„Bitte holen Sie Ihren Sohn sofort ab“
Covid19 Präsenzunterricht ist wieder möglich – unter strengen Auflagen. Dennoch findet Corona den Weg in Bildungseinrichtungen. Die Folge: plötzlich Quarantäne für Schüler und Lehrer. Wie sie und Eltern damit umgehen
Augsburg/Krumbach Laurent Kieffer erinnert sich genau: „Ich weiß noch, gegen 10.30 Uhr hat sich meine Frau bei mir gemeldet. Die Schule hat sie angerufen, dass wir sofort unseren Sohn holen müssen.“Der Grund: ein bei einer Lehrkraft aufgetretener Corona-Verdachtsfall, der sich ein paar Tage später als positiv herausstellte. Deshalb mussten gleich in der zweiten Schulwoche zwei Klassen der Grundschule vor dem Roten Tor in Augsburg in Quarantäne. Ein betroffener Schüler war das mittlere Kind der Kieffers.
Seit Schuljahresbeginn, seit Präsenzunterricht an Schulen in Deutschland wieder möglich ist, kommt es immer wieder zu Quarantäne-Fällen von Lehrern und Schülern – auch in der Region (wir berichteten). Denn trotz strikter Hyieneauflagen macht das Coronavirus vor Schultüren nicht Halt. Doch wie gehen Schüler, Lehrer und auch Eltern damit um, wenn es plötzlich heißt: Corona-Quarantäne?
In einer Rundmail informierte die Rektorin der Rote-Tor-Grundschule Daniela Flaschke die Eltern am selben Tag über das weitere Vorgehen: „Das Gesundheitsamt kontaktiert die betroffenen Familien, ordnet die Corona-Tests an und entscheidet, ob weitere Familienmitglieder ... von der QuarantäneMaßnahme betroffen sind.“Bei den Kieffers rief das Gesundheitsamt am nächsten Tag an, um für den Sohn einen Corona-Testtermin zu vereinbaren. Trotz der schnellen Informationsweitergabe hätten viele Eltern mit Fragen in der Schule angerufen, die Flaschke im ständigen Austausch mit dem Gesundheitsamt zu klären versuchte. „Wir haben an allen Fronten gekämpft und unser Möglichstes getan“, sagt sie.
Gleich am ersten Abend meldete sich auch die Klassenleitung per Mail bei den Eltern, wie der Distanzunterricht laufen wird, wie Vater Laurent Kieffer erzählt. Ab dem nächsten Tag lud die Lehrkraft über eine Cloudplattform jeden Tag einen Plan mit Hausaufaufgaben, Übungsblättern und Buchseiten zum Ausdrucken und Erklärvideos hoch. „Das hat super geklappt. Die Lehrkraft hat sich wirklich ins Zeug gelegt. Nach dem Wochenende organisierte sie täglich auch eine einstündige Videokonferenz für die Klasse“, lobt der 36-Jährige. Zum Teil hätten sich die Kinder dann nachmittags noch zu Videokonferenzen verabredet. Denn raus und Freunde treffen durften sie nicht.
Dennoch war nicht alles rosig während der zweiwöchigen Quaran„Wir hatten Glück. Ich konnte zu Hause arbeiten. Und im Lockdown haben wir digital aufgerüstet, sodass meinem Sohn ein Tablet zur Verfügung stand“, sagt Kieffer. Andere Eltern jedoch hätten diesen Luxus nicht gehabt und zum Teil nicht mal einen Drucker. „Diesen Eltern haben wir das Unterrichtsmaterial in der Schule ausgedruckt und sie konnten es abholen“, erklärt Rektorin Flaschke. Und damit kein Kind zurückbleibe, würden alle, die in Quarantäne waren, nun im Unterricht stärker gefördert.
Zu Beginn seien die Aufgaben für die Kinder zu viel und zu schwer gewesen, sodass sein Sohn alle zehn Minuten Hilfe gebraucht habe, sagt Kieffer. „Ich habe viele VideoWorkshops, da ist das schwierig. Nachmittags war zum Glück immer meine Frau da.“Auf Bitten der Eltern wurde das Pensum reduziert und kein neuer Stoff mehr gemacht. Dennoch habe sein Sohn oft ohne Anleitung nicht arbeiten können. „Die Lehrkraft, die schnell etwas erklären kann, fehlt einfach.“Ein generelles Problem sei auch die Motivation gewesen. Denn den Gruppeneffekt aus der Schule gebe es zu Hause nicht, sosehr sich die Eltern auch bemühten. „Die Pflichtaufgaben hat unser Sohn gemacht, die freiwilligen nicht“, sagt Kieffer. Auch die Isolation des Kindes sei schwierig. „Wir haben in unserer Wohnung keinen Platz, ein Kind zu separieren,“erklärt der 36-Jährige.
Der Corona-Test seines Sohnes war negativ und nach zwei Wochen durfte er wieder in die Schule. Und falls es noch mal eine Quarantäne gibt? „Dann ist das so. Jetzt wissen wir, wie es abläuft. Aber ein Spaß wird es nicht.“
Auch am Simpert-KraemerGymnasium (SKG) in Krumbach mussten Ende September 154 Schüler und vier Lehrer in Quarantäne. Grund dafür war ein positiver Corona-Test bei einer Lehrkraft, wie Schulleiter Norbert Rehfuß berichtet. Auch Nicole P., Lehrerin für Sport und Deutsch am Gymnasium, die nicht mit vollem Namen genannt werden will, und ihre beiden Töchter Leni, 15, und Emilia, 14, waren betroffen. Nicht einmal 24 Stunden mussten sie auf einen Corona-Test warten. Das Ergebnis – alle drei negativ – kam einige Tage später. Bis dahin konnte sich die Familie dank des großen Hauses relativ gut voneinander separieren, wie Nicole P. erzählt. Aber: „Gerade für meinen Mann waren die zehn Tage Quarantäne eine stressige Zeit. Er war der Einzige, der nicht betroffen war und neben seiner Arbeit alle Einkäufe und Besorgungen erledigte.“
Für Nicole P. und ihre Töchter griff nun der Plan, der am Schuljahresanfang von der Schule für den Fall eines erneuten Lockdowns erarbeitet worden war. Nicole P. hatte eineinhalb Tage Zeit, Unterricht und Material für ihre Klassen in der Schule, die zum Teil vertreten wurtäne. den, und zu Hause vorzubereiten. Das Material lud sie im Infoportal auf der Homepage der Schule hoch oder mailte es dem jeweiligen Klassenleiter, der das machte. „Zwar war ich das durch den Lockdown gewohnt, aber damals hatten wir ein anderes System. Und obwohl ich mich mit dem Computer gut auskenne und eine Anleitung hatte, war das sehr stressig“, sagt Nicole P. Generell war die Unterrichtsvorbereitung von zu Hause aus wesentlich anstrengender: „Man bearbeitet das Material für die Schüler anders. Ich erkläre mehr, damit die Schüler alles auf Anhieb verstehen.“Schulaufgaben habe sie zum Glück keine gehabt, eine angesagte Ex wird wohl mit anderem Inhalt nachgeholt.
Leni und Emilia kannten den UnImmerhin: terricht von daheim aus schon aus dem Lockdown: Arbeitsblätter ausfüllen, Aufgaben aus dem Buch lösen und an den Lehrer mailen, Vokabeln lernen, Video-Konferenzen. „Aber das ist kein Vergleich zum richtigen Unterricht. Wenn man ein Thema nicht richtig checkt, kann man nicht gleich nachfragen“, sagt die 14-jährige Emilia. Mit den Freunden sind sie und ihre Schwester über die sozialen Medien in Kontakt geblieben. Vormittags und nachmittags haben sie etwas für die Schule gemacht. „Manchmal war es aber schon ein bisschen langweilig daheim“, sagt die 15-jährige Leni.
Obwohl die Quarantäne alles in allem gut geklappt habe, freuten sich alle drei wieder auf die Schule und einen geregelten Alltag.
Eine CoronaQuarantäne des Kindes ist kein Spaß