Der Lockdown und die Folgen für den Landkreis
Gastronomen, Kinobetreiber, Tätowierer oder Fitnesscoaches: Der Lockdown ab Montag trifft im Landkreis Dillingen viele Unternehmer hart. Für was viele kein Verständnis haben
Der Corona-Lockdown trifft viele Branchen sehr hart. Auch im Landkreis Dillingen. Wir haben Betroffene befragt.
Landkreis Kein Kino, geschlossene Gaststätten und zugesperrte Fitnessstudios. Die neuen Corona-Regeln sorgen für einen tristen Herbst und sind für einige Unternehmer existenzgefährdend. Wie ist die Lage für die Betroffenen im Landkreis Dillingen? Wir fragten in einigen Branchen nach:
● Kino Andreas Penthaler vom Filmcenter Dillingen ist enttäuscht. Der Familienbetrieb habe sich so viel Mühe gegeben. Seit der Wiedereröffnung des Kinos am 2. Juli ging es langsam bergauf. Immer mehr Zuschauer kamen nach dem ersten Lockdown zu Vorführungen. Doch seit Mittwoch ist die bange Vermutung der Branche Gewissheit: Kinos und Theater bleiben im November geschlossen. Seinen Humor hat Penthaler jedoch nicht verloren. „Man hat plötzlich einen Beruf, der verboten ist“, spielt der Kinobetreiber auf die Formulierung der Regierungserklärung an. Er hält seine Wirkungsstätte für einen vergleichsweise sicheren Ort in Zeiten der Pandemie. Der Hauptverband Deutscher Filmtheater habe noch versucht zu vermitteln, dass das Kino keine große Infektionsgefahr darstelle. Nachweislich habe sich in Deutschland bisher niemand in einem Kino angesteckt – „wahrscheinlich wegen der guten Lüftung“, vermutet Penthaler. Doch die steigenden Coronazahlen und die daraus resultierende Verunsicherung der Besucher hätte man bereits in vergangenen Wochen im Filmcenter Dillingen bemerkt. Immer weniger Besucher seien zu den Filmvorführungen gekommen.
● Gastronomie Josef Stark war schon im Vorfeld klar, dass weitere Beschränkungen kommen werden. Dennoch war es für den Inhaber und Chefkoch des Landgasthofs Stark im Wertinger Ortsteil Gottmannshofen „ein Schlag in die Magengrube“, als er von den neuen Corona-Regeln erfuhr. Stark, der auch Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes ist, weiß von einigen Kollegen, dass diese nun sofort reagieren und die Flucht nach vorne antreten. Das heißt, die Gastrobetriebe stellen auf Essen zum Mitnehmen um. Doch Stark weiß auch, dass eine schwierige Zeit bevorsteht. Immerhin hätte so mancher Kollege Geld in die Hand genommen und in Trennwände oder Luftreinigungsgeräte investiert. Josef Stark selbst wird ab nächstem Freitag Essen zum Mitnehmen anbieten – wie im Frühjahr. Stark hofft, dass die neuen Regeln tatsächlich nur für vier Wochen gelten.
● Tattoostudios Manuela Pahl nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt: „Ich könnte kotzen.“Die Medlingerin hat im Keller ihres Elternhauses seit fast zehn Jahren ein Tattoostudio mit dem Namen „Ela sticht zu“. Sie ist ein „Ein-Frau-Betrieb“und kann die Schließung nicht nachvollziehen. „Ich gönne es jedem Betrieb, der weiter arbeiten darf. Aber ich verstehe nicht, warum wir Tätowierer es nicht dürfen“, sagt sie. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie seien die Hygienestandards in ihrer Branche extrem hoch gewesen und alle Maßnahmen und Vorschriften wurden in den vergangenen Monaten strengstens umgesetzt, wie sie sagt. In ihrem konkreten Fall bedeutet das: Ela Pahl und der Kunde sind bei einem vereinbarten Termin allein im Raum. „Mehr nicht. Es gibt keine Überschneidungen und alle Termine, auch zur Beratung, müssen vorher telefonisch vereinbart werden. Die Kunden haben dafür vollstes Verständnis und es klappt auch gut“, sagt die Medlingerin. Deshalb treffe sie der Lockdown besonders hart. „Für mich ist es schlimm und sehr frustrierend. Ich habe ab Montag kein Einkommen mehr. Aber Versicherungen, Miete und Zahlungen beim Finanzamt bleiben.“Ihr fehlen individuelle Lösungen, wie sie sagt. „Wenn Tätowieren in Gesichtsnähe untersagt ist, okay – aber am Bein? Alles wird in einen Topf geworfen.“Aber es gibt auch positive Momente für die Tätowiererin. „Die Reaktionen der Kunden sind toll, sie stehen zu mir und wollen wieder kommen.“
● Hotels „Da fehlt mir jedes Verständnis“, sagt Alexander Lodner, Chef des Genießerhotels Lodner in Lauingen, deutlich. Und: „Gastronomiebetriebe sind laut RobertKoch-Institut keine Corona-Hotspots gewesen. Wir haben uns mit viel personellem und organisatorischem Aufwand darum bemüht, die Hygiene- und Abstandsvorschriften einzuhalten.“Darüber hinaus sei von sehr vielen Betrieben auch noch in teure Be- und Entlüftungsanlagen investiert worden. „Nachweislich sind die Infektionszahlen in vielen Fällen auf private Treffen und Veranstaltungen wie Großhochzeiten, Jubiläen sowie andere private Feierlichkeiten zurückzuführen“, sagt Lodner. Darüber hinaus spreche doch die Hotelschließung für Privatpersonen Hohn.
● Kneipen Klaus Hanslbauer, Mitbetreiber der Lauinger Kultkneipe Holzwurm, empfindet die Entscheidung, die Gastronomiebetriebe und Kneippen vollkommen zu schließen, „mehr als unfair“. Alle Experten seien sich einig, dass bei Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvorschriften die Verbreitung des Virus in dieser Branche relativ gering sei. „Jetzt werden sich die Menschen wieder in ihr Privatleben zurückziehen und dort vollkommen unkontrolliert feiern, was erfahrungsgemäß zu den größten Corona-Hotspots in der Vergangenheit geführt hat“, so Hanslbauer weiter. Die Kontrolle, vor allem im privaten Bereich, stelle er sich sehr schwierig vor. Und weiter: „Es wäre interessant zu wissen, wie viele Menschen sich im privaten Bereich gegenseitig infiziert haben.“Seit 1. Oktober betreibt er gemeinsam mit Uwe Mayr den Holzwurm und hat die Kultkneipe trotz der Pandemie wiedereröffnet. Alles habe man genau vorbereitet und auf alle Hygienemaßnahmen geachtet. Jetzt müssen sie wieder vorerst schließen.
● Fitnessstudios Für Michel „Cello“Teichmann ist der erneute Lockdown ab Montag eine „absolute Katastrophe“, wie er sagt. Und: „Damit ist definitiv meine Existenz bedroht. Es ist mehr als kurz vor zwölf“, so Teichmann. Der Fitnesscoach hat in der Riedhauser Straße in Lauingen seine „Cello’s Sports Area“– auf rund 500 Quadratmetern bietet er dort die unterschiedlichsten Sportkurse für jede Altersgruppe an. Die nächsten vier Wochen steht er wieder alleine in seiner Area. Zum zweiten Mal.
Zwar habe er schon beim ersten Lockdown schnell reagiert und biete seither parallel Online-Kurse an. Die werden auch rege gebucht und hätten sich weit über den Landkreis hinaus herumgesprochen. „Aber es ist wesentlich weniger Umsatz, die Leute machen lieber vor Ort als im Wohnzimmer daheim Sport“, sagt Teichmann. Er sei gut aufgestellt, er biete fast alle Kurse online weiter an, dennoch sei 2020 schlicht „ein einziges Verlustjahr. Es wird eine Herausforderung. Ich habe Angst um meine Existenz. Es wird knapp.“
Hygienestandards waren immer schon hoch