Gundelfingen kippt Pläne für Baugebiet
Neue Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes hatten ergeben, dass das Areal an der alten Weberei nicht länger ein Hochwasser-Risikogebiet ist. Das Bauvorhaben eines privaten Investors sorgt dennoch für Diskussionen
Bauplätze sind in Gundelfingen aktuell rar. Ein Umstand, den die Gundelfinger Firma Nägele gerne geändert hätte. Im Umfeld der ehemaligen Weberei, so der Wunsch, sollte ein neues Wohngebiet mit Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften und kleineren Mehrfamilienhäusern entstehen. Dieser Vorschlag hatte im Stadtrat Ende September bereits für Diskussionen gesorgt. Der Grund dafür: Erst kürzlich war das Areal aus dem Gefahrenbereich für das hundertjährige Hochwasserereignis, kurz HQ100, herausgenommen worden. Denn neue Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes hatten ergeben, dass das Gebiet nicht mehr länger als Gefahrenfläche einzustufen und folglich eine Bebauung möglich ist. Unterschiedliche Bedenken waren bereits damals unter den Stadträten laut geworden. In der jüngsten Sitzung sollten die Planer Markus Kimmerle vom Ingenieurbüro Dippold und Gerold in Dillingen und Stadtrat Ingo Blatter vom Büro Blatter und Burger Hoch- und Städtebau nun die offengebliebenen Fragen klären.
Untersuchungen des Geländes hatten nach Angaben von Kimmerle ergeben, dass die Senken im Gelände teilweise tiefer liegen als die
Brenz. Um dies auszugleichen, müsse an verschiedenen Stellen eine Auffüllung vorgenommen werden. An der tiefsten Stelle könnte das bis zu 1,40 Meter ausmachen. Diese Maßnahme, so Kimmerle, betreffe nur wenige Flächen. Eine solche Auffüllung sah Stadtrat Jürgen Hartshauser (SPD) aber kritisch: Einige Nachbarn im angrenzenden Wohngebiet „Brenzaue“, so die Befürchtung, hätten danach eine Wand in ihrem Garten direkt vor der Nase. „Wir dürfen die Nachbarn, die schon gebaut haben, nicht bestrafen“, sagte er. Diese Ränder, betonte Ingo Blatter im Gespräch mit unserer Redaktion im Nachgang, wären an den jetzigen Bestand angepasst worden. Solch starke Höhenunterschiede zwischen den Grundstücken, wie von den Räten angenommen, hätte es deshalb nicht gegeben. Die Frage was passiere, wenn das Gebiet gar nicht aufgeschüttet werde, stellte Zweiter Bürgermeister Roman Schnalzger (SPD). Das Gelände, versicherte Ingo Blatter, liege nicht mehr im Gefahrenbereich für das HQ-100. Dass Teile des Areals tiefer liegen als diese Grenze spiele keine Rolle, denn die Kanten würden das Wasser bremsen. Einzig beim tausendjährigen Hochwasser, dem HQ-Extrem, laufe das Gelände voll. Zu diesem Zeitpunkt stünden aber schon weite Teile Gundelfingens unter Wasser, gab er zu bedenken. In Bezug auf Hochwasser sei Gundelfingen ein gebranntes Kind, argumentierte dagegen Werner Lohner von der CSU. Mit dem Baugebiet „Am Saum“hatte die Stadt bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Zunächst war das Areal als hochwasserfrei ausgewiesen worden. In Nachgang hatten Berechnungen es allerdings zum Risikogebiet für rund 20 Häuser erklärt. „Wir müssen nicht um jeden
Preis alles in Gundelfingen zubauen“, sagte Lohner.
Für Diskussionsbedarf im Rat sorgte auch das Vorhaben der Planer, die bereits bestehenden Entwässerungsgräben für das Niederschlagswasser des angrenzenden Wohngebiets „Brenzaue“durch einen Regenwasserkanal in die Brenz zu ersetzen. In Bezug auf den Hochwasserschutz mache man damit vieles kaputt, gab beispielsweise Karl Seifried (FW) zu bedenken. Alternativ dazu, so Planer Kimmerle, könnten für das neue Baugebiet Entwässerungsmulden geschaffen werden, die parallel zur Straße verlaufen. Der Platz für diese müsste aber von den Grundstücken weggenommen werden. Außerdem gab er zu bedenken: „Da das Gebiet ohnehin nass ist, wäre es nicht ratsam, versickern zu lassen.“In Abstimmung mit dem Bauamt fiel die Entscheidung deshalb auf den Kanal. Da die Brenz ein breiter Fluss sei, könne das Wasser nach den Vorschriften ungedrosselt dorthin eingeleitet werden, erklärte er.
Dass die Natur ein harter Gegner sein kann, der nicht unterschätzt werden dürfe, merkte auch Josefine Lenzer von den Grünen an. 2013 hatte diese Wiese zu Hochwasserzeiten die Stadt vor einer Überflutung gerettet, erklärte sie. Die Mehrheit der Stadträte schloss sich abschließend der Meinung an, die Planungen für das Gebiet einzustellen. Stadtrat Ingo Blatter nahm aufgrund seiner persönlicher Beteiligung als Planer nicht an der Abstimmung teil. Bürgermeisterin Miriam Gruß bedankte sich im Anschluss bei den Verantwortlichen für die Mühen und erklärte: „Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch moralisch vertretbar.“
Das Verständnis, das sich die Bürgermeisterin erbat, kann Investor Wolfram Nägele jedoch nur teilweise aufbringen. Seine Enttäuschung über den Beschluss des Stadtrates ist groß, denn Nägele hatte bereits viele Anfragen für die angedachten 16 neuen Bauplätze erhalten und auch bereits kräftig investiert. Zweifel in Bezug auf den Hochwasserschutz sowie die Aufschüttungen zu Nachbargrundstücken hätten Gutachten ausgeräumt. Nägele kritisiert auch die Aussage von Stadtrat Seifried (FW), der erklärte, dass das Bauvorhaben einen wertvollen Naturraum zerstöre. „Sind nicht die meisten Baugebiete vor der Bebauung Wiese oder Acker, die zerstört werden?“, fragt er. Der Investor hatte sich dazu durchaus Gedanken gemacht: Ein Grünstreifen und auch die Hecken im äußeren Bereich sollten den Planern zufolge erhalten bleiben. Das Baugebiet, so Nägele, hätte eine Lücke zwischen der „Brenzaue“und der Weberei sinnvoll geschlossen.