Inspiration im stationären Handel finden
Wolfgang Puff, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, im Gespräch
Herr Puff, seit dem 2. November gelten bundesweit wieder massive Einschränkungen. Während beispielsweise Restaurants, Kinos und Fitnessstudios nach aktuellem Stand bis Ende November schließen müssen, haben Einzelhandelsgeschäfte geöffnet. Welche Auswirkungen können aber Maskenpflicht & Co. auf den Einzelhandel haben?
Wolfgang Puff: Grundsätzlich sind wir natürlich froh, dass wir weiterhin geöffnet haben dürfen. Was die Maskenpflicht betrifft, bin ich der Meinung, dass wir langsam mit dem Gejammere aufhören müssen. Die Maske wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Meine Auffassung ist: Die Maske ist letztendlich das sichtbare Zeichen der Verantwortung und Wertschätzung, die ich meinem Gegenüber entgegenbringe. Das ist eine gesellschaftliche Pflicht, die wir alle haben. Und mit der können wir auch leben.
Wie sicher ist eigentlich Einkaufen für Kunden und auch die Mitarbeiter?
Puff: Die Frage ist sehr berechtigt und beschäftigt uns schon seit Beginn der ersten Lockdowns. In unseren Empfehlungen sind wir sehr konsequent, etwa was Kunden ohne Mund-Nase-Bedeckung betrifft. Gegenüber Verweigerern empfehlen wir, vom Hausrecht Gebrauch zu machen. Die Schutz- und Hygienekonzepte im Einzelhandel sind außerordentlich gut ausgearbeitet, die Zugangsbeschränkungen – ein Kunde pro zehn Quadratmeter – seit jeher verpflichtend in Bayern. In anderen Bundesländern wurde das nicht so konsequent gehandhabt. Dabei muss man im Auge haben: Die Begegnungen im Einzelhandel sind in der Regel eher flüchtiger und kurzfristiger Natur. Dort, wo die Beratung intensiver ist, etwa beim Juwelier oder im Textileinzelhandel, müssen die entsprechenden Regeln eingehalten werden: Abstand, Händehygiene, Maske. Das funktioniert auch bestens: Wir kennen keinen Hotspot im Einzelhandel.
Letztendlich hilft jeder Einkauf, die Existenz der Geschäfte und ihrer Mitarbeiter zu sichern. Noch zeichnen Individualität kleiner und mittelständischer Läden unsere Innenstädte. Sehen Sie die Vielfalt gefährdet? Puff: Ja, die Vielfalt ist gefährdet, die Frequenzen haben spürbar nachgelassen. Und wir gehen in ein Jahr 2021, von dem nicht zu erwarten ist, dass im Februar ein Impfstoff verfügbar ist und im April alles wie früher sein wird. Das Jahr 2021 wird ein echtes Krisenjahr werden. Gefährdet sind kleine wie mittlere und größere Einheiten. Deshalb fordern wir von der Politik ein massives, auch finanzielles Eintreten für unsere in historischer Tradition stehenden Innenstädte.
Was empfehlen Sie dem Verbraucher, um den lokalen Handel zu stärken, gerade mit Hinblick auf das wichtige Weihnachtsgeschäft?
Puff: Schlicht und einfach, sich auf den lokalen Handel vor Ort zu besinnen. Wir haben in den vergangenen Monaten beobachtet, dass die Frequenzen
in den Oberzentren und Metropolen nachgelassen haben, wovon die Mittelstädte und die kleineren Städte profitiert haben. Der Kunde hat sich also teilweise umorientiert. Bayern hat einen Einzelhandelsbesatz, der keinen Vergleich scheuen muss. Daher ist es naheliegend, stationär zu kaufen. Gerade der Weihnachtseinkauf lebt von Inspiration. Diese erfährt man nur dort, wo Vielfalt sichtbar angeboten wird. Mir geht es auch ganz persönlich so. Wichtig ist, dass die Menschen keine Angst vor dem Einkauf haben, sondern mit
Respekt, also unter Einhaltung der Corona-Regeln, ihre Einkäufe erledigen. Wichtig ist es außerdem, sich frühzeitig zu entscheiden und nicht auf den letzten Drücker einzukaufen – so wird der Einkauf entzerrt und Stressfaktoren vermieden.
Was empfehlen Sie dem einzelnen Händler, um durch diese schwierige Phase zu kommen? Puff: Kraft und Mut, sich der herausfordernden und außergewöhnlichen Situation zu stellen. Es muss nicht jeder online verkaufen, aber jeder sollte darüber nachdenken, eine Homepage zu haben und sich in den sozialen Medien zu präsentieren. Click and collect, ein Aufbau von Lieferdiensten und Neuerungen beim Marketing dürfen keine Fremdwörter sein. Es ist darüber nachzudenken, auf Plattformen zu gehen und andere Absatzwege zu entdecken. Selbstverständlich muss Beratungsund Servicequalität stimmen und vor allem das Herz dabei sein, denn unsere Kunden müssen sich wohlfühlen im stationären Handel.
Der Handelsverband ist Mitinitiator der Kampagne „Anfassbar gut“. Was steckt da dahinter?
Puff: Die Kampagne haben wir zusammen mit unserem langjährigen Partner Signal Iduna ausgearbeitet. Sie hat ihren Platz vorrangig in den sozialen Medien und soll vor Augen führen, wie bereichernd es ist, den Einkauf im stationären Handel auch mit den Sinnen zu erleben, zu riechen, zu fühlen, zu sehen. Online suche ich etwas und finde es womöglich auch. Aber es fehlt diese Inspiration, diese Haptik. Das bietet nur der stationäre Handel. Ich bin der Meinung, dass die Jüngeren, die mit dem OnlineEinkauf aufgewachsen sind, mit zunehmendem Alter sich den Geschäften vor Ort zuwenden werden, Ältere aber das Internet mehr für sich entdecken. Wir gehen sehr, sehr hybrid in die Zukunft. Eines gilt: Wir schätzen erst, wenn wir nicht mehr haben, wenn wir nicht mehr können, wenn wir nicht mehr dürfen. Vielleicht sollten wir uns das zu Herzen nehmen.