Lichtblick für den deutschen Wald
Umweltministerin Schulze will mehr Klima- und Artenschutz – und provoziert damit eine Kollegin im Kabinett
Berlin Der deutsche Wald soll künftig weniger der Holzgewinnung, sondern deutlich mehr als bisher dem Klima- und Artenschutz dienen. Das fordert das von Svenja Schulze (SPD) geführte Bundesumweltministerium – und geht damit auf Konfrontationskurs zu Teilen der Waldbesitzer- und Jägerschaft sowie der Holzindustrie.
In einem Positionspapier des Umweltressorts, das unserer Redaktion exklusiv vorliegt, heißt es etwa, dass sich die Forstwirtschaft aus mehr Waldflächen als bisher sogar ganz heraushalten soll. Demnach sei künftig entscheidend, „Waldböden mehr zu schützen, den Wasserhaushalt zu verbessern, den Anteil ungenutzter Waldflächen zu erhöhen und insbesondere auch alte Wälder zu schützen und Totholzanteile zu erhöhen“. In der gesamten Waldbewirtschaftung müssten „Umweltund Naturschutzaspekte gestärkt werden, insbesondere durch verbindliche Mindestanforderungen“. Waldbesitzer, die zum Klimaschutz beitragen, sollten dafür auch „angemessen honoriert“werden, heißt es. Das bedeutet im Gegenzug, dass Waldbesitzer, die das nicht tun, weniger Geld mit ihrem Forst verdienen sollen. Dass bei den Wäldern etwas passieren muss, ist in der Großen Koalition unstrittig. Strittig ist aber das Wie. Während Umweltministerin Schulze für mehr Natur ohne menschliche Nutzung plädiert, will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) wirtschaftliche Interessen nicht hinten anstellen.
Nur mehr jeder fünfte Baum hierzulande ist gesund, die anderen vier von Dürre, Hitze oder Schädlingen geschwächt oder krank. Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist von Wäldern bedeckt.„Für eine naturnahe und klimastabile Waldzukunft“ist das brisante Papier überschrieben, das sich durchaus als Attacke gegen das eigentlich zuständige Landwirtschaftsministerium lesen lässt. Hintergrund des Vorsto
ist, dass die sogenannte „Waldstrategie 2020“der Bundesregierung Endes des Jahres ausläuft. Bereits in der aktuellen Fassung sind Klimaschutzleitlinien enthalten. Doch dem Umweltministerium gehen diese weder weit genug noch werden sie ausreichend umgesetzt. Im Hinblick auf die natürliche Waldentwicklung, die Erhöhung von Alt- und Totholzanteilen sowie die Verbesserung der Naturnähe seien zwar Erfolge erzielt worden. Es bestehe aber noch „erheblicher Spielraum für weitere Fortschritte in Richtung naturnahe, stabile und vielfältige Wälder“.
Das Umweltministerium fordert, die Strategie so fortzuschreiben, dass der Wald einerseits besser gegen die Folgen des Klimawandels geschützt wird, andererseits aber auch selbst mehr zum Klimaschutz beitragen kann. „Der Klimawandel und der zunehmende Verlust an biologischer Vielfalt machen sich in den Wäldern in Deutschland deutlich bemerkbar“, heißt es. Der Wald sei zu stark von Nadelwäldern dominiert, Fichte und Kiefer hielten den gestiegenen Durchschnittstemperaturen aber nicht mehr stand. Die Borkenkäfer haben leichtes Spiel. Tausende Tonnen Holz mussten nach den drei trockenen Sommern notgeschlagen werden.
Laut Waldzustandsbericht bilden beide Nadelhölzer jeweils ein Viertel des Baumbestandes. Angesichts der Folgen des Klimawandels wie Dürre und Trockenperioden brauche Deutschland „dringend einen Waldumbau, um die Wälder auf Dauer insgesamt anpassungs- und widerstandsfähiger zu machen“. Dies gelinge am ehesten mit „naturnahen und ökologisch hochwertigen Waldökosystemen und strukturreichen Waldbeständen“. Mehr heimische Gehölze und mehr naturnahe Laubwälder statt Nadelholz-Monokulturen lautet also die Devise. Eine „nachhaltige und ordnungsgemäße Forstwirtschaft“, so das Umweltministerium weiter, müsse „die herausragende Bedeutung der Waldßes ökosysteme als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze und als regulierende Stellschraube im Klimasystem stärker als bislang berücksichtigen“. Bei der Holzernte solle etwa besser auf den Bodenschutz geachtet werden. Das Ministerium von Svenja Schulze mahnt zudem einen sorgsameren Umgang mit dem Rohstoff Holz an. Aus Bäumen sollen vor allem langlebige Produkte hergestellt, verheizt werden dagegen vor allem Althölzer, Reste aus der Holzindustrie und Verschnitt aus der Landschaftspflege.
Was die Jagd betrifft, spricht sich das Umweltministerium eindeutig für das bei vielen Jägern umstrittene Prinzip „Wald vor Wild“aus. Das bedeutet, die Tierbestände so weit zu reduzieren, dass junge Bäume wachsen können und ihre Triebe nicht weggefressen werden. An diesem Mittwoch findet im Umweltausschuss des Bundestags ein öffentliches Fachgespräch zur Waldstrategie statt, dabei könnte es durchaus zum offenen Streit kommen.