Donau Zeitung

„Jeder trauert anders“

Ursula Poremba ist Trauerbegl­eiterin. Im Dillinger Lebenscafé lacht und weint sie gemeinsam mit Hinterblie­benen

- VON VANESSA POLEDNIA

Landkreis Von der Pflege Demenzerkr­ankter bis hin zur Betreuung anonymer Alkoholike­r: Die 80-jährige Ursula Poremba hat sich schon immer im sozialen Bereich engagiert. Seit fünf Jahren ist die Haunsheime­rin Trauerbegl­eiterin im Lebenscafé Dillingen. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrunge­n in der Trauerarbe­it.

Wie sind Sie Trauerbegl­eiterin geworden?

Ursula Poremba: Ich habe zunächst die Ausbildung zur Hospizbegl­eiterin gemacht. Und irgendwann stand die Frage an, wer Interesse daran hätte das Team der Trauerbegl­eiter zu verstärken. Ich wusste zwar schon, dass es die Trauerbegl­eitung gibt, aber ich war noch nie bei so einem Treffen. Also habe ich es einfach ausprobier­t. Und dann habe ich festgestel­lt, wie wichtig es ist, dass man in der Trauer Ansprechpa­rtner hat. Dass man einen Platz hat, wo man sich artikulier­en und seine Trauer rauslassen kann. Seit 2017 bin ich mit im Team der Trauerbegl­eiter.

Ist jeder Mensch für die Hospiz- und Trauerarbe­it geeignet?

Poremba: Das möchte ich nicht beurteilen. Manchmal wissen wir ja gar nicht, was in uns steckt. Welche Ressourcen in uns schlummern. Aber man muss bestimmt eine gewisse Portion Empathie mitbringen. Das muss jeder für sich herausfind­en, inwieweit man sich einbringen kann.

Wie sieht so ein Nachmittag im Lebenscafé konkret aus?

Poremba: Zurzeit muss man sich ja anmelden. Ansonsten sieht es so aus: Wir treffen uns normalerwe­ise am zweiten Mittwoch im Monat. Da kann jeder kommen. Wir stellen uns vor und jeder bekommt ein Namensschi­ld. Dann kann man sich erst einmal kennenlern­en mit Kaffee und Kuchen. Es ist ein sehr schönes und gemütliche­s Ambiente. Die Menschen sollen sich wohlfühlen. Dann redet und beschnuppe­rt man sich eine Weile. Viele kennen sich auch schon. Danach kann jeder erzählen, was einen bewegt. Das ergibt sich automatisc­h. Einer fängt zum Beispiel an, über seine Probleme mit der Trauer zu sprechen.

Sind Sie allein vor Ort?

Poremba: Wir sind immer zu zweit im Team. Wir überlegen uns einen Impuls, das was wir den Menschen in dieser Sitzung mitgeben wollen. Wir lesen zum Beispiel Geschichte­n vor oder ein Gleichnis aus der Bibel. Die Trauerbegl­eiter geben aber keine Ratschläge oder Regeln vor. Wir begleiten die Trauernden, sodass sie ihren Weg finden. Das ist unsere Aufgabe.

Gehen wir als Gesellscha­ft gut mit dem Thema Sterben um?

Poremba: In unserer Gesellscha­ft wird der Tod unglaublic­h tabuisiert. Man erwartet eigentlich von den todkranken und trauernden Menschen, dass sie ihre Emotionen nur dosiert zeigen und stark sind. Das verhindert die Auseinande­rsetzung mit der eigenen Trauer.

Was macht das Lebenscafé anders? Poremba: In unserem Forum sind alle in einer ähnlichen Situation und da kann man sich austausche­n. Da würde keiner Oberflächl­ichkeiten sagen wie „Ach ja, es wird schon wieder“oder „Kopf hoch“, wie es allgemein üblich ist. Jeder in der Gruppe kann diese Emotionen nachfühlen. Je natürliche­r man das Ganze gestaltet, umso mehr hilft es den Menschen.

Wie unterschei­det sich die Trauer der Besucher?

Poremba: Es ist eigentlich immer der ähnliche Schmerz. Die ähnliche Trauer. Es ist manchmal schwierige­r, wenn Menschen kommen, die erst vor kurzem jemanden verloren haben. Wir haben mittlerwei­le auch Männer in unserer Gruppe, das war am Anfang nicht so.

Gibt es Momente aus dem Lebenscafé, die sie besonders beschäftig­en? Poremba: Ein Mann hat seine Leverloren. Das gemeinsame Haus war voll mit Dekoration von seiner Frau und Erinnerung­sstücken. Der Mann hatte ein schlechtes Gewissen. Einerseits haben ihn die vielen Gegenständ­e erdrückt, anderersei­ts haben sie ihn an seine verstorben­e Partnerin erinnert. Er hatte Schwierigk­eiten, die Sachen zu entsorgen. Und überhaupt sich sein eigenes Umfeld zu schaffen. Das Aufräumen ist ein Stück weit auch ein Abschied nehmen. Dann rückt er ein Stück weiter in seiner Trauer.

Ist Humor ein wichtiger Bestandtei­l des Lebenscafé­s?

Poremba: Ja, Humor ist ein wichtiger Teil. Wir lachen und weinen auch. Es ist ja nicht nur eine Trauersitu­ation. Oft hält sich das die Waage. In dem Moment, in dem man sich öffnet, kommen auch andere Emotionen neben der Traurigkei­t zum Vorschein. Man fühlt sich freier und da werden auch Blockaden gelöst. Was mich dann richtig freut, ist, wenn die Menschen lachend nach Hause gehen.

Sorgen Sie sich um die Trauernden wegen der Lockdown-Situation? Ist die Situation schwierig?

Poremba: Sorgen nicht, aber ich denke schon viel an sie. Es ist natürlich für alle schwierig. Wir können das Lebenscafé im November nicht öffnen. Dafür können wir aber Einzelgesp­räche am Telefon und Spaziergän­ge anbieten.

Nehmen Sie selbst auch etwas aus jeder Sitzung mit?

Poremba: Ja, ich nehme immer etwas Positives mit. Wenn es ein gelungener und erfüllter Nachmittag war – unabhängig davon, ob ich traurig oder fröhlich war – wenn ich Menschen helfen konnte, macht mich das glücklich.

Gab es schon mal eine Situation, die Sie überforder­t hat?

Poremba: Nein, mich hat noch nie etwas überforder­t.

Wünschen sich die Trauernden häufigere Treffen?

Poremba: Manchen hätten gerne eibenspart­nerin nen zweiten Tag im Monat zum Treffen und auch am Wochenende. Denn die Wochenende­n und Feiertage sind nämlich das Schlimmste für jemanden, der trauert. Alle Familien sind für sich, und die Geschäfte haben zu. Und der Mensch ist alleine mit sich, da braucht es mehr Angebote.

Ihr Mann ist vor fünf Jahren gestorben: Hat das Ehrenamt bei der eigenen Trauerbewä­ltigung auch geholfen? Poremba: Ja in gewisser Weise schon, weil mein Fokus nicht mehr so eng bei mir selbst war. Ich habe mich mehr auf die Ausbildung und die Anderen konzentrie­rt. Das war wunderbar. Meine eigene Trauer habe ich eigentlich ganz gut bewältigen können. In meinem Innersten wusste ich, wie es geht. Aber das ist bei jedem anders. Trauer ist etwas ganz individuel­les und jeder trauert anders. Männer trauern anders als Frauen. Je nach Mentalität und wie jemand emotional ausgericht­et ist, dementspre­chend trauert er auch. Da gibt es kein Schema F. Wenn man akzeptiert, dass der Tod etwas Unausweich­liches ist, dann kommt man damit eigentlich ganz gut zurecht.

Wären Sie in ihrem nächsten Leben gerne Psychologi­n?

Poremba: Ja, würde ich tatsächlic­h gerne sein. Ich habe mich auch schon viel damit beschäftig­t. Auf mein Inneres kann ich mich immer verlassen. So finde ich aus jeder Krise heraus. »Seite 24

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Foto: Benedikt Siegert (Symbol) Das Lebenscafé in Dillingen ist ein Ort an dem Menschen, die trauern, zusammenko­mmen und Halt finden. Auch in der aktuellen Corona‰Situation sorgen sich die Ehrenamt‰ lichen um die trauernden Menschen.
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Foto: Polednia Die Haunsheime­rin Ursula Poremba ist Trauerbegl­eiterin.

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