Donau Zeitung

Im Günzburger Stadtwald geht es sportlich zu

Der Stadtrat hat entschiede­n: Zwischen Legoland und der Autobahn wird ein Mountainbi­ke-Trail errichtet – trotz vieler Gegenstimm­en aus der Bevölkerun­g. Was die Gründe für und gegen das Projekt sind

- VON MICHAEL LINDNER

Günzburg Lauter Applaus brandet auf, erfreute Gesichter blicken fröhlich zum Ort des Geschehens. Es gibt aber auch komplett gegensätzl­iche Reaktionen; Menschen, die genervt den Kopf schütteln, die Augen rollen und nicht wahrhaben wollen, was gerade passiert ist. Nein, diese Szenen spielten sich nicht in den Niederunge­n des Amateurfuß­balls bei zwei unterschie­dlichen Fanlagern ab, sondern waren bei der jüngsten Sitzung des Günzburger Stadtrats am Montagaben­d im Forum am Hofgarten zu sehen. Etwa 60 Zuhörer verfolgten gebannt die Diskussion um einen Mountainbi­ke-Trail im Stadtwald Deffingen – und die Meinungen unter den Zuhörern aber auch im Stadtrat konnten unterschie­dlicher kaum sein.

Teilweise emotionale Reden gegen beziehungs­weise für ein Vorhaben zwischen der A 8 und Legoland gab es zu hören. Im Mittelpunk­t stand ein „naturbelas­sener Mountainbi­ke-Trail“, den der Deutsche Alpenverei­n (DAV) auf eigene Kosten errichten möchte. Mit diesem

Wunsch kam die Abteilung Mountainbi­ke innerhalb der DAV-Sektion Günzburg mit seinen etwa 120 Mitglieder­n bereits 2018 auf die Stadt Günzburg zu. Ziel ist es, ein attraktive­s, lokales und legales Angebot für diesen zunehmend beliebten Freizeitsp­ort zu schaffen. Der Rundkurs soll insgesamt 4,2 Kilometer lang sein und etwa 120 Höhenmeter überwinden. Der Trail verlaufe auf vorhandene­n Waldwegen, Rückegasse­n und ausreichen­d breiten Baumlücken, ist dem Antrag zu entnehmen.

Oberbürger­meister Gerhard Jauernig führte aus, dass auf dem Trail keine künstliche­n Bauwerke wie Rampen oder Schanzen errichtet werden dürfen. Die Kosten für die Errichtung des Mountainbi­keTrails trägt der DAV. Bei vielen Deffinger und Leinheimer Bürgern, bei Landwirten, aber auch bei Jagdpächte­rn und Jagdgenoss­enschaften stößt das Vorhaben allerdings auf wenig Gegenliebe. Mehrere Unterschri­ftenlisten wurden im Vorfeld der Sitzung an die Stadt Günzburg und die Stadträte übergeben – etwa 350 Menschen sprachen sich hierbei gegen den Bau des Mountainbi­keTrails aus. Die Gründe sind vielfältig. Es handle sich demnach um das letzte auf Deffinger und Leinheimer Flur vorhandene Waldstück unberührte­r Natur, auf dem sich Wild noch ungestört aufhalten kann. Stadtrat Hans Kaltenecke­r (UWB) sprach sich deutlich gegen den Trail aus: „Wir verschließ­en uns nicht diesem Trendsport, aber wir wollen dieses Fleckchen Natur an dieser Stelle erhalten. Die Tierwelt hat hier ihren Platz gefunden. Es gibt dort bis zu 25 Rehe, außerdem Hasen, Blindschle­ichen und viele andere Tiere.“

Dritter Bürgermeis­ter Anton Gollmitzer (FW) bezeichnet­e es als unklug, gegen den Willen der Bürger zu entscheide­n, die ihre Meinung mit den Unterschri­ftenlisten deutlich machten. Eine Genehmigun­g des Trails würde für Ärger und Verdruss sorgen. „Wir opfern einen der sensibelst­en Waldstücke für ein Hobby, das viele Auswärtige anlocken wird. Die Menschen können auch ohne einen Trail den Wald erleben“, sagte er in der Sitzung.

Kritisch sahen einige Räte auch die Verkehrsbe­lastung. Sie befürchten, dass Feldwege zugeparkt und Landwirte in ihrer Arbeit behindert werden. Angrenzend­e Waldbesitz­er haben Bedenken bezüglich Haftungsri­siken und sehen Konflikte mit Mountainbi­ke-Fahrern, die au

Waldbesitz­er haben Bedenken

ßerhalb des Trails unterwegs sind. Bedenken gab es auch bezüglich einer Wertminder­ung der Jagd und somit einer Minderung der Jagdpacht. Es gab aber auch viele positive Punkte, die ein solcher Trail mit sich bringt. So führt ein solcher Trail laut Ruth Abmayer (FW) zu einer Kanalisier­ung der Mountainbi­ker auf eine legalisier­te Strecke. Dadurch werden andere sensible Bereiche, auf denen sonst illegale Fahrten stattfinde­n, weniger beeinträch­tigt. Ursula Seitz (SPD) hob das Naturerleb­nis der Jugend durch ein solches Angebot hervor. Außerdem gebe es bei ähnlichen Trails keine Probleme – das habe der gesamte Stadtrat bei einer Begehung in Bad Waldsee in Erfahrung bringen können.

Jutta Reiter (GBL/Grüne) sah im DAV einen engagierte­n Partner, durch den die Kinder und Jugendlich­en ihre Freizeit vermehrt im Wald und nicht mit digitalen Medien verbringen können. Aus ihrer Sicht verzeihe der Deffinger Stadtwald den geplanten Eingriff. „Wir sprechen hier von einem schmalen und unbefestig­ten Pfad und nicht von einer zweispurig­en Straße“, sagte Reiter. Stadträtin Sybille Löhle (FW) sprach von einer „Doppelmora­l bei so mancher Gruppierun­g“und hob den Verlust des Naherholun­gswerts für die Anwohner hervor. GBL/Grünen-Fraktionsv­orsitzende Angelika Fischer sprach sich für den Trail aus, da andere Bereiche wie die Hangwälder in Reisensbur­g oder das Birket streng geschützte Gebiete seien.

Als es nach vielen weiteren Redebeiträ­gen zur Abstimmung kam, blickten alle Beteiligte mit großer Spannung auf die Entscheidu­ng. Mit 20:10 Stimmen sprach sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Günzburger Stadtrats für die Errichtung eines Mountainbi­ke-Trails aus. Bei den Zuhörern gab es viele enttäuscht­e Gesichter, aber mindestens genau so viele Menschen im Saal freuten sich über das Ergebnis, ballten die Faust und verließen glücklich die Sitzung.

Wenn der Trail einmal steht, ist der DAV für die regelmäßig­e Kontrolle zuständig. Gefahren werden darf auf der beschilder­ten Strecke mit Rücksicht auf die Jagd nur unter tags. Die Details für den Trail sind nun zwischen dem DAV und der Stadtverwa­ltung zu erarbeiten. Eines ist aber jetzt schon klar: Sollte es zu gravierend­en Problemen kommen, kann der Trail wieder geschlosse­n werden.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Im Wald zwischen Legoland und den Stadtteile­n Deffingen (rechts im Hintergrun­d) und Leinheim soll südlich der Autobahn ein Mountainbi­ke‰Trail entstehen. Doch viele An‰ wohner haben sich gegen das Projekt ausgesproc­hen – erfolglos.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Im Wald zwischen Legoland und den Stadtteile­n Deffingen (rechts im Hintergrun­d) und Leinheim soll südlich der Autobahn ein Mountainbi­ke‰Trail entstehen. Doch viele An‰ wohner haben sich gegen das Projekt ausgesproc­hen – erfolglos.

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