Donau Zeitung

Eine weitere Lösung für den unerfüllte­n Kinderwuns­ch?

Die Arbeit des Höchstädte­r Netzwerks Embryonens­pende wird vor dem Obersten Landesgeri­cht München verhandelt. Das Urteil dürfte bundesweit Aufsehen erregen

- VON JONATHAN MAYER

Landkreis/München Das Thema hat Wellen bis weit über die Grenzen unserer Region geschlagen: Vor dem Bayerische­n Obersten Landesgeri­cht in München hat am Mittwoch der Berufungsp­rozess gegen den Höchstädte­r Verein Netzwerk Embryonens­pende begonnen. Angeklagt sind der Vorsitzend­e des Vereins, HansPeter Eiden, sowie zwei Mediziner. Es geht um Verstöße gegen das Embryonens­chutzgeset­z. Die Frage, die das Gericht beantworte­n muss, ist die folgende: Wann beginnt ein Leben?

Der Fall, über den wir bereits mehrfach berichtete­n, begann 2018. Damals wurde vor dem Amtsgerich­t Dillingen über die Praxis des Netzwerks Embryonens­pende verhandelt. Es ging um die Frage, ob Eizellen, die anderen Frauen im Rahmen von Kinderwuns­chbehandlu­ngen entnommen wurden, weitergege­ben werden dürfen. Denn der Höchstädte­r Verein hat – eigenen Angaben zufolge ohne Gewinnabsi­cht – Eizellen, die bereits mit Spermien zusammenge­bracht und dann eingefrore­n worden waren, bevor es zur Verschmelz­ung kam, an Paare mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch vermittelt.

Dieses Vorgehen fällt in eine Gesetzeslü­cke. Denn das deutsche Embryonens­chutzgeset­z verbietet die Weitergabe unbefrucht­eter Eizellen. Ebenso darf eine Eizelle nicht mit dem Ziel befruchtet werden, sie einer anderen Frau einzupflan­zen als der, von der die Zelle stammt. Der Verein sieht beide Straftatbe­stände als nicht gegeben an. Denn: Nach der sogenannte­n Imprägnier­ung der Eizelle folge unwiderruf­lich die Befruchtun­g. Entspreche­nd gebe der Verein keine unbefrucht­eten Eizellen weiter. Auch der zweite Straftatbe­stand greift nach Ansicht des Vereins nicht. Denn die weitergege­benen Eizellen sollten ursprüngli­ch der Frau eingesetzt werden, von der sie stammten.

Den Fall hat inzwischen die Generalsta­atsanwalts­chaft München übernommen. Sie geht davon aus, dass imprägnier­te Zellen noch nicht befruchtet sind und die Befruchtun­g erst stattfinde­t, wenn die wieder aufgetaute Zelle einer anderen Frau eingesetzt wurde. Zudem sieht die Anklage den Vorwurf bestätigt, dass eine Befruchtun­g einer Eizelle mit dem Ziel stattfinde­t, sie einer anderen Frau einzupflan­zen. Eine Niederlage in dieser Sache, sagt HansPeter Eiden gegenüber unserer Redaktion, käme einem „staatliche­n Vernichtun­gsgebot für Embryonen“gleich. „Das würde für die betroffene­n Paare, Spender wie Empfänger, enorm viel bedeuten.“Ihm selbst droht eine Geldstrafe.

Vor rund zweieinhal­b Jahren wurde der Verein vom Amtsgerich­t Dillingen bereits freigespro­chen, weil er auf Nachfrage bei diversen Behörden zu dem Thema keine klaren Antworten erhalten hat. Die Praxis als solche hat das Gericht damals aber als unzulässig erklärt. In der Berufungsv­erhandlung neun Monate später vor dem Landgerich­t Augsburg erhielt der Verein schließlic­h Recht. Seine Arbeit und damit die Weitergabe imprägnier­ter Eizellen sei voll und ganz legitim, hieß es.

In der Verhandlun­g am Mittwoch vor dem Obersten Landesgeri­cht wurde das Urteil auf Rechtsfehl­er überprüft. Die Staatsanwa­ltschaft forderte, es aufzuheben und zurück an das Landgerich­t Augsburg zu geben. Die Angeklagte­n wiederum forderten die Verwerfung der Revision. Das Urteil soll nun am kommenden Mittwoch verkündet werden – und wird wohl große Bedeutung für Paare mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch haben. Laut eines Gerichtssp­rechers wird es das erste obergerich­tliche Urteil bundesweit sein.

Hans-Peter Eiden wartet bereits gespannt auf das Ergebnis. Er sei ganz guter Dinge, sagt er. „Doch wissen tu ich nichts.“Er betont, dass er seine Arbeit nicht für sich selbst mache. „An erster Stelle stehen die Spender, die es nicht übers Herz bringen, die Eizellen wegzuwerfe­n.“In ganz Deutschlan­d gebe es derzeit 200 000 eingefrore­ne Eizellen, die für die Weitergabe in Frage kämen.

Im Gespräch kündigt Eiden bereits an, dass er persönlich im Falle einer Niederlage vor dem Obersten Landesgeri­cht nicht noch einmal vor Gericht ziehen wolle. „Ich bin müde. Ich mache das schon seit zehn Jahren. Irgendwann muss ich auch mal aufhören.“Der Verein solle aber auch dann fortbesteh­en.

 ?? Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa ?? Ein Arzt befüllt einen Katheter mit einem kultiviert­em Embryo. In München ging es um die Frage, wann ein Leben beginnt.
Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa Ein Arzt befüllt einen Katheter mit einem kultiviert­em Embryo. In München ging es um die Frage, wann ein Leben beginnt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany