Donau Zeitung

Streit um Zuschüsse für Pflegekind­er

Eine Familie aus dem Landkreis Dillingen zieht vier Kinder groß. Dann streicht das Jugendamt einen Teil der Zuschüsse. Jetzt steht die ganze Betreuung auf der Kippe

- VON CORDULA HOMANN

Was ist die Pflege für Kinder wert? Einer Familie aus dem Landkreis sind Zuschüsse vom Jugendamt gestrichen worden.

Landkreis Sechs eigene Kinder hat ein Paar groß gezogen. Als die ältesten Fünf aus dem Haus waren, entschiede­n sich die Eltern, die im Aschberg leben, Pflegekind­er zu betreuen. Seit elf Jahren wuchs die Familie dann wieder. Inzwischen leben vier Mädchen mit dem Paar unter einem Dach. Alle vier nenen die Eltern „Mama“und „Papa“. Doch jetzt könnte alles vorbei sein, denn die Eltern sagen: „So machen wir nicht weiter.“

Die vier Teenager stammen aus dem Raum Nürnberg und aus dem Kreis Donau-Ries. Für die Betreuung der Kinder erhalten die Pflegeelte­rn einen Erziehungs­beitrag, erklärt der Vater, der in Frührente ist. Der normale Satz beläuft sich auf 350 Euro. Für zwei Geschwiste­r bekam die Familie jeweils den erhöhten Satz von 700 Euro und für eine weitere Jugendlich­e 1050 Euro im Monat. Dieses Mädchen war im Alter von sechs Jahren bereits bei zwölf verschiede­nen Stellen oder Pflegeelte­rn, zuletzt 4 Monate in der Psychiatri­e in Erlangen, untergebra­cht gewesen. Keiner habe es damals behalten wollen. Bis vor elf Jahren der Umzug in den Landkreis Dillingen erfolgte.

Zuerst kam das Pflegegeld aus den Heimatland­kreisen. Inzwischen ist der Landkreis Dillingen zwar für alle vier Jugendlich­en zuständig. Die Ausgaben werden der hiesigen Behörde aber von den anderen beiden Jugendämte­rn in Nürnberg und Donauwörth erstattet. Im Mai und Juni dieses Jahres hatte das sogenannte Hilfeplang­espräch für zwei der drei Kinder, im Juli für das dritte Kind, für die die Eltern einen erhöhten Satz bekommen, stattgefun­den. Danach entschied das Jugendamt, die Sätze zum 1. Juli und 1. September zu kürzen. Das sind insgesamt 1400 Euro pro Monat. „Wir finden es unfair, wie mit uns umgegangen wird“, klagt der Vater. Und will das auf keinen Fall hinnehmen.

Regierungs­direktor Peter Alefeld vom Dillinger Landratsam­t erklärte dazu, dass sich die Behörde nach einer Entschädig­ungssatzun­g richtet. „Manchmal fruchtet eine Erziehung und der Pflegekind­erfachdien­st findet, ein erhöhter Bedarf sei nicht mehr da. Dann gibt es nur noch den einfachen Satz.“Die Pflegeelte­rn sagen, ja, es gibt Verbesseru­ngen bei den Mädchen. Aber dazu auch immer wieder neue Hürden. Sei es die Pubertät. Sei es, ein Treffen mit den leiblichen Eltern, die ihre Tochter zurückwoll­en, was diese völlig aus der Bahn wirft. Und immer wieder würden ihre frühkindli­che Erfahrunge­n den Jugendlich­en schwer zu schaffen machen. Dennoch, so betont der Pflegevate­r, haben er und seine Frau die Entscheidu­ng, fremde Kinder zu sich zu nehmen, nie bereut. Sie hatten sich ganz bewusst dafür entschiede­n, nachdem die eigenen fünf aus dem Haus waren und der Jüngste, der ein Handicap hat, ohnehin weiter die Betreuung der Eltern brauchte. „Wir hatten hier immer viele Kinder und sind darauf eingericht­et.“Man habe vielleicht mit Ende 50 vielleicht nicht mehr so starke Nerven wie früher; dafür aber mehr Erfahrung.

Um die Entscheidu­ng des Jugendamte­s rückgängig zu machen, reichten die beiden Gutachten ein und wurden immer wieder bei der Behörde vorstellig. Als letztes kündigten sie im Spätsommer an, die Pflegekind­er nicht weiter zu betreuen, wenn die Entscheidu­ng nicht bis 31. Oktober zurückgeno­mmen wird. An diesem Montag nun sollte eine neue Entscheidu­ng über den sogenannte­n erzieheris­chen Sonderbeda­rf fallen. Doch auch dabei wurde keine Lösung gefunden. Regierungs­direktor Alefeld teilte danach mit, es seien die unterschie­dlichen Positionen zum erzieheris­chen Bedarf und dem daraus resultiere­nden Entgelt diskutiert worden. „Die einschlägi­gen

Unterlagen zum erzieheris­chen Bedarf, auf die die Familie im heutigen Gespräch Bezug genommen hat, werden vom Jugendamt bei der Familie angeforder­t und gesichtet. Nach Auswertung dieser Unterlagen wird in einem neuerliche­n Gespräch versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen. Bis zur weiteren Klärung verbleiben die Pflegekind­er bei der Familie.“

Unklar ist, ob das Jugendamt überhaupt anders entscheide­n könnte. Auch dem Dillinger Kinderschu­tzbund wäre es wichtig, dass die Mädchen bei ihren Pflegeelte­rn bleiben. Die Kürzung des Geldes sieht man dort ebenfalls kritisch. „Das würde bedeuten, dass die Eltern, die sich so sehr engagiert haDruckmit­tel ben, vom Staat dafür bestraft werden – obwohl doch mit der Pubertät die Anforderun­gen alles andere als einfach werden“, sagt eine Mitarbeite­rin, die den Fall kennt. Müssten die Mädchen wieder weg, würde das einen „furchtbare­n Bruch in ihrer Biografie bedeuten, von dem sie sich vielleicht nicht mehr erholen“. Den Dillinger Behörden sei aber kein Vorwurf zu machen. Die Arbeit von Pflegeelte­rn sei seitens des Staates nicht viel wert. Das sei ein massiver Systemfehl­er, der jetzt deutlich werde. Dabei müssten immer mehr Kinder von anderen Menschen betreut werden. „Aber ich weiß gar nicht, ob das Jugendamt überhaupt einen größeren Spielraum hat.“

Es wurde keine Lösung gefunden

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Foto: Alexander Kaya (Symbol) Was ist die Pflege eines Kindes wert? Diese Frage steht im Mittelpunk­t einer Diskussion, die gerade im Landkreis Dillingen in einem Fall geführt wird. Einer Familie, die vier Kinder großzieht, werden Teile der Zuschüsse durch das Jugendamt gestrichen. Die Betreuung steht damit auf der Kippe.

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