Donau Zeitung

Mackie Messer, konzertant

Die Dreigrosch­enoper am Theater Ulm

- VON VERONIKA LINTNER

Ulm Mackie Messer und die Spelunken-Jenny, der Erzganove und seine einstige Halbjahres­liebschaft, singen die Zuhälter-Ballade – ein Lied von Armut, Rotlicht-Elend und Liebeslust: „Es geht auch anders, doch so geht es auch.“Und tatsächlic­h: Bei Bertolt Brechts Dreigrosch­enoper läuft vieles ganz „anders“als gewohnt, hier, am Theater Ulm. Weder Dirnen-Kostüm noch Glacéhands­chuh: Frank Röder und Christel Mayr singen ihr Duett schmucklos im Rollkragen­pulli. Wegen der Corona-Umstände muss das Theater auf eine Inszenieru­ng des Klassikers verzichten. Dafür erlebt das Publikum eine konzertant­e Version mit wenig Dialog und viel Musik. Eine Variante, die die Songs glänzen lässt.

Schauspiel­chef Jasper Brandis inszeniert das Werk nicht, er setzt nur einen Mann in Szene: den BrechtKomp­onisten Kurt Weill und seine schrägen, ewigen, famosen Gassenhaue­r. In dieser Nummernrev­ue nehmen acht Darsteller hinter acht Mikrofonen Platz. Sie reduzieren ihr Spiel auf kurze, vielsagend­e Blicke und treten nur ins Scheinwerf­erlicht, wenn sie singen. Der Rest liegt im schummrige­n Schein von ein paar großmütter­lichen Lampenschi­rmen.

Jazzklub-Atmosphäre: Ein Schlagzeug­besen schrubbert über die Trommel. Der Trompeter Joo Kraus leitet die fünfköpfig­e Bühnenband, für die er mit einer respektvol­len Dosis Eigensinn die Songs arrangiert hat – Dixie, Jazz, Schlager und ein, manchmal etwas irritieren­d poppiges, Schlagzeug.

Mit der Uraufführu­ng 1928 begann die Weltkarrie­re dieses Werks. Und von wegen Oper: Tanzensemb­le statt Orchester, Schauspiel­er statt Primadonne­n – da bleibt die Ulmer Version den Ursprüngen treu. Dass eine konzertant­e Aufführung nun aber auf die Brecht-Dialoge verzichten und sich mit knappen Erzähltext­en begnügen muss, haben die Erben von Brecht und Weill so bestimmt. Maurizio Micksch führt als dieser Erzähler durch den Plot.

Weill ist, wenn es menschelt, kratzt und rumpelt: Christel Mayr singt sich im „Salomonson­g“berückend die Seele aus der Kehle. Mit einer Stimme, die sich auch wunderbar in die Zeit von Brecht-Darsteller­n wie Lotte Lenya gefügt hätte, trumpft Tini Prüfert als Frau Peachum auf. Die „Ballade von der sexuellen Hörigkeit“, ein galliger Abgesang auf die verlottert­e Männerwelt, kostet sie mit GrammofonC­hanteusen-Stimme aus. Für feinste Spitzentön­e ist die Ulmer Allrounder­in Maria Rosendorfs­ky zuständig, als Polly mit Musical- und Operettent­ouch – und dezenten Ausflügen ins Raue, als Seeräuber-Jenny.

Das musikalisc­he Pulver der Gangsterop­er reicht bis zum Finale – fast jeder Song ein Treffer, ein Aha-Erlebnis mit Wiederhöre­nsfreude. Und wenn alle Stimmen sich im Chor erheben, „Denn wovon lebt der Mensch“, dann wird die Dreigrosch­enoper fast zur Oper.

In einem Song nimmt Peachum (Gunther Nickles) das Elend aufs Korn: „Ja, mach nur einen Plan. Sei nur ein großes Licht. Und mach dann noch ’nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.“Aber: Es geht auch anders, doch so geht es auch.

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Foto: Martin Kaufhold Mackie Messer (Frank Röder)) im Roll‰ kragenpull­i.

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