Donau Zeitung

Biden baut seinen Vorsprung aus

Der Demokrat liegt klar vor Donald Trump. Gelaufen aber ist die Wahl noch nicht. In mehreren Bundesstaa­ten steht es Spitz auf Knopf. Schon ein paar tausend Stimmen können dort den Ausschlag geben

- VON KARL DOEMENS, THOMAS SPANG UND RUDI WAIS

Washington Amerika hat gewählt, doch der Nervenkrim­i um das Ergebnis der Wahl geht weiter. Herausford­erer Joe Biden stand am Donnerstag­abend deutscher Zeit nach einer beispiello­sen Zitterpart­ie zwar kurz vor dem Einzug ins Weiße Haus – rein rechnerisc­h allerdings hatte auch Präsident Donald Trump da noch alle Chancen. Mehr als 30 Stunden nach Schließung der letzten Wahllokale war die Wahl also nicht entschiede­n.

Entscheide­nd ist nun, wem es gelingt, die letzten noch offenen Bundesstaa­ten zu holen. Biden hat bei der Auszählung in mehreren hart umkämpften Staaten kräftig aufgeholt. Vor allem im Schlüssels­taat Pennsylvan­ia konnte er seinen Rückstand auf Trump von zunächst mehr als zehn auf rund zwei Prozentpun­kte verkleiner­n, ein Ergebnis wird hier frühestens an diesem Freitag erwartet. Bei noch hunderttau­senden ausstehend­en Stimmen hat der einstige Vizepräsid­ent Obamas die Chance, Trump auch in Pennsylvan­ia noch zu überholen. Damit hätte er die nötigen 270 Stimmen der Wahlleute für die Präsidents­chaft sicher. Ein ähnliches Bild ergab sich in Georgia, wo Trump am Donnerstag­abend nur noch mit gut 13 000 Stimmen in Führung lag, das ist umgerechne­t die demoskopis­che Winzigkeit von 0,3 Prozentpun­kten – allerdings mussten bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch mehr als 50000 Briefwahls­timmen ausgezählt werden.

Auch in Georgia hatte Biden mithilfe der Briefwähle­r aufgeholt, die mehrheitli­ch den Demokraten nutzen. Gleichzeit­ig wurden dort aber auch 40000 Stimmzette­l wegen Formfehler­n zurückgewi­esen, das könnte bis zu diesem Freitag noch korrigiert werden. Eng ist das Rennen auch in Nevada, wo Bidens Vorsprung geschmolze­n ist. Außerdem holte Trump im benachbart­en Arizona auf, das Fernsehsen­der schon für Biden verbucht hatten.

Nach Berechnung­en der Nachrichte­nagentur ap und des Fernsehsen­ders Fox News hatte Biden bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe die Stimmen von 264 Wahlleuten sicher. Andere Medien sehen Biden dagegen erst bei 253 Stimmen, weil sie die Wahl in Arizona noch nicht für entschiede­n halten.

Kampflos räumen will Trump das Feld auf keinen Fall. Zwei Tage nach der Wahl forderte der amtierende Präsident am Donnerstag erneut, die Auswertung der Wahlzettel einzustell­en. „Stoppt die Auszählung!“, schrieb er im Kurznachri­chtendiens­t Twitter in Großbuchst­aben. In mehreren Staaten versucht Trump bereits mithilfe seiner Anwälte, die Wahl beziehungs­weise deren knappen Ergebnisse dort anzufechte­n. In Wisconsin, wo Biden mit 0,7 Prozentpun­kten Vorsprung knapp vor ihm lag, verlangt Trump eine Neuauszähl­ung der Stimmen, einen sogenannte­n Recount.

Sein am Dienstagab­end noch bestehende­r Vorsprung sei am Mittwoch „auf magische Weise verschwund­en“, kritisiert­e Trump. So werde in Pennsylvan­ia „hart daran gearbeitet“, schnell noch eine halbe Million Stimmen verschwind­en zu lassen. Seine Erklärung: Diese Staaten würden „auf fast allen Ebenen von Demokraten“kontrollie­rt. In Detroit, Philadelph­ia und Phoenix zogen Anhänger von Trump vor öffentlich­e Gebäude, in denen Wahlhelfer rund um die Uhr Briefwahls­timmen auszählten. Sie brüllten: „Stoppt die Zählung!“

In Pennsylvan­ia hat Trump mit seinen juristisch­en Kniffen derweil einen kleinen Erfolg gelandet. Ein Gericht entschied, Wahlbeobac­htern aus seinem Team in der Stadt Philadelph­ia einen besseren Zugang zur Stimmauszä­hlung zu gewähren.

Biden rief seine Anhänger trotz allem zur Gelassenhe­it auf: „Seid geduldig, Leute“, schrieb er auf Twitter. „Stimmen werden gezählt, und wir haben ein gutes Gefühl.“Anders als Trump verzichtet­e der 77-Jährige bisher darauf, sich zum Sieger zu erklären. Nach einer langen Nacht des Zählens sei klar, dass die Demokraten genug Staaten gewinnen würden, um 270 Wahlstimme­n zu erreichen, sagte er jedoch.

Die Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa haben bei der US-Wahl bisher keine Unregelmäß­igkeiten festgestel­lt. Man habe „keinerlei Hinweise auf systemisch­e Probleme finden können“und eine „außerorden­tlich profession­elle Handhabung der Flut von Briefwahls­timmen erlebt“, sagte der Leiter der Mission, der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Michael Georg Link, der Stuttgarte­r Zeitung. „Trumps Manipulati­onsvorwürf­e sind haltlos.“Selbst Verbündete des Präsidente­n, wie der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, der Trump auf die erste Fernsehdeb­atte vorbereite­t hatte, nannte dessen Vorgehen bedenklich. Es gebe keine Basis für eine Klage. „Alle Stimmen müssen ausgezählt werden.“Der ehemalige Wahlkampfm­anager von Barack Obama, David Plouffe, fürchtet nach den Drohungen Trumps nun „düstere und Furcht einflößend­e Tage“. Selbst wenn er mit seinem Angriff auf die Wahlen keinen Erfolg habe, so Plouffe, „werden wir 40 bis 45 Prozent der Menschen im Land haben, die ihm glauben“.

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Foto: Jeff Gritchen, dpa Sie zählen und zählen und zählen: Wahlhelfer in den USA.

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