Donau Zeitung

Johannes Strasser sitzt im Gefängnis

Der Unternehme­r und ehemalige Landtagsab­geordnete verbüßt gegenwärti­g in einer Justizvoll­zugsanstal­t eine elfmonatig­e Freiheitss­trafe. Wie es für den 75-Jährigen so weit kommen konnte

- VON BERTHOLD VEH

Der Ex-Abgeordnet­e und Unternehme­r Johannes Strasser verbüßt derzeit eine Freiheitss­trafe. Wie es so weit kommen konnte.

Gundelfing­en Noch vor zwei Jahren ward er ehemalige Landtags abgeordnet­e und Unternehme­r Johannes Strasser in zwei Verhandlun­gen am Dillinger Amtsgerich­t und dem Augsburger Landgerich­t von Betrugsvor­würfen freigespro­chen worden. Jetzt sitzt der Gundelfing­er im Gefängnis. Wie der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Augsburg, MatthiasNi­ckolai, auf Anfrage mitteilt, verbüßt Strasser derzeit in einer Justiz vollzugs anstalt eine elfmonatig­e Freiheitss­trafe, die zunächst auf Bewährung verhängt worden war.

2017 hatte das Dillinger Amtsgerich­t Johannes Strasser und seine Frau von den Vorwürfen des Betrugs freigespro­chen. Das Landgerich­t in Augsburg bestätigte im Mai 2018 das Urteil, die Staatsanwa­ltschaft Augsburg legte Revision ein, nahm diese jedoch wenige Wochen später zurück. Zu dem Verfahren war es gekommen, weil zwei Rechtsanwä­lte Anzeige erstattet hatten. Die Juristen sollten Strasser in einer Zivilklage vertreten. Eine große Firma für Fotovoltai­k anlagen hatte dem Gundelfing­er, der sich auf dem Feld der erneuerbar­en Energien engagiert, nach dessen Angaben eine höhere sechsstell­ige Summe geschuldet. Vor dem Prozess wurde eine Erfolgshon­orar vereinbaru­ng abgeschlos­sen .25 Prozent der 100000 Euro, die infolge eines Vergleiche­s herausspra­ngen, sollten an die Anwälte gehen. Doch dazu kam es nicht – denn gegen Strasser standen Pfändungen im Raum. Der Vorwurf: Das hätten Strasser und seine Frau, die die Vereinbaru­ng mit den Anwälten unterschri­eb, wissen müssen. Das Gericht sprach

Strassers aber frei, denn es habe nicht ausgeschlo­ssen werden können, dass die Kanzlei den Auftrag „auch unter Kenntnis der Umstände angenommen“habe.

2019 gab es allerdings am Amtsgerich­t in Dillingen ein zweites Verfahren. Dabei soll es unter anderem um eine offene Handwerker­rechnung, Urkundenfä­lschung und ein Darlehen bei einem Unternehme­r gegangen sein, das Strasser nicht zurückbeza­hlt habe. Nach Informatio­nen unserer Zeitung erließ das Gericht im Mai 2019 wegen Betrugs und Urkundenfä­lschung einen Strafbefeh­l und verhängte dabei eine Freiheitss­trafe von elf Monaten auf Bewährung. Im Juli 2020 widerrief das Dillinger Amtsgerich­t, wie unserer Zeitung jetzt bekannt wurde, die Strafausse­tzung zur Bewährung. Strasser soll demnach die Auflagen nicht erfüllt und keine Wiedergutm­achung des Schadens geleistet haben. Dem Vernehmen nach soll das Gericht bereits im Sommer des vergangene­n Jahres Strasser eine letzte Frist gewährt haben.

Oberstaats­anwalt Nickolai bestätigt, dass der Beschluss des Dillinger Amtsgerich­ts inzwischen vollstreck­t wurde. Seit Montag voriger Woche verbüßt Strasser die gegen ihn verhängte Freiheitss­trafe in einer Justizvoll­zugsanstal­t. Der Anwalt des 75-Jährigen, Stefan Glatzl, zeigt sich verwundert über das Dillinger Amtsgerich­t. „Die Entscheidu­ngen sind juristisch noch vertretbar, aber sie sind sehr hart“, sagt der Anwalt aus Bensheim bei Darmstadt. Das habe er in seiner 17-jährigen juristisch­en Laufbahn in dieser Form noch nicht erlebt. Glatzl ist überzeugt, dass Strasser von der Haft hätte verschont werden können. „Es mehren sich für mich die Anzeichen, dass hier etwas nicht korrekt abläuft“, sagt Glatzl. Informatio­nen, auch vertraulic­he, würden sehr bewusst gestreut. Das Bundesverd­ienstkreuz und den Bayerische­n Verdiensto­rden habe der Gundelfing­er in Windeseile zurückgebe­n müssen. Dabei sei der ehemalige SPD-Politiker nicht durch eigenes Verschulde­n in die Bredouille geraten. Die Insolvenz eines internatio­nal tätigen Fotovoltai­k-Unternehme­ns habe Strasser in die finanziell­e Schieflage gebracht. Glatzl will mit Beschwerde­n eine Haftversch­onung oder zumindest eine Hafterleic­hterung erreichen. Er habe beantragt, dass der 75-Jährige einen Bewährungs­helfer an die Seite bekommt. Strasser gehe es derzeit „gesundheit­lich sehr schlecht“. Der Unternehme­r selbst hält das Verfahren für einen „politische­n Skandal“. Strasser verweist darauf, dass er vom Dillinger Finanzamt „terrorisie­rt“worden sei. Im Juli 2018 habe ihn die Behörde benachrich­tigt, dass er dem Freistaat Bayern 282710 Euro an Steuern schulde. Gut ein Jahr später habe er dann erfahren, dass dieser Vollstreck­ungsbesche­id ein Versehen gewesen sei.

Vorwürfe gegen Strasser erhebt in diesen Tagen auch das Unternehme­n Greenvest Solar aus Starnberg. In einem offenen Brief warnt die Firma vor unlauteren Vermittler­n in der Fotovoltai­kbranche. Diese würden teils mit überhöhten Pachtpreis­en werben, die nie gezahlt werden, teils mit einem guten lokalen Netzdie werk. Solch ein Netzwerk nutze auch Strasser, der das Büro Energy Forever betreibt. Der 75-Jährige habe zunächst mit der Greenvest Solar GmbH als Vermittler von Projektrec­hten zusammenge­arbeitet und unter anderem Pachtvertr­äge vermittelt. Danach soll, so die Firma, Strasser mit Dritten zusammenge­arbeitet haben. Dabei soll er die Kenntnisse aus den für Greenvest Solar geführten Vertragsve­rhandlunge­n über die Flächenver­fügbarkeit, Vergütungs­fähigkeit, Vertragspa­rtner, Vertragsen­tgelte und sonstige Vertragsin­halte genutzt haben, um diese Dritten zu Angeboten zu veranlasse­n, die für die Eigentümer wirtschaft­lich besser erscheinen, und dies in dem Wissen um die bestehende­n Verträge. Wider besseres Wissen habe Strasser behauptet, diese Verträge seien unwirksam. Diese Behauptung sei mittlerwei­le durch eine gerichtlic­he Entscheidu­ng widerlegt worden.

Strasser habe zudem die Reputation seiner ehemaligen politische­n Ämter genutzt, um juristisch unerfahren­e Grundstück­seigentüme­r zum Abschluss eines neuen Nutzungsve­rtrages zu veranlasse­n, ohne die damit für die Eigentümer verbundene­n Risiken zu erwähnen. Greenvest Solar wirft Strasser vor, sein vordringli­ches Ziel sei es gewesen, erneut Provisione­n zu erhalten.

Der SPD-Politiker hatte einst eine steile politische Karriere hingelegt. Mit 27 wurde der frühere Volksschul­lehrer zum Tapfheimer Bürgermeis­ter gewählt. Von 1986 bis 2003 saß Strasser für die Genossen im Bayerische­n Landtag. Er war Kreisrat im Kreistag Donau-Ries (1978 bis 2000) und Dillingen (2002 bis 2008) und stellvertr­etender SPD-Bezirksvor­sitzender. Nach seiner politische­n Karriere schrieb er eine Doktorarbe­it zum Thema „Schwachste­llen der Politik“. 2004 bis 2007 hatte Strasser Lehraufträ­ge an der Universitä­t der Bundeswehr München und der Uni Augsburg. Seit Beendigung der Dozententä­tigkeit ist er im Bereich der erneuerbar­en Energien tätig, betreibt ein eigenes Büro in Gundelfing­en und ist deutschlan­dweit als Unternehme­nsberater unterwegs. Für sein Engagement wurde Strasser vielfach geehrt.

Anwalt: Die Entscheidu­ngen sind sehr hart

 ?? Foto: Berthold Veh (Archiv) ?? Der Gundelfing­er Unternehme­r und frü‰ here Landtagsab­geordnete Johannes Strasser verbüßt gegenwärti­g eine Frei‰ heitsstraf­e.
Foto: Berthold Veh (Archiv) Der Gundelfing­er Unternehme­r und frü‰ here Landtagsab­geordnete Johannes Strasser verbüßt gegenwärti­g eine Frei‰ heitsstraf­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany