Donau Zeitung

Das Leid der Kultur

Keine Konzerte, keine Lesungen, kurz: keine Veranstalt­ungen. Wie Musiker, Künstler und Veranstalt­er im Landkreis Dillingen damit umgehen. Eine Sängerin beschäftig­t sich jetzt mit Worten statt mit Noten

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN

Der erneute Lockdown macht vor allem Musikern, Künstlern und Co. zu schaffen. Wieso eine Sängerin jetzt Worte statt Noten zu Papier bringt.

Landkreis 130 Milliarden Euro Umsatz kreieren Kulturscha­ffende in Deutschlan­d jedes Jahr. Doch 2020 ist alles anders: Theater und Kinos werden nun zum zweiten Mal geschlosse­n, Konzerte, Festivals und Lesungen ersatzlos gestrichen. All diese Maßnahmen dienen dem Infektions­schutz. Doch vielen Kulturscha­ffenden machen sie zu schaffen – auch im Landkreis Dillingen.

„Was hier passiert, ist vollkommen unverständ­lich“, sagt etwa Komponist Klaus Hanslbauer aus Lauingen. „Da werden Wirtschaft­szweige mit Milliarden von Euro von der Politik unterstütz­t, doch die Kulturscha­ffenden werden einfach alleingela­ssen.“Viele seiner Kollegen, ob Musiker, Schauspiel­er, Künstler oder wer auch immer Kultur in die Gesellscha­ft hineinträg­t, würden den zweiten Lockdown finanziell nicht überleben, sagt Hanslbauer. Die Kultur selbst, fürchtet er, werde für lange Zeit nur noch ein untergeord­netes gesellscha­ftliches Dasein fristen. Das zeige sich allein an der schieren Masse der Veranstalt­ungen im Landkreis Dillingen, die wegen der CoronaKris­e abgesagt werden mussten.

In Höchstädt etwa fielen alle Veranstalt­ungen im Geigerturm und die meisten Konzerte und Lesungen im Rittersaal ins Wasser. Nur vier Ausstellun­gen habe man in der Schlosskap­elle noch organisier­en können, berichtet Claudia Kohout vom Kulturforu­m der Stadt. „Die Veranstalt­er hatten sich viel Mühe gegeben, um nach dem ersten Lockdown die Auflagen zu erfüllen“, sagt sie. Gebracht hat das nicht jedem etwas. Kohout befürchtet, dass dies nicht die letzten Absagen von kulturelle­n Veranstalt­ungen in Höchstädt für die nächsten Jahre sein werden. Ob durch Corona oder durch die Tatsache, dass die Künstler, Musiker oder anderen Kulturscha­ffenden sich zum Überleben erst einmal anderweiti­g umsehen müssen.

Wolfgang Düthorn bedauert als Musiker, dass seit dem ersten Lockdown von der Politik in der Pandemiekr­ise keine großen Fortschrit­te gemacht worden seien. Viele Veranstalt­er hätten sich mit entspreche­ndem Aufwand und Personal bemüht, die Hygiene- und Abstandsau­flagen zu erfüllen. Doch mit höchstens einem Drittel an Zuhörern für einen Auftritt hätte sich dieser Eifer einfach nicht gelohnt, warum auch die meisten der Konzerte mit seiner Band abgesagt worden seien. Unter anderem auch der seit Jahren gut besuchte Jazz-Frühschopp­en im Schlossgar­ten in Haunsheim. Ganze 30 Veranstalt­ungen mussten dieses Jahr allein in Lauingen ausfallen. Ob Theater und Konzerte im Stadelthea­ter, Rathausfes­tkonzerte, Münsterkon­zerte, Vorlesestu­nden für Kinder in der Stadtbüche­rei, das Sommerfest der Stadtkapel­le, kulturelle Freiluftve­ranstaltun­gen auf dem Marktplatz, am Apollo-Grannus-Tempel, Stadtführu­ngen und nicht zuletzt der traditione­lle Leonhardir­itt. Ganz zu schweigen vom weit über die Landkreisg­renzen hinaus bekannten Theater in Frauenried­hausen (TiF). Hier musste die gesamte Saison 2020 abgesagt werden. Nicht anders erging es den Kulturvera­nstaltunge­n in Dillingen. Laut Alfred Saur von der Stadtverwa­ltung wurden allein vom Kulturring 13 Theaterauf­füh

fünf Kabarettve­ranstaltun­gen, 20 Konzerte und zehn weitere Veranstalt­ungen wegen der CoronaPand­emie abgesagt.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in der Region Wertingen. Im März hatte die Kleinkunst­bühne Lauterbach ihre Veranstalt­ungen und Gastspiele absagen müssen. Mit den dann gelockerte­n Auflagen, stellte sich für den Leiter Gerhard Sauter vor allem die Frage, in welchen Räumlichke­iten Auftritte mit den geltenden Abstands- und Hygienekon­zepten möglich gewesen wären. Dafür in Frage gekommen wäre die Riedblickh­alle in Buttenwies­en. Doch Sauter sagt: „Der Aufwand bei deutlich weniger Zuschauern war einfach unverhältn­ismäßig.“Nach langen Überlegung­en hatte sich die Brettlbühn­e entschiede­n, erst im nächsten Jahr ab Mai wieder Publikum zu empfangen. Sauter appelliert: „Jetzt muss der Staat unseren Künstlern unter die Arme greifen, damit sie das durchhalte­n.“

Von Absagen betroffen ist auch die Sängerin und Songwriter­in Sarah Straub aus Gundelfing­en. Zwar habe sie nach dem Ende des ersten Lockdowns im Sommer einige Konzerte gespielt. Doch durch die pandemiebe­dingten Auflagen für die Veranstalt­er, gepaart mit der Zurückhalt­ung der Menschen, lohnte sich der Aufwand ihr zufolge in keiner Weise – weder finanziell noch künstleris­ch. Mit Blick auf den zweiten Lockdown sagt sie: „Ich denke, nach diesem erneuten Berufsverb­ot wird die Perspektiv­losigkeit für alle Künstler und Solo-Selbststän­dige noch größer werden.“Besonders die Kleinrunge­n, kunstbühne­n würden diese Zeit nicht überleben. Dies führe unter anderem dazu, so Straub, dass sich das kulturelle Leben drastisch verändern werde. Die Politik spreche immer darüber, wie wichtig das Kulturlebe­n für die Gesellscha­ft sei, doch die Kulturscha­ffenden werden ihrer Meinung nach mit ihren Ängsten alleingela­ssen. Die staatliche­n Hilfen für die offizielle­n Betriebsau­sgaben hätten nicht lange über die finanziell­en Probleme hinweggeho­lfen. Die Zeit, die die Sängerin durch den neuerliche­n Lockdown nun zur Verfügung hat, will sie nutzen, um endlich ihr Buch zum Thema Demenz zu schreiben. „Ich hatte mir das schon lange vorgenomme­n“, berichtet die promoviert­e Psychologi­n. Doch bisher habe sie nie die Zeit dafür aufbringen können.

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Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbol) Egal ob Kino, Konzert, Museum oder Theater. Die Kultur leidet besonders unter den erneuten Lockdown‰Regeln. Auch im Landkreis Dillingen müssen sich die Kulturscha­f‰ fenden mit der Situation irgendwie arrangiere­n.

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