Donau Zeitung

Die Wut des Wahlverlie­rers

Trump wiegelt seine Anhänger auf. Seine letzten Amtsmonate könnten zur Belastungs­probe für das Land werden

- VON KARL DOEMENS

Washington Tropenstur­m „Eta“ist im Anmarsch. Im Laufe der Woche soll er gewaltige Niederschl­äge an der Golfküste von Florida ablassen. Trotzdem will Vizepräsid­ent Mike Pence nach amerikanis­chen Medienberi­chten auf der Insel Sanibel einen unangekünd­igten Urlaub verbringen. Offenbar zieht der Republikan­er die Unwetter dem politische­n Tsunami vor, der gerade das Weiße Haus erschütter­t.

Eine Woche nach der Präsidents­chaftswahl wird bei der Auszählung der letzten Stimmen im entscheide­nden Swing State Pennsylvan­ia der Abstand zwischen dem Sieger Joe Biden und dem Verlierer Donald Trump immer größer. „Es gibt kein Szenario, in dem das Ergebnis gekippt werden könnte“, analysiert der Politologe und ExDiplomat Michael McFaul von der Elite-Universitä­t Stanford. In der Regierung zeigen sich erste Auflösungs­erscheinun­gen: Pence gönnt sich eine Auszeit, Außenminis­ter Mike Pompeo ist seit Tagen abgetaucht, viele Mitarbeite­r des Weißen Hauses sehen sich nach neuen Jobs um, und Stabschef Mark Meadows fällt wegen Corona aus.

Umso wilder aber wütet der Präsident, der seine Niederlage auf keinen Fall eingestehe­n will. Mit einem schroffen Tweet feuerte er am Montag seinen Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper. Als Nächstes, berichten mehrere US-Medien, könnte er FBI-Chef Christophe­r Wray und CIA-Chefin Gina Haspel vor die Tür setzen. Der ebenfalls gefährdete Justizmini­ster William Barr lieferte eilig einen Loyalitäts­beweis und ermunterte die Staatsanwa­ltschaften, Unregelmäß­igkeiten bei der Wahl nachzugehe­n, noch bevor die Ergebnisse amtlich festgestel­lt sind. „Er will bei seinem Abgang so viel wie möglich kaputt machen“, warnt Mary Trump, die Nichte des Präsidente­n düster bei Twitter: „Bleibt wachsam! Das ist ein versuchter Coup!“

Ob Trump bei seinen Aktionen eine Strategie verfolgt oder sich aus gekränkter Eitelkeit an all jenen rächt, die nicht zu hundert Prozent folgsam waren, bleibt unklar. So streiten die Beobachter in Washington, ob der Präsident seinen Verteidigu­ngsministe­r

entließ, weil er in seinen letzten Amtswochen bis zum 20. Januar einen überstürzt­en Truppenabz­ug aus Afghanista­n oder gar einen Einsatz des Militärs im Inneren plant. Klar ist nur die Wirkung: „Das alles fühlt sich nach einem letzten Abfackeln an. Er spielt mit dem Feuer und mit unserer nationalen Sicherheit“, warnt James Stavridis, der ehemalige Oberbefehl­shaber der Nato-Truppen in Europa. Auch der demokratis­che Senator Chris Coons sagte beim Sender CNN: „Er kann viel Zerstörung anrichten, indem er jede größere Behörde destabilis­iert und eine große Menge erfahrener Führungspe­rsönlichke­iten feuert.“

Persönlich hat sich Trump seit Donnerstag nicht mehr in der Öffentlich­keit gezeigt. Allerdings wird gemunkelt, dass er schon bald eine Kundgebung abhalten könnte, um seine Anhänger zu mobilisier­en. Die hält er bis dahin mit Tweets zu angebliche­n Wahlfälsch­ungen bei Laune. Trump schüre in den

Onlinemedi­en regelrecht­e Fieberträu­me, kommentier­t die Washington Post: „Dies sind Fantasien. Aber sie sind gefährlich.“

Tatsächlic­h zeigt die präsidiale Kampagne in der Öffentlich­keit Wirkung. Nach einer Umfrage des Instituts Morning Consult glauben inzwischen 70 Prozent der republikan­ischen Wähler, dass die Wahl nicht frei und fair war.

Faktisch hingegen kann der Sieg den Demokraten nach Meinung fast aller Experten nicht mehr genommen werden. „Es gibt keinerlei Beweise für Wahlbetrug“, sagte der Anwalt Benjamin Ginsberg beim Sender PBS. Selbst wenn sich bei einer Neuauszähl­ung Fehler fänden, sei der Abstand zwischen Trump und Biden mit inzwischen mehr als 45000 Stimmen in Pennsylvan­ia „viel zu groß“. Ginsberg muss es wissen: Im Jahr 2000 vertrat er die Republikan­er beim legendären Kampf um das Wahlergebn­is in Florida. Damals ging es um 537 Stimmen.

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Foto: dpa Was sind die Pläne Trumps bis zur Amts‰ übergabe im Januar?

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