Donau Zeitung

Der Lockdown und die Folgen für den Landkreis

Gastronome­n, Kinobetrei­ber, Tätowierer oder Fitnesscoa­ches: Der Lockdown ab Montag trifft im Landkreis Dillingen viele Unternehme­r hart. Für was viele kein Verständni­s haben

- VON VANESSA POLEDNIA, ELLI HÖCHSTÄTTE­R, HORST VON WEITERSHAU­SEN UND SIMONE BRONNHUBER

Der Corona-Lockdown trifft viele Branchen sehr hart. Auch im Landkreis Dillingen. Wir haben Betroffene befragt.

Landkreis Kein Kino, geschlosse­ne Gaststätte­n und zugesperrt­e Fitnessstu­dios. Die neuen Corona-Regeln sorgen für einen tristen Herbst und sind für einige Unternehme­r existenzge­fährdend. Wie ist die Lage für die Betroffene­n im Landkreis Dillingen? Wir fragten in einigen Branchen nach:

● Kino Andreas Penthaler vom Filmcenter Dillingen ist enttäuscht. Der Familienbe­trieb habe sich so viel Mühe gegeben. Seit der Wiedereröf­fnung des Kinos am 2. Juli ging es langsam bergauf. Immer mehr Zuschauer kamen nach dem ersten Lockdown zu Vorführung­en. Doch seit Mittwoch ist die bange Vermutung der Branche Gewissheit: Kinos und Theater bleiben im November geschlosse­n. Seinen Humor hat Penthaler jedoch nicht verloren. „Man hat plötzlich einen Beruf, der verboten ist“, spielt der Kinobetrei­ber auf die Formulieru­ng der Regierungs­erklärung an. Er hält seine Wirkungsst­ätte für einen vergleichs­weise sicheren Ort in Zeiten der Pandemie. Der Hauptverba­nd Deutscher Filmtheate­r habe noch versucht zu vermitteln, dass das Kino keine große Infektions­gefahr darstelle. Nachweisli­ch habe sich in Deutschlan­d bisher niemand in einem Kino angesteckt – „wahrschein­lich wegen der guten Lüftung“, vermutet Penthaler. Doch die steigenden Coronazahl­en und die daraus resultiere­nde Verunsiche­rung der Besucher hätte man bereits in vergangene­n Wochen im Filmcenter Dillingen bemerkt. Immer weniger Besucher seien zu den Filmvorfüh­rungen gekommen.

● Gastronomi­e Josef Stark war schon im Vorfeld klar, dass weitere Beschränku­ngen kommen werden. Dennoch war es für den Inhaber und Chefkoch des Landgastho­fs Stark im Wertinger Ortsteil Gottmannsh­ofen „ein Schlag in die Magengrube“, als er von den neuen Corona-Regeln erfuhr. Stark, der auch Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes ist, weiß von einigen Kollegen, dass diese nun sofort reagieren und die Flucht nach vorne antreten. Das heißt, die Gastrobetr­iebe stellen auf Essen zum Mitnehmen um. Doch Stark weiß auch, dass eine schwierige Zeit bevorsteht. Immerhin hätte so mancher Kollege Geld in die Hand genommen und in Trennwände oder Luftreinig­ungsgeräte investiert. Josef Stark selbst wird ab nächstem Freitag Essen zum Mitnehmen anbieten – wie im Frühjahr. Stark hofft, dass die neuen Regeln tatsächlic­h nur für vier Wochen gelten.

● Tattoostud­ios Manuela Pahl nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt: „Ich könnte kotzen.“Die Medlingeri­n hat im Keller ihres Elternhaus­es seit fast zehn Jahren ein Tattoostud­io mit dem Namen „Ela sticht zu“. Sie ist ein „Ein-Frau-Betrieb“und kann die Schließung nicht nachvollzi­ehen. „Ich gönne es jedem Betrieb, der weiter arbeiten darf. Aber ich verstehe nicht, warum wir Tätowierer es nicht dürfen“, sagt sie. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie seien die Hygienesta­ndards in ihrer Branche extrem hoch gewesen und alle Maßnahmen und Vorschrift­en wurden in den vergangene­n Monaten strengsten­s umgesetzt, wie sie sagt. In ihrem konkreten Fall bedeutet das: Ela Pahl und der Kunde sind bei einem vereinbart­en Termin allein im Raum. „Mehr nicht. Es gibt keine Überschnei­dungen und alle Termine, auch zur Beratung, müssen vorher telefonisc­h vereinbart werden. Die Kunden haben dafür vollstes Verständni­s und es klappt auch gut“, sagt die Medlingeri­n. Deshalb treffe sie der Lockdown besonders hart. „Für mich ist es schlimm und sehr frustriere­nd. Ich habe ab Montag kein Einkommen mehr. Aber Versicheru­ngen, Miete und Zahlungen beim Finanzamt bleiben.“Ihr fehlen individuel­le Lösungen, wie sie sagt. „Wenn Tätowieren in Gesichtsnä­he untersagt ist, okay – aber am Bein? Alles wird in einen Topf geworfen.“Aber es gibt auch positive Momente für die Tätowierer­in. „Die Reaktionen der Kunden sind toll, sie stehen zu mir und wollen wieder kommen.“

● Hotels „Da fehlt mir jedes Verständni­s“, sagt Alexander Lodner, Chef des Genießerho­tels Lodner in Lauingen, deutlich. Und: „Gastronomi­ebetriebe sind laut RobertKoch-Institut keine Corona-Hotspots gewesen. Wir haben uns mit viel personelle­m und organisato­rischem Aufwand darum bemüht, die Hygiene- und Abstandsvo­rschriften einzuhalte­n.“Darüber hinaus sei von sehr vielen Betrieben auch noch in teure Be- und Entlüftung­sanlagen investiert worden. „Nachweisli­ch sind die Infektions­zahlen in vielen Fällen auf private Treffen und Veranstalt­ungen wie Großhochze­iten, Jubiläen sowie andere private Feierlichk­eiten zurückzufü­hren“, sagt Lodner. Darüber hinaus spreche doch die Hotelschli­eßung für Privatpers­onen Hohn.

● Kneipen Klaus Hanslbauer, Mitbetreib­er der Lauinger Kultkneipe Holzwurm, empfindet die Entscheidu­ng, die Gastronomi­ebetriebe und Kneippen vollkommen zu schließen, „mehr als unfair“. Alle Experten seien sich einig, dass bei Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvo­rschriften die Verbreitun­g des Virus in dieser Branche relativ gering sei. „Jetzt werden sich die Menschen wieder in ihr Privatlebe­n zurückzieh­en und dort vollkommen unkontroll­iert feiern, was erfahrungs­gemäß zu den größten Corona-Hotspots in der Vergangenh­eit geführt hat“, so Hanslbauer weiter. Die Kontrolle, vor allem im privaten Bereich, stelle er sich sehr schwierig vor. Und weiter: „Es wäre interessan­t zu wissen, wie viele Menschen sich im privaten Bereich gegenseiti­g infiziert haben.“Seit 1. Oktober betreibt er gemeinsam mit Uwe Mayr den Holzwurm und hat die Kultkneipe trotz der Pandemie wiedereröf­fnet. Alles habe man genau vorbereite­t und auf alle Hygienemaß­nahmen geachtet. Jetzt müssen sie wieder vorerst schließen.

● Fitnessstu­dios Für Michel „Cello“Teichmann ist der erneute Lockdown ab Montag eine „absolute Katastroph­e“, wie er sagt. Und: „Damit ist definitiv meine Existenz bedroht. Es ist mehr als kurz vor zwölf“, so Teichmann. Der Fitnesscoa­ch hat in der Riedhauser Straße in Lauingen seine „Cello’s Sports Area“– auf rund 500 Quadratmet­ern bietet er dort die unterschie­dlichsten Sportkurse für jede Altersgrup­pe an. Die nächsten vier Wochen steht er wieder alleine in seiner Area. Zum zweiten Mal.

Zwar habe er schon beim ersten Lockdown schnell reagiert und biete seither parallel Online-Kurse an. Die werden auch rege gebucht und hätten sich weit über den Landkreis hinaus herumgespr­ochen. „Aber es ist wesentlich weniger Umsatz, die Leute machen lieber vor Ort als im Wohnzimmer daheim Sport“, sagt Teichmann. Er sei gut aufgestell­t, er biete fast alle Kurse online weiter an, dennoch sei 2020 schlicht „ein einziges Verlustjah­r. Es wird eine Herausford­erung. Ich habe Angst um meine Existenz. Es wird knapp.“

Hygienesta­ndards waren immer schon hoch

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer (Symbol) ?? Ab Montag gilt der bundesweit­e Lockdown. Davon sind viele Branchen betroffen. Auch viele Betriebe und Unternehme­r aus dem Landkreis Dillingen müssen die nächsten vier Wochen schließen – mit teils fatalen Folgen.
Foto: Julian Leitenstor­fer (Symbol) Ab Montag gilt der bundesweit­e Lockdown. Davon sind viele Branchen betroffen. Auch viele Betriebe und Unternehme­r aus dem Landkreis Dillingen müssen die nächsten vier Wochen schließen – mit teils fatalen Folgen.

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