Eine Dokumentation vergangener Briefkultur
Der Lauinger Anton Hirner hat Heinz Pionteks private Korrespondenz herausgegeben
Lauingen „Gestern erhielt ich über unseren Ministerpräsidenten die Nachricht des Bundespräsidenten, dass dieser mir das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen habe. Na ja, man wird nur einmal sechzig …“Diese Nachricht sandte der Dichter Heinz Piontek am 17. Oktober 1985 an seine Familie.
Abgedruckt ist der Inhalt dieses Briefes in dem Band „Postlose Wochenenden gab es selten bei uns“, der soeben vom Heinz-Piontek-Archiv Lauingen im Berliner WolffVerlag herausgegeben wurde. Damit hat Anton Hirner, Leiter des Archivs, zusammen mit Mitherausgeber Hartwig Wiedow eine Möglichkeit eröffnet, sich der Persönlichkeit Pionteks (1925-2003) auf ungewöhnliche Weise anzunähern.
Im Mittelpunkt literarischer Forschung steht üblicherweise die Dokumentation der geistigen Einflüsse auf das Werk von Autoren. Mit der Sammlung und Wiedergabe von
„Heinz Pionteks Briefen an die Familie und an Margrit Dürring“wird darüber hinaus gezeigt, in welchem
Milieu der Dichter lebte und arbeitete. Piontek stammte aus Kreuzburg/Oberschlesien, lebte von 1947 bis 1955 in Lauingen und anschließend bis 1961 in Dillingen. Schon in diesen Jahren machten ihn vor allem seine Gedichte überregional bekannt. 1961 veranlasste ihn der frühe Ruhm, nach München zu ziehen. Piontek wurde vielfach ausgezeichnet. 1976 erhielt er den GeorgBüchner-Preis. Diese Ehrung löste in den Feuilletons deutscher Zeitungen allerdings auch Unverständnis und Häme aus, weil Piontek häufig als „Naturdichter“etikettiert wurde, sodass sich seine Preiswürdigkeit in einer Zeit zunehmender Politisierung und Ideologisierung leicht infrage stellen ließ.
Waldemar Fromm, Leiter der Arbeitsstelle für Literatur in Bayern an der Universität München, vermittelt im neuen Band mit einem „Geleitwort“eine präzise Vorstellung von den Intentionen, die mit der gesammelten Herausgabe privater Briefe verfolgt wurden: „Der
Band eröffnet die Möglichkeit, in Zeiten, in denen das Interesse am Dokumentarischen deutlich hervortritt, mehr über den Briefschreiber Piontek zu erfahren, über seinen Blick auf Schriftstellerkollegen, über seine Selbstzweifel, Ängste und seine Depressionen, über seinen Alltag und über die immer wieder geglückten Augenblicke des Lebens.“Zu den Adressaten der Briefe gehören Pionteks Frau Gisela, seine nächsten Verwandten („Ihr Lieben“) und vor allem Margrit Dürring (1939 - 2017). Die württembergische Gemeindeassistentin, selbst Verfasserin von Gedichten, unterstützte Piontek beim Korrekturlesen seiner Werke und schuf zahlreiche kalligrafische Fassungen von Piontek-Gedichten. In einem Internet-Beitrag heißt es: „Sie fühlte sich mit dem Autor geistes-verwandt und war eine Vertraute seines Herzens“. Diesen Eindruck bestätigen viele Passagen aus den abgedruckten Briefen, die geheimste Gedanken zum Ausdruck bringen. Am
„3. Advent 1999“schreibt Piontek: „Eigentlich war ich schon um die Dreißig ziemlich sicher, dass das Ende unseres Lebens nicht dem Zufall überlassen bleibt. Wenn wir auch gezählte Tage leben, so brauchen wir uns um den Zeitpunkt unseres eigenen Todes nicht zu sorgen.“
Die Sammlung der privaten Piontek-Korrespondenz aus den Jahren 1951 bis 2002 fördern beim Leser das Verständnis für ein von Vergessenheit bedrohtes Gesamtwerk, vermitteln aber auch Einblicke in Pionteks Alltag, in seine finanziellen Sorgen und in seinen Schaffensprozess. Vor allem aber ist das Buch eine schöne Dokumentation vergangener Briefkultur.
Der Band „Postlose Wochenenden gab es selten bei uns“wurde inzwischen von Verleger Robert Eberhardt und Herausgeber Anton Hirner vorgestellt. Er umfasst 167 Seiten und kostet 19,90 Euro. Er ist in der Buchhandlung Brenner vorrätig.