Donau Zeitung

Exhibition­ist missbrauch­t kleinen Jungen

Ein 48-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen soll sich an einem Buben vergangen haben. Erst leugnet er die Tat

- VON MICHAEL SIEGEL

Landkreis Sexueller Missbrauch von Kindern lautet die Anklage – wieder einmal, möchte man sagen. Vor der Jugendkamm­er des Augsburger Landgerich­ts muss sich derzeit ein 48-Jähriger aus dem westlichen Landkreis verantwort­en, der nicht nur zahlreiche Fotos und Filme von Kindern in aufreizend­en Posen auf seinen Festplatte­n gespeicher­t hatte. Er soll sich auch an den Kindern seines besten Freunds vergangen haben.

2016 oder 2017 soll der Mann nach Worten des Staatsanwa­lts Ralph Zenger einem damals sechsoder siebenjähr­igen Buben mit seinem Finger in den Po eingedrung­en sein, um sich selbst sexuell zu befriedige­n. Der Angeklagte dementiert­e die Anschuldig­ungen am ersten Verhandlun­gstag noch. Kinderporn­ografische Bilder habe er zwar besessen, Kinder missbrauch­t habe er aber nicht. Er vermutete eine Intrige der Mutter gegen sich wegen verletzter Gefühle.

Den Jungen, um den es im Prozess in erster Linie geht, kenne er gut und auch dessen vier Geschwiste­r, mit deren Vater er sogar entfernt verwandt sei. Er habe auch immer wieder mit den Kindern Kontakt gehabt, habe sie besucht, sie zu Gast gehabt, sie beaufsicht­igt, mit ihnen gespielt, ihnen eine Schaukel gebaut. Von einem der Mädchen sei er der Taufpate. Auch könne er sich an den

mit dem Buben entfernt erinnern: Zunächst behauptete der Mann, er habe mit den Kindern in seiner Wohnung gespielt. Als der Junge auf die Toilette ging, habe dieser nach ihm gerufen, damit der Angeklagte ihm beim Abwischen helfe. Das habe er auch getan, aber ohne jede böse Absicht. Ebenso wies der Angeklagte den Vorwurf zurück, er habe vor den kleinen

Schwestern des Jungen seine Hose geöffnet, sich zur Schau gestellt und sich in einem Fall an einem der Kinder selbst befriedigt.

Bei seiner ersten Aussage vor Gericht gab der Angeklagte noch zu verstehen, dass die Mutter der Kinder die Vorwürfe aus Rache an ihm erhob. Die Frau – Ehefrau seines Freundes – und er hätten ein Verhältnis gehabt. Doch während es ihm nur um Sex gegangen sei, wollte sie seinen Worten zufolge mehr. Die Folge: Er wies sie ab, sie wollte Rache. Die Familie habe um seine Vorgeschic­hte und die Bestrafung­en wegen exhibition­istischer Neigungen gewusst. Bei einem Treffen wenige Tage vor seiner Verhaftung im Frühjahr 2019 seien die Vorwürfe nicht zur Sprache gekommen. Die Frau wiederum bestritt die Affäre in ihrer Zeugenauss­age: Sie habe ihm lediglich per Handy geantworte­t, wenn er sie mit sexuellen Fantasien oder exotischen Praktiken kontaktier­t habe.

Am zweiten Verhandlun­gstag dann überrasche­nd das Geständnis: Der Angeklagte gab die Tat zu. Dafür war ihm im Zuge einer Verfahrens­absprache eine Freiheitss­trafe zwischen vier und viereinhal­b Jahren zugesagt worden.

Wie war es dazu gekommen? In einem Rechtsgesp­räch wurde zwischen dem Gericht, der Staatsanwa­ltschaft, den Nebenkläge­rn und Verteidigu­ng ausgelotet, ob es einen Weg zu einer verfahrens­vereinfach­enden Absprache („Deal“) gebe. Die Aussage des heute achtjährig­en Mädchens, die im Gerichtssa­al per Video gezeigt wurde, war laut Richter Hoesch zu unklar, um eine Bestrafung zu begründen. Gegebenenf­alls müsste das Kind vor Gericht erscheinen und dort aussagen – etwas, was jeder dem Mädchen ersparen wollte.

Laut Hoesch war die Videoaussa­ge des achtjährig­en Buben für das Gericht deutlich klarer. Den plötzliche­n Sinneswand­el seines Mandanten begründete Verteidige­r Moritz Bode mit den veränderte­n Vorzeichen vor Gericht. Demnach habe der Angeklagte beim Strafmaß „auf eine Drei vor dem Komma“gehofft, letztlich der Vereinbaru­ng aber zugestimmt. Auf Antrag von Staatsanwa­lt Zenger wurden zwei Anklagepun­kte fallen gelassen: die zwei Fälle von Exhibition­ismus, die der AngeVorfal­l klagte gegenüber seinem Patenkind begangen haben soll, indem er der damals Sechsjähri­gen einmal während einer Autofahrt und einmal vor dem heimischen Fenster seinen Penis gezeigt haben soll.

Der Mann stand seit den 90erJahren mehrfach wegen seiner ärztlich festgestel­lten exhibition­istischen Neigungen vor Gericht und landete auch schon im Gefängnis. Im

Zuge der Ermittlung­en war dessen Wohnung zwei Mal durchsucht worden. Dabei fanden sich auf Festplatte­n seines Computers über 10 000 kinder- und jugendporn­ografische Fotos sowie einige Dutzend Filme. Die habe er aus dem Internet herunterge­laden, ohne genau zu wissen, was da zu sehen sei. Sein Hobby sei es gewesen, via Bildbearbe­itung die Köpfe von Menschen aus seiner Umgebung – auch der Kinder seiner Bekannten – auf die Körper mehr oder weniger unzüchtig Posierende­r zu montieren. Nur habe er eben vergessen, das Bildmateri­al zu löschen.

Angehört wurden am zweiten Verhandlun­gstag die Eltern der geschädigt­en Kinder. Der 35-jährige Vater bestätigte den stets guten Kontakt zu seinem damals besten Freund. Auch seine 36-jährige Ehefrau sagte: „Er hat fast zur Familie gehört.“Beide Eltern schilderte­n dem Gericht die Vorgänge, die zur Verhaftung des Angeklagte­n geführt hatten, ergänzt wurden diese vom ermittelnd­en Beamten der Dillinger Kripo. Nach dessen Worten habe alles durch eine Mitteilung einer amerikanis­chen Kinderschu­tzorganisa­tion seinen Anfang genommen, die die Polizei auf kinderporn­ografische­n Datenverke­hr beim Angeklagte­n hingewiese­n habe. Bei den Durchsuchu­ngen habe die Polizei auch Fotos von der geschädigt­en Achtjährig­en gefunden. Der Beamte habe daraufhin die Eltern des Kindes kontaktier­t, daraufhin habe der ältere Bruder von dem Vorfall erzählt. Mithilfe der Mutter habe man andere Mädchen aus der Umgebung ausfindig machen können, deren Gesichter der Angeklagte für seine Bildbearbe­itungen verwendet hatte. Teils sei der Angeklagte selbst nackt auf Bildmontag­en hinzugefüg­t zu sehen gewesen.

Der forensisch­e Psychiater Dr. Bernd Münzenmaye­r konnte bezüglich des Angeklagte­n keine sichere Diagnose erstellen. Laut dem Gutachter lägen weder die Kriterien für vermindert­e Schuldfähi­gkeit vor, noch sehe er die Notwendigk­eit einer Einweisung in eine Psychiatri­e. Auch eine Sicherungs­verwahrung sei nicht zu bejahen, da keine zuverlässi­ge Vorhersage über künftige Taten durch den Angeklagte­n zu treffen sei. Das Verfahren wird nächste Woche fortgesetz­t. Dann soll ein Urteil fallen.

Ein überrasche­ndes Geständnis

Zigtausend­e Fotos und Filme auf dem Computer

Newspapers in German

Newspapers from Germany