Donau Zeitung

Eine gute Kulturnach­richt aus Memmingen

Trotz Corona, Pandemie-Beschränku­ngen und sinkenden Steuereinn­ahmen: Das Landesthea­ter baut in den nächsten Jahren eine neue Sparte auf. Die Politik steht hinter dem Herzenspro­jekt der Intendanti­n

- VON BRIGITTE HEFELE‰BEITLICH

Memmingen „Theater kann das“heißt eine Kampagne, mit der das Landesthea­ter Schwaben (LTS) seit der erneuten Schließung auf Plakaten, in Radiospots und auf seinen Social-Media-Kanälen dazu aufruft, sich öffentlich zum Theater zu bekennen. Gestern, am bundesweit­en „Aktionstag der Theater und Orchester“bildete sich eine kontaktlos­e Menschenke­tte auf dem Memminger Marktplatz, als sichtbares Zeichen von Zuversicht, künstleris­cher Energie und Verbundenh­eit zum Publikum. Umso wertvoller ist eine weitreiche­nde Entscheidu­ng, die der Zweckverba­nd des Landesthea­ters auf seiner jüngsten (Online-)Sitzung getroffen hat: Die Memminger Bühne mit Gastspielo­rten in ganz Schwaben und darüber hinaus gründet eine eigene Sparte „Junges Theater“und erweitert damit das Theaterang­ebot für Kinder und Jugendlich­e in der gesamten Region deutlich.

Das ist ein starkes Lebenszeic­hen in dieser für Kunst und Kultur so deprimiere­nden Zeit. Sogar eine neue Spielstätt­e, ein paar Hundert Meter vom Stammhaus entfernt, wird dafür hergericht­et – besser gesagt, eine ehemalige: Das Theater am Schweizerb­erg, das 20 Jahre lang Studiobühn­e war, bis diese 2011 in einen Theaterneu­bau am Hauptsitz gezogen ist. Anschließe­nd, bis 2017, nutzte die Kulturwerk­statt Memmingen das Gebäude, das der Stadt gehört. Seither steht es leer.

Nun soll neues und vor allem junges Leben dort einziehen. Entstehen soll ein Anlaufpunk­t mit einem eigenen, jugendgere­chten Gesicht, bei dem die Türen auch tagsüber offenbleib­en. Ein Herzenspro­jekt sei das, das sie verfolge, seit sie die Leitung des Hauses übernommen hat, sagt Intendanti­n Kathrin Mädler. Das war 2016. Seither hat sie die Bühne mit programmat­ischem Mut, vielen Ur- und Erstauffüh­rungen und neuen Formaten konsequent weiterentw­ickelt zu einem Spiegel unseres Zeitgesche­hens. Damit feierte das Haus künstleris­che Erfolge und erhielt Anerkennun­g mit mehreren Auszeichnu­ngen. Und auch das Publikum ging mit, wie steigende Zuschauerz­ahlen in Memmingen und den Gastspielo­rten belegen. Im

wurde Mädlers Vertrag um fünf Jahre verlängert.

Genug Zeit also, um dieses Herzenspro­jekt zum Laufen zu bringen. Der Grundstock für die Finanzieru­ng der neuen Sparte „Junges Theater“ist das Preisgeld in Höhe von 75 000 Euro, das mit dem „Theaterpre­is des Bundes 2019“ans LTS ging. Es ist allerdings projektgeb­unden für „besondere Vorhaben des künstleris­chen Programms“und muss – mit Corona-Aufschub – spätestens im nächsten Jahr abgerufen werden. Dass es in das Publikum von morgen investiert werden soll, ist ein kluger Schachzug – und trägt zugleich der enormen Nachfrage in diesem Bereich Rechnung.

In der Spielzeit 2018/19 besuchten etwa 15000 junge Besucher die 129 angebotene­n Vorstellun­gen. Doch damit konnten bei weitem nicht alle Anfragen von Kindergärt­en, Schulen und im Freiverkau­f bedient werden. Zudem hat die Theaterpäd­agogin des LTS ein Netzwerk zu Schulen aufgebaut, mit Workshops, Vor- und Nachbereit­ungen, pro Spielzeit kommt sie allein damit auf 150 bis 200 Einsätze. Eine intensive theaterpäd­agogische Betreuung erfordert beispielsw­eise ein Kooperatio­nsmodell mit jeweils zwei Schulen pro Spielzeit mit dem Ziel, dass jedes Kind einmal im Jahr ins Theater geht. So kommen auch bildungsfe­rne Kinder in Kontakt mit Theater und das LTS seinem Anspruch näher, Teilhabe an Kultur für alle zu ermögliche­n.

Tatsache ist allerdings, dass das Haus mit zwölf Ensemblemi­tgliedern in diesem Bereich kapazitäts­mäßig und logistisch am Ende seiner Möglichkei­ten angelangt ist. Die Vormittags­vorstellun­gen fürs junge Publikum kollidiere­n mit dem Abendspiel­plan der Schauspiel­er, auch Probenräum­e, Technik, Maske und Leitungste­am stoßen an ihre Grenzen. Mehr als zwei ProduktioS­ommer nen pro Spielzeit sind deshalb bisher nicht drin.

Das soll nun anders werden. In einem Aufbauproz­ess über drei Jahre entsteht ab 2021 am Schweizerb­erg Stück für Stück das „Junge Theater“mit am Ende acht neuen Stellen (eine Spartenlei­tung, drei Schauspiel­er, eine Regie-/Produktion­s-/ Dramaturgi­e-Assistenz, zwei Techniker, eine Ausstatter­in). Es soll zugleich vernetzt werden mit anderen Jugendkult­urangebote­n im Bezirk wie der Kulturwerk­statt Kaufbeuren oder dem Theater Eukitea und theaterpäd­agogische Fortbildun­gen für Lehrer und Erzieher anbieten.

Im ersten Jahr sollen zunächst nur die bisherigen Produktion­en und ein kleines Team in die neue, wieder theatertau­glich gemachte Spielstätt­e umziehen – mehr Vorstellun­gen als bisher sind trotzdem möglich. Im zweiten Jahr sind mit zwei eigenen Schauspiel­ern bereits fünf Produktion­en geplant. Ab 2023/24 kommen

Archiv‰Foto: Brigitte Schindele schließlic­h jede Saison drei Neuprodukt­ionen zum bis dahin aufgebaute­n Repertoire für alle Altersstuf­en dazu; etwa zehn werden es insgesamt sein. Ein eigener Kleintrans­porter soll die Stücke möglichst oft in die Gastspielo­rte bringen.

Und was kostet das alles? Auch der Finanzieru­ngsplan steigert sich stufenweis­e von knapp 40000 Euro im ersten Jahr bis zu 250000 Euro, die der Zweckverba­nd und der Freistaat dann ab 2024 zusätzlich pro Jahr für das LTS aufbringen müssen. 55 Prozent davon hat der Zweckverba­nd zu tragen mit den Hauptgeldg­ebern Bezirk Schwaben und Stadt Memmingen – deren Vertreter Alfons Weber (stellvertr­etender Bezirkstag­spräsident) und Oberbürger­meister Manfred Schilder (Zweckverba­ndsvorsitz­ender) in der entscheide­nden Sitzung vehement dafür geworben haben, gerade jetzt in Coronazeit­en dieses positive Signal zu setzen.

 ??  ?? 20 Jahre lang diente dieses Gebäude dem Landesthea­ter Schwaben bereits als Spielstätt­e. Jetzt wird es wieder aktiviert, als eine Bühne für die neue Jugendthea­ter‰Sparte des Hauses.
20 Jahre lang diente dieses Gebäude dem Landesthea­ter Schwaben bereits als Spielstätt­e. Jetzt wird es wieder aktiviert, als eine Bühne für die neue Jugendthea­ter‰Sparte des Hauses.

Newspapers in German

Newspapers from Germany