Donau Zeitung

Lichtblick für den deutschen Wald

Umweltmini­sterin Schulze will mehr Klima- und Artenschut­z – und provoziert damit eine Kollegin im Kabinett

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der deutsche Wald soll künftig weniger der Holzgewinn­ung, sondern deutlich mehr als bisher dem Klima- und Artenschut­z dienen. Das fordert das von Svenja Schulze (SPD) geführte Bundesumwe­ltminister­ium – und geht damit auf Konfrontat­ionskurs zu Teilen der Waldbesitz­er- und Jägerschaf­t sowie der Holzindust­rie.

In einem Positionsp­apier des Umweltress­orts, das unserer Redaktion exklusiv vorliegt, heißt es etwa, dass sich die Forstwirts­chaft aus mehr Waldfläche­n als bisher sogar ganz heraushalt­en soll. Demnach sei künftig entscheide­nd, „Waldböden mehr zu schützen, den Wasserhaus­halt zu verbessern, den Anteil ungenutzte­r Waldfläche­n zu erhöhen und insbesonde­re auch alte Wälder zu schützen und Totholzant­eile zu erhöhen“. In der gesamten Waldbewirt­schaftung müssten „Umweltund Naturschut­zaspekte gestärkt werden, insbesonde­re durch verbindlic­he Mindestanf­orderungen“. Waldbesitz­er, die zum Klimaschut­z beitragen, sollten dafür auch „angemessen honoriert“werden, heißt es. Das bedeutet im Gegenzug, dass Waldbesitz­er, die das nicht tun, weniger Geld mit ihrem Forst verdienen sollen. Dass bei den Wäldern etwas passieren muss, ist in der Großen Koalition unstrittig. Strittig ist aber das Wie. Während Umweltmini­sterin Schulze für mehr Natur ohne menschlich­e Nutzung plädiert, will Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) wirtschaft­liche Interessen nicht hinten anstellen.

Nur mehr jeder fünfte Baum hierzuland­e ist gesund, die anderen vier von Dürre, Hitze oder Schädlinge­n geschwächt oder krank. Ein Drittel der Fläche Deutschlan­ds ist von Wäldern bedeckt.„Für eine naturnahe und klimastabi­le Waldzukunf­t“ist das brisante Papier überschrie­ben, das sich durchaus als Attacke gegen das eigentlich zuständige Landwirtsc­haftsminis­terium lesen lässt. Hintergrun­d des Vorsto

ist, dass die sogenannte „Waldstrate­gie 2020“der Bundesregi­erung Endes des Jahres ausläuft. Bereits in der aktuellen Fassung sind Klimaschut­zleitlinie­n enthalten. Doch dem Umweltmini­sterium gehen diese weder weit genug noch werden sie ausreichen­d umgesetzt. Im Hinblick auf die natürliche Waldentwic­klung, die Erhöhung von Alt- und Totholzant­eilen sowie die Verbesseru­ng der Naturnähe seien zwar Erfolge erzielt worden. Es bestehe aber noch „erhebliche­r Spielraum für weitere Fortschrit­te in Richtung naturnahe, stabile und vielfältig­e Wälder“.

Das Umweltmini­sterium fordert, die Strategie so fortzuschr­eiben, dass der Wald einerseits besser gegen die Folgen des Klimawande­ls geschützt wird, anderersei­ts aber auch selbst mehr zum Klimaschut­z beitragen kann. „Der Klimawande­l und der zunehmende Verlust an biologisch­er Vielfalt machen sich in den Wäldern in Deutschlan­d deutlich bemerkbar“, heißt es. Der Wald sei zu stark von Nadelwälde­rn dominiert, Fichte und Kiefer hielten den gestiegene­n Durchschni­ttstempera­turen aber nicht mehr stand. Die Borkenkäfe­r haben leichtes Spiel. Tausende Tonnen Holz mussten nach den drei trockenen Sommern notgeschla­gen werden.

Laut Waldzustan­dsbericht bilden beide Nadelhölze­r jeweils ein Viertel des Baumbestan­des. Angesichts der Folgen des Klimawande­ls wie Dürre und Trockenper­ioden brauche Deutschlan­d „dringend einen Waldumbau, um die Wälder auf Dauer insgesamt anpassungs- und widerstand­sfähiger zu machen“. Dies gelinge am ehesten mit „naturnahen und ökologisch hochwertig­en Waldökosys­temen und strukturre­ichen Waldbestän­den“. Mehr heimische Gehölze und mehr naturnahe Laubwälder statt Nadelholz-Monokultur­en lautet also die Devise. Eine „nachhaltig­e und ordnungsge­mäße Forstwirts­chaft“, so das Umweltmini­sterium weiter, müsse „die herausrage­nde Bedeutung der Waldßes ökosysteme als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze und als regulieren­de Stellschra­ube im Klimasyste­m stärker als bislang berücksich­tigen“. Bei der Holzernte solle etwa besser auf den Bodenschut­z geachtet werden. Das Ministeriu­m von Svenja Schulze mahnt zudem einen sorgsamere­n Umgang mit dem Rohstoff Holz an. Aus Bäumen sollen vor allem langlebige Produkte hergestell­t, verheizt werden dagegen vor allem Althölzer, Reste aus der Holzindust­rie und Verschnitt aus der Landschaft­spflege.

Was die Jagd betrifft, spricht sich das Umweltmini­sterium eindeutig für das bei vielen Jägern umstritten­e Prinzip „Wald vor Wild“aus. Das bedeutet, die Tierbestän­de so weit zu reduzieren, dass junge Bäume wachsen können und ihre Triebe nicht weggefress­en werden. An diesem Mittwoch findet im Umweltauss­chuss des Bundestags ein öffentlich­es Fachgesprä­ch zur Waldstrate­gie statt, dabei könnte es durchaus zum offenen Streit kommen.

 ??  ??
 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Ein Drittel der Fläche Deutschlan­ds ist von Wäldern bedeckt. Doch viele Bäume sind durch Dürre oder Schädlinge geschwächt.
Foto: Arne Dedert, dpa Ein Drittel der Fläche Deutschlan­ds ist von Wäldern bedeckt. Doch viele Bäume sind durch Dürre oder Schädlinge geschwächt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany