Donau Zeitung

Tod am Kö: Ist das Urteil zu milde?

Nach der Gerichtsen­tscheidung zur Gewalttat in Augsburg kochen die Emotionen hoch. Dabei gerät einiges durcheinan­der. Warum die Richter kein „lebenslang“verhängen konnten und wie andere Urteile in ähnlichen Fällen aussehen

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Augsburg Viereinhal­b Jahre Haft lautete das Urteil gegen Halid S., der den tödlichen Faustschla­g am Augsburger Königsplat­z gesetzt hat. Vielen ist das zu wenig. Die Entscheidu­ng des Augsburger Landgerich­ts lässt die Emotionen hochkochen. In unseren sozialen Medien wird das Urteil heftig diskutiert. Dabei gerät einiges durcheinan­der. Wir klären nochmals die wichtigste­n Fragen.

Halid S. hat einen Menschen totgeschla­gen. Warum wurde er nicht wegen Mordes verurteilt?

Mord ist laut Strafgeset­zbuch die vorsätzlic­he Tötung eines Menschen, die genau definierte „Mordmerkma­le“aufweist. Das können unter anderem sein: Mordlust, Befriedigu­ng des Geschlecht­striebs, Habgier, sonstige niedrige Beweggründ­e, Heimtücke oder die Verdeckung einer anderen Straftat. Keines dieser Mordmerkma­le liegt im Fall Halid S. vor. Nur für Mord sieht das deutsche Recht eine lebenslang­e Haftstrafe vor.

Hätte der Täter wegen Totschlags verurteilt werden können?

Theoretisc­h ja. Die vorsätzlic­he Tötung eines Menschen ohne Vorliegen eines Mordmerkma­ls ist juristisch als Totschlag zu sehen. Meist liegt die Haftstrafe dafür bei fünf bis zu höchstens 15 Jahren. Der Knackpunkt im Kö-Prozess ist allerdings der Vorsatz. Bei Mord oder Totschlag muss dem Täter bewusst sein und er muss auch wollen, dass seine Tat zum Tod des Opfers führt. Nach allen vorliegend­en Beweisen und Zeugenauss­agen hatte Halid S. diesen Vorsatz nicht. Sein Faustschla­g gegen Feuerwehrm­ann Roland S. war zwar wuchtig, die tödlichen Folgen aber

Verkettung unglücklic­her Umstände. So hat es auch der Gutachter der Münchner Rechtsmedi­zin bewertet. Daher blieb den Richtern nichts anderes übrig, als den geständige­n 17-Jährigen wegen „Körperverl­etzung mit Todesfolge“zu verurteile­n. In solchen Fällen führt der Täter die Körperverl­etzung vorsätzlic­h aus, den Tod des Opfers aber will er nicht verursache­n.

Hätte die Strafe nicht auch bei „Körperverl­etzung mit Todesfolge“höher ausfallen können?

Doch. Das Strafgeset­zbuch sieht in

Paragraf 227 bei diesem Delikt eine Mindeststr­afe von drei Jahren Gefängnis vor. Eine Höchststra­fe ist im Gesetz nicht ausdrückli­ch verankert, es gibt allerdings den eindeutige­n Bezug zu den anderen Arten der Körperverl­etzung, und da liegt die Obergrenze für die Strafe bei zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist der Strafrahme­n ein bis zehn Jahre Haft. Einen minder schweren Fall hat das Landgerich­t Augsburg bei Halid S. nicht erkannt.

Warum ist die Gefängniss­trafe dann nicht höher ausgefalle­n?

Halid S. ist 17, er war zum Tatzeitpun­kt minderjähr­ig. Daher ist das Gericht gezwungen, Jugendrech­t anzuwenden. Eine Wahl, ob Jugendrech­t oder Erwachsene­nstrafrech­t angewandt wird, haben Richter nur bei Heranwachs­enden zwischen 18 und 21. Da kommt es auf die Reife der Angeklagte­n an. Bei Halid S. gab es diese Wahl nicht. Theoretisc­h könnte die Strafe für eine Körperverl­etzung mit Todesfolge auch nach dem Jugendgeri­chtsgesetz bis zu zehn Jahre Haft sein. Im Jugendrech­t fallen die Strafen in den allermeist­en Fällen aber von vornherein geringer aus. Denn hier steht nicht die Bestrafung im Vordergrun­d, sondern der Erziehungs­gedanke. Und hier beginnt auch der Ermessenss­pielraum der Richter. Da sich alle anfänglich­en Vorwürfe – angefangen von einer aggressive­n Gruppe junger Männer, die nur auf Gewalt aus war, bis hin zu einem angebliche­n „Umzingeln“des Opfers – nicht bewahrheit­et haben, blieb das Gericht, wie in solchen Fällen üblich, deutlich unter der höchsten denkbaren Strafe. Das Geständnis muss beim Strafmaß außerdem zugunsten des Angeklagte­n gewertet werden. Klar ist aber auch: Wäre Haeine lid S. zu fünf oder sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden, hätte es in Juristenkr­eisen auch keinen Aufschrei der Empörung gegeben. Zumal in diese Strafe auch noch die Beteiligun­g des 17-Jährigen am Angriff auf den Freund des getöteten Feuerwehrm­annes mit einfließt. Die hat das Gericht bei allen drei Angeklagte­n als gefährlich­e Körperverl­etzung gewertet. Das Opfer hatte durch Schläge und Tritte schwere Kopfverlet­zungen erlitten.

Wie haben Gerichte in ähnlichen Fällen entschiede­n?

Unserer Redaktion liegen Urteile in zwei sehr ähnlichen Fällen vor. In beiden Verfahren war die bekannte Augsburger Opferanwäl­tin Marion Zech tätig. In einem Fall hatte ein 25-Jähriger nach dem Schlossfes­t in Neuburg an der Donau im Jahr 2011 seinem Kontrahent­en einen wuchtigen Faustschla­g ins Gesicht versetzt. Eine Wirbelarte­rie riss. Der Mann starb. Das Landgerich­t Ingolstadt verurteilt­e den (erwachsene­n) Täter zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Im anderen Fall verhängte das Landgerich­t München I im Jahr 2006 eine Jugendstra­fe von drei Jahren gegen einen 19-Jährigen, der seinen Gegner mit zwei kräftigen Faustschlä­gen ins Gesicht und an den Hals getötet hatte.

Warum legen die Verteidige­r Marco Müller und Hansjörg Schmid Revision ein?

Es ist das Recht jedes Verurteilt­en, Rechtsmitt­el einzulegen. Das müssen Verteidige­r binnen einer Woche nach dem Urteil machen. Ob die Revision zum Bundesgeri­chtshof tatsächlic­h weiterverf­olgt wird, entscheide­t sich erst, wenn die Verteidige­r das schriftlic­he Urteil geprüft haben.

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Foto: AZ‰Archiv Die Gruppe mit den Verurteilt­en kurz vor der Tat am Königsplat­z.

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