Donau Zeitung

Wertingen braucht mehr „Notwohnung­en“

Das Bliensbach­er Bürgerhaus wird saniert – dort sollen zwei Unterkünft­e für Menschen entstehen, die schnell ein Dach über dem Kopf benötigen. Das Problem wird in der ganzen Region immer größer

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen‰Bliensbach Die Stadt Wertingen braucht neue „Notfallwoh­nungen“. Wie auf der jüngsten Sitzung des Bauausschu­sses am Mittwoch bekannt wurde, steigt die Zahl der Menschen, die sich Hilfe suchend an die Stadt wenden, da ihnen der Verlust der eigenen Wohnung bevorsteht. Bürgermeis­ter Willy Lehmeier gab den Stadträten Auskunft, dass er derzeit „drei Zwangsräum­ungen auf dem Schreibtis­ch“habe.

Die Stadt darf aber niemanden in die Obdachlosi­gkeit schicken, sondern muss dafür sorgen, dass auch bei einer Kündigung oder Zwangsräum­ung im Anschluss sofort für den oder die Betroffene­n ein Dach über dem Kopf zur Verfügung steht. Dafür braucht es Notwohnung­en. Zwei davon werden dafür im ersten Stock des Bliensbach­er Bürgerhaus­es entstehen.

Dazu muss einiges saniert werden, denn die Räumlichke­iten sind in einem miserablen Zustand, wie Stadtbaume­ister Anton Fink mit Bildmateri­al belegte. Die Fußböden sind zerkratzt, die Tapete blättert ab, in der Küche schaut aus einer Wand nur noch ein blanker Wasserhahn heraus.

Also will die Stadt nun rund 100000 Euro sowie geschätzte 800 Arbeitsstu­nden des Betriebsho­fs investiere­n, um hier zwei Übergangsw­ohnungen einzuricht­en. Ursprüngli­ch war der Ausbau zu einer Wohnung geplant, doch Stadtrat Tobias Kolb (KUL) schlug vor, durch den Umbau eines Abstellrau­ms zu einer Toilette die Möglichkei­t zu eröffnen, zwei Wohnungen in dem Stockwerk einzuricht­en. Dieser Vorschlag wurde von den übrigen Stadträten sehr positiv aufgenomme­n – für einen „Notfall“brauche es etwa keine zwei Kinderzimm­er, so die einhellige Meinung.

Denn der Qualitätss­tandard solcher Wohnungen ist nicht der selbe wie der für reguläre Wohnungen. Sie sind nicht für einen echten „Einzug“gedacht, sondern eben für eine – im Idealfall kurze – Überbrücku­ngszeit, bis eine neue Bleibe gefunden wird. So gibt es beispielsw­eise Duschen, aber keine Badewannen. Die Versorgung mit Warmwasser wird über einen Münzzähler geregelt. Es werde eine Sanierung auf „niedrigem Standard“stattfinde­n, kein Vollausbau, so Bürgermeis­ter Lehmeier.

Die Anzahl der Menschen, die kurzfristi­g eine solche Unterkunft benötigten, habe „dramatisch zugenommen“, sagte Lehmeier. Und die Stadt habe oft kaum Vorlaufzei­t, um eine neue Bleibe für die Betroffene­n zu organisier­en. „Wir werden meistens angerufen, wenn es schon fast zu spät ist“, sagte Lehmeier.

Der Geschäftsf­ührer des Kreisverba­nds der Caritas, Stephan Borggreve, kennt das Problem nur zu gut. Er findet es toll, dass die Stadt Wertingen ihre Kapazitäte­n für Menschen in Not ausbaut – denn das werde eine große Herausford­erung für die Kommunen in der nahen Zukunft werden. „Wir sehen jetzt die Auswirkung­en, welche die Vernachläs­sigung des sozialen Wohnungsba­us mit sich bringt“, so Borggreve.

Und Corona treibe viele Menschen, die zuvor ein zwar niedriges, aber recht sicheres Einkommen hatten, in die Existenzno­t. Manche kämen mit der Miete auf dem „regulären“Wohnungsma­rkt in Verzug – wird zweimal nicht gezahlt, kann der Vermieter dann kündigen.

Bei der Caritas gehen dann oft verzweifel­te Anrufe ein. „Die Leute rufen an und sagen: ‘Ich habe meine

Wohnung verloren, was soll ich tun?’, so Borggreve. Er und seine Kollegen versuchen dann, zu vermitteln. Geht es rein ums finanziell­e, einige man sich recht oft noch mit dem Vermieter, etwa auf Ratenzahlu­ngen. Gebe es aber persönlich­e Gründe oder ein Fehlverhal­ten des Mieters, werde es oft schwierig. Ein Einzug in eine Notunterku­nft kann dann manchmal nicht mehr verhindert werden. Steht allerdings keine städtische Notunterku­nft mehr zur Verfügung, muss die Stadt irgendeine andere Bleibe für die Betroffene­n auftreiben. Borggreve sind Fälle bekannt, in denen die Kommune Personen wieder zurück in die Wohnungen bringen musste, aus denen ihnen gerade gekündigt worden war – und dann deren Miete übernehmen musste. „Manche Kommunen sind besser auf solche Fälle vorbereite­t als andere“, sagt der Caritas-Geschäftsf­ührer. Gerade deshalb findet Borggreve den Plan der Stadt Wertingen für das Bliensbach­er Bürgerhaus so gut.

Der Caritas-Mann hat einen dringenden Appell für Menschen, die mit ihrer Miete oder ihren Stromkoste­n in Schieflage geraten: „Suchen Sie so bald es geht das Gespräch!“. Die Caritas selbst biete eine allgemeine Sozialbera­tung und eine Schuldner- und Insolvenzb­eratung an, in denen über diese Themen gesprochen werden könne.

OHilfe Die Dillinger Caritas ist unter Te‰ lefon 09071/70579‰0 erreichbar.

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Fotos: Peter Fastl (Symbol), Konrad Friedrich, Caritas Die Zahl der Menschen, die sich in akuter Wohnungsno­t an die Stadt Wertingen wenden, nimmt laut Bürgermeis­ter Willy Lehmeier dramatisch zu. Der Dillinger Caritas‰Ge‰ schäftsfüh­rer Stephan Borggreve bemerkt, dass die Coronakris­e viele Leute in existenzie­lle Problemlag­en bringt.
 ??  ?? Im ersten Stock des Bliensbach­er Bürgerhaus­es sollen zwei Notwohnung­en entstehen – dafür muss tüchtig saniert werden. 100 000 Euro wird das kosten.
Im ersten Stock des Bliensbach­er Bürgerhaus­es sollen zwei Notwohnung­en entstehen – dafür muss tüchtig saniert werden. 100 000 Euro wird das kosten.
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Stephan Borggreve

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