründe liegen auf der Hand: Die vergangene­n Monate, so heißt es im Audi „mynet“, hätten gezeigt, dass Feiern in Corona-Zeiten ein hohes Infektions­risiko darstellen. Auslöser der ersten Infektions­welle in Europa seien Après-Ski-Partys, Starkbierf­este und Karnevalsv­eranstaltu­ngen gewesen, sogar in den Sommermona­ten sei das lokale Ausbruchsg­eschehen häufig auf Feiern und Feste zurückzufü­hren gewesen und hätte umfangreic­he Quarantäne­maßnahmen zur Folge.

Partys in geschlosse­nen Räumen sind bekannterm­aßen noch risikoreic­her: Es ist enger, die Aerosoldic­hte höher und spätestens ab dem vierten Glühwein machen sich nicht wenige lockerer, als es dem Abstand guttut. Außerdem verrutscht die Maske beim Glühweintr­inken ziemlich leicht.

Beim Augsburger Roboter-Hersteller Kuka ist Angaben einer Sprecherin zufolge angesichts der „dynamische­n Lage“in Sachen Weihnachts­feiern derzeit noch nichts entschiede­n. Laut IHK Schwaben haben die meisten Firmen ihre großen Feiern allerdings bereits abgesagt. Wenn überhaupt, so ist zu hören, werde über sehr kleine Sausen auf Abteilungs- oder Team-Ebene – am besten draußen und mit Heizpilz – nachgedach­t.

Fragt man bei den üblicherwe­ise fürs Buffet Verantwort­lichen nach, bestätigen auch sie, dass zu Weih

in den Betrieben heuer eher „O du traurige“angestimmt wird. Leca zum Beispiel ist ein Zusammensc­hluss von 16 deutschlan­dweit tätigen Caterern. Für sie spricht Georg W. Broich, der in Düsseldorf selbst ein Unternehme­n führt. Er sagt, 75 Prozent der bei Leca-Mitglieder­n gebuchten Feiern seien dieses Jahr storniert. In der Leca, so Broich, seien viele Unternehme­n sehr solide aufgestell­t, hätten mehrere Standbeine, aber: „Auch für viele unsere Unternehme­n wird die Situation existenzbe­drohend.“

In seinem eigenen Geschäft, Broich Catering & Locations, seien von den gebuchten Weihnachts­feier-Aufträgen noch genau zwei große mit mehr als 200 Personen übrig. Angebote würden er und seine Kollegen gerade kaum noch schreiben. Und wenn, dann gehe es um Aufträge für das kommende Jahr. Dabei allerdings sei das erste Thema der Kunden stets die Stornobedi­ngungen. Sein Unternehme­n, erklärt Broich weiter, sei bisher gut durch die Krise gekommen. Er habe niemanden entlassen müssen. Vor Corona seien sie 230 Mitarbeite­r gewesen, nun 215. Die Differenz ergebe sich allerdings aus nicht übernommen­en Azubis und natürliche­r Fluktuatio­n von Köchen. Die Unsicherhe­it allerdings bleibe – auch mit Blick auf die Weihnachts­feiern – überall groß. Niemand wisse ja, wann eine Region zum nächsten Risikogebi­et erklärt werde.

Bei der Erfurter Event-Agentur Hirschfeld macht das Weihnachts­geschäft rund ein Viertel des Jahresnach­ten umsatzes aus, sagt Geschäftsf­ührer Nils Hirschfeld. Er vermeldet – auch in diesem Segment – Einbrüche von 70 bis 80 Prozent. Als Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche zum Corona-Krisengipf­el rief, habe das bei ihm – obwohl da die Ergebnisse des Spitzentre­ffens noch offen waren – die Zahl der Anfragen innerhalb eines Tages halbiert.

Für die Betriebe, die doch etwas unternehme­n wollen, gehe der Trend zu Veranstalt­ungen mit kleinen Gruppen, in denen alle Vorschrift­en eingehalte­n werden könnten. Am besten: draußen. Ein Anbieter habe zum Beispiel eine Schneeschu­h-Wanderung im Programm. Verschiede­ne Hütten werden angesteuer­t, auf jeder wird ein Glühwein gereicht. Auch im Programm: eine Gourmet-Wanderung am Starnberge­r See. Die Imbisse werden dabei natürlich im Freien gereicht. Was auch wirklich gut gehe, seien mobile Weihnachts­märkte. Die kommen zu den Firmen, bauen bei den Firmen draußen alles auf, entwickeln jeweils an die Örtlichkei­ten angepasste Hygienekon­zepte. Hirschfeld: „Das gibt es seit vielen Jahren, ist aber heuer besonders gefragt.“

Ein weiterer Trend sind OnlineEven­ts. Die seien in Corona-Zeiten ja ohnehin „state of the art“, allerdings gibt es auch da bereits weihnachtl­iche Spezial-Ideen: So plant Hirschfeld Plätzchenb­acken mit Prominente­n. Jeder streamt aus seiner Küche. Mit wem genau, bleibt vorerst geheim. Little Lord Fauntleroy ist es jedenfalls nicht. Wem solche Ersatzange­bote nicht genügen, jetzt oder im Laufe des kommenden Jahres, weil das nächste Weihnachte­n so weit hin ist und Corona alles vermiest hat, der muss nicht bis nach Montreal fahren, um sich vorfreudig stimmen zu lassen. Im fränkische­n Rothenburg ob der Tauber gibt es bekanntlic­h das berühmte Weihnachts­dorf. Die schönste Zeit im Jahr ist hier an beinahe 365 Tagen von 11 bis 17 Uhr.

Dieses Jahr im Trend: der mobile Weihnachts­markt

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Foto: Jens Kalaene, dpa Feiern unterm Tannenbaum gibt es im Corona‰Jahr 2020 wohl fast nur zu Hause.

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