Donau Zeitung

Von Kinderporn­os „fasziniert“

Ein Mann aus dem Landkreis Dillingen muss sich wegen einer Vielzahl an Kinder- und Tierpornos verantwort­en. Wie eine Trennung, ein tiefes Loch und schlechte Bekanntsch­aften dazu geführt haben sollen

- VON JONATHAN MAYER

Vom Dillinger Amtsgerich­t wird ein Mann wegen Kinderporn­os verurteilt. Er erklärt die Taten mit emotionale­n Problemen.

Landkreis Wie versteiner­t sitzt der Angeklagte da, als die Staatsanwä­ltin die seitenlang­e Anklage verliest. Er rührt sich nicht, starrt auf einen Punkt auf der anderen Seite des Gerichtssa­als. Die Vorwürfe gegen den Mann aus dem Landkreis Dillingen wiegen schwer: Ihm wird Besitz und Verbreitun­g von Kinder-, Jugendund Tierpornos vorgeworfe­n. Er gesteht – und verweist auf „ein tiefes Loch“, in dem er feststeckt­e.

Insgesamt mehr als 800 Bilder und Videos haben die Ermittler auf zwei Handys des Mannes gefunden. Darauf zu sehen sind der Beschreibu­ng der Staatsanwä­ltin nach abscheulic­he Szenen: Kinder, die nackt für die Kamera posieren müssen; andere, die dazu gezwungen werden, erwachsene Männer oral zu befriedige­n. Auf insgesamt fünf Videos seien sogar Frauen zu sehen, die Sex mit Tieren haben. Manche dieser Fotos und Videos hat der Angeklagte in Whatsapp-Gruppen mit den vielsagend­en Namen „Pipi“und „Geile Schwänze“geteilt. Insgesamt handelt es sich um Taten, auf die in Deutschlan­d mindestens Freiheitss­trafe steht.

Über seinen Anwalt lässt der gelernte Bauschloss­er dazu Stellung beziehen. „Mein Mandant ist sehr aufgeregt, deswegen spreche ich“, erklärt Rechtsanwa­lt Thomas Dick. Die Taten räume der Angeklagte ein. Er habe die Kontrolle verloren, sei nach der Trennung von seiner Frau in ein tiefes Loch gefallen. Im Internet, so Dick, habe sein Mandant einen Mann kennengele­rnt, der ihm irgendwann kinderporn­ografische Bilder geschickt habe. Auch Anwalt Dick tut sich mit einer Erklärung schwer: „Dann ist er in eine Art Wahn gefallen. Es hat ihn interessie­rt, weil es verboten ist. Da war eine Faszinatio­n da. Mein Mandant hat so was ja vorher nie gemacht.“

Doch aus diesem Loch habe sich der zweifache Familienva­ter inzwischen befreien können. Mit seiner neuen Partnerin habe er über die ganze Sache gesprochen, war zu mehreren Beratungsg­esprächen bei einer Psychologi­n, die keine pädophile Neigung habe feststelle­n können. „Ihm ist klar, dass das mehr war als nur Blödsinn. Aber er ist sicher, dass das nicht mehr passieren kann.“

Der Angeklagte selbst ringt um Worte, zeigt Reue: Die schiere Menge an Bildmateri­al, die auf seinen Handys gefunden wurde, habe ihn überrascht. „Dass es so viel war, da war ich total baff.“So recht erklären kann er die Faszinatio­n hinter den Kinderporn­os nicht. „Ich bin da irgendwie drauf gekommen.“Richterin Gabriele Held bohrt nach: „Da kommt man ja nicht einfach so drauf.“Er verweist auf seine neue Freundin: „Ich bin jetzt wirklich aus der Scheiße raus. Ich habe das Verlangen nicht, ich kann mit Kindern überhaupt nichts anfangen.“Die Bekanntsch­aft aus dem Internet habe ihn da reingeritt­en. „Aus diesem dicken Fehler habe ich gelernt.“

Am Ende liegen Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng in ihren Plädoyers nicht weit auseinande­r: Zwar sei dem Mann anzurechne­n, dass er Reue zeigt, sich klar distanzier­t und alles gestanden hat, erklärt Staatsanwä­ltin Milzarek-Sachau. Anderersei­ts habe sich der Tatzeitrau­m über ganze zwei Jahre gezogen. Sie fordert eine Gefängniss­trafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, die Zahlung von 4000 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g und die Auflage, dass der Angeklagte Fachgesprä­che bei der Suchtfacha­mbulanz wahrnimmt. „Der Angeklagte hat eine neue Partnerin, er ist nicht süchtig. Aber bei Kindern gibt es nichts, was so ein Verhalten entschuldi­gt.“

Sein Anwalt fordert vier Monate weniger Haft, mit der Bewährungs­strafe

sei die Verteidigu­ng einverstan­den. Nur die Auflagen will Rechtsanwa­lt Dick verringern: Die Suchtfachg­espräche sind seiner Meinung nach nicht nötig, 2000 Euro Strafe würden reichen. „Er hat schon die Kosten des Verfahrens und den Sachverstä­ndigen zu bezahlen.“Dick betont, sein Mandant wolle mit alledem nichts mehr zu tun haben. „Er konnte sich nicht aus dem Loch befreien. Er sagte mir sogar: ‚Gott sei Dank ist das alles aufgefloge­n.‘“

Richterin Held findet zum Schluss deutliche Worte: Hinter jedem Video und jedem Bild stecke auch ein echtes Kind. „Und jedes Kind ist durch jede Tat für sein Leben gestraft und wird nicht mehr so, wie es früher war. Wenn Sie nicht gestanden hätten, hätte das heute mit einer Haftstrafe geendet.“Sie verurteilt den 55-Jährigen zu einem Jahr und sechs Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Wie von der Staatsanwä­ltin gefordert, muss er 4000 Euro an die Caritas Dillingen bezahlen, zudem fünf Beratungsg­espräche bei der Suchtfacha­mbulanz wahrnehmen.

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Foto: Karl Aumiller (Archiv) Vor dem Dillinger Amtsgerich­t musste sich in diesen Tagen ein Mann wegen mehr als 800 kinder‰, jugend‰ und tier‰ pornografi­scher Bilder und Videos ver‰ antworten.

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