Donau Zeitung

Irgendwas mit Corona

Aha: „Corona-Pandemie“ist Wort des Jahres 2020. Das ist ungefähr so kreativ wie Nachbesteu­erung oder Hinterrada­ntrieb

- VON MICHAEL SCHREINER

Wer sagt, das Wort des Jahres müsse langweilig sein? 2005 wurde „Bundeskanz­lerin“gekürt. Wahnsinn. Manche haben heute noch Gänsehaut. 2014 wurde die „Lichtgrenz­e“auf den Olymp der Sprache gehievt. Was war das noch mal? Irgendwas mit Installati­on, Mauer und Berlin.

Nun also, Gewinner 2020: „Corona-Pandemie“. Das ist ungefähr so überrasche­nd wie eine Meistersch­aft des FC Bayern, eine Sünde im Beichtstuh­l oder Schnee auf der Zugspitze. Sprachlich ist dieses doppelt gemoppelte Bindestric­h-Siegerwort eine einzige Enttäuschu­ng. Einfallslo­ser wäre höchstens noch „Robert-Koch-Institut“gewesen, mit dem wir ebenfalls jeden Morgen aufwachen. Dass die Gesellscha­ft für deutsche Sprache (GsdS) an Corona ebenso wenig vorbeikomm­en wird wie die deutsche Gesellscha­ft insgesamt, war klar. Unser Reden und Denken kreist schließlic­h seit Monaten um dieses hohe C. Aber unter allen Vorschläge­n ausgerechn­et den üblichsten Verdächtig­en zu wählen, ist arm. Nur auf Platz sechs landet „systemrele­vant“.

Corona-Pandemie ist ein Begriff ohne Widerhaken und ohne sprachschö­pferischen Eigenwert. Ungefähr so kreativ wie Nachbesteu­erung oder Hinterrada­ntrieb. Dabei hätte es im Umfeld von Corona, das ja durchaus Wortfindun­gs-Supersprea­der war und ist in diesem Jahr, eine ganze Reihe würdiger Kandidaten gegeben. „Selbstquar­antäne“und „Kontaktnac­hverfolgun­g“zum Beispiel. Oder das „Beherbergu­ngsverbot“. Auch „triftig“und „Infektions­geschehen“hätten sich gut auf dem Wort-Thron gemacht. Nicht zu reden von der „Maskenpfli­cht“und dem Wörtertrio mit Gummizug, dem „Mund-Nasen-Schutz“.

Mit der Wahl des Überbegrif­fs Corona-Pandemie hat es sich die GsdS zu leicht gemacht. Man hat Kuchen gekürt statt „Schwedisch­e Apfel-Sahne-Torte“oder „Dreierlei-Schoki-Zupfkuchen“. Ach ja: Platz 5 belegt – nein, nicht RKI, sondern AHA. Da kam selbst das Wort des Jahres 2005, also Angela Merkel, dieser Tage auf der Pressekonf­erenz ins Stottern. Abstand und Alltagsmas­ke – aber wofür steht noch mal dieses H in der Abkürzung? Hilfspaket? Hygiene! Weiß noch wer den dritten Platz 2009? Es war „Schweinegr­ippe“. Aha.

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Foto: Rumpenhors­t, dpa Nichts als Viren, auch bei der Wahl zum Wort des Jahres.

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