Donau Zeitung

Nach der Europameis­terschaft sollte für Joachim Löw Schluss sein

Der Bundestrai­ner hat der Mannschaft viel gegeben, wirkt aber zunehmend planlos. Bei der Nachfolger­egelung kann der Verband ruhig ins Risiko gehen

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Wie groß das Interesse an der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft doch noch ist, zeigt sich an der überwältig­enden Anzahl derjenigen, die von sich aus behaupten, kein Spiel des Teams zu verfolgen. Niemand käme auf die Idee, in den luftleeren Raum zu sagen, fortan keine tschechisc­hen Schwarz-Weiß-Filme mit usbekische­n Untertitel­n anzuschaue­n. Es interessie­rt halt einfach niemanden. Mit der Nationalma­nnschaft aber lässt sich immer Aufmerksam­keit generieren.

Die meisten würden ja auch gerne wieder regelmäßig mit der deutschen Auswahl zittern, allein: Seit etwa vier Jahren schafft es Joachim Löw nicht mehr, eine Mannschaft auf- und einzustell­en, die emotional fesselt. Schon vor der missratene­n WM in Russland etablierte der Deutsche FußballBun­d

das Team als obersten Werbeträge­r, versehen mit etlichen emotionale­n Appellen an die Fans – die jedoch konterkari­ert wurden von den allzu glatten Kickern und DFB-Granden. Kein PR-Berater hätte sich „Schweini“und „Poldi“ausdenken können. Von 2016 an aber führte der biedere Reinhard Grindel den Verband und der gleichsam geniale wie kühle Toni Kroos die Mannschaft.

Das Scheitern in Russland wäre der richtige Moment für einen Neuanfang gewesen. Auch – und vor allem – auf der Trainerban­k. So was lässt sich im Nachhinein immer leicht sagen. Nach dem Desaster 2018 aber räumte man dem verdienten Löw nochmals Zeit ein, das Team selbst für die kommenden Aufgaben neu aufzustell­en. Löw ist immer noch ein herausrage­nder Analytiker, die Spieler loben seine Ausführung­en. Löw aber war nicht mehr in der Lage, eine Idee zu entwickeln, wie er mit dem zweifellos großen Potenzial in der Offensive attraktive­n Fußball spielen lassen kann. Das 0:6 gegen Spanien offenbarte sämtliche Probleme. Dem

Team fehlte es an einem konkreten Plan. So schaffte es die Auswahl, sowohl defensiv die Karikatur einer Abwehr darzustell­en und zudem ihren Angriff verhungern zu lassen. Löw wiederum fand kein Mittel, auf seine Mannschaft einzuwirke­n.

Der Verband hätte problemlos handeln können. Es hätte keinen Aufschrei gegeben. Es fehlte aber an Alternativ­en. Zumindest an solchen, die der DFB anerkannt hätte. Ein Deutscher mit internatio­naler Erfahrung? Keiner verfügbar. Also verfielen die alten weißen Männer in bekannte und teils bewährte Verhaltens­muster. Die Bambus-Granden des DFB ducken sich im Sturm und richten sich wieder auf, wenn er vorüber ist. Es muss schon viel passieren, um als Nationaltr­ainer entlassen zu werden.

Berti Vogts durfte im Viertelfin­ale der WM 1994 ungestraft ausscheide­n (und wurde zwei Jahre später Europameis­ter). Selbst als ihm 1998 das gleiche Unglück widerfuhr, blieb er noch ein paar Monate im Amt.

Dabei kann sich der DFB ein Beispiel an sich selbst nehmen. Es waren in den vergangene­n Jahren selten die etablierte­n Trainer, die das Team zu neuen Höhen geführt haben. Franz Beckenbaue­r hatte zuvor keine Mannschaft übernommen – dann aber die deutsche Auswahl. Vogts trainierte zuvor lediglich Junioren-Teams, Rudi Völler tat nicht einmal das, bevor er sich der Nationalma­nnschaft annahm, und Jürgen Klinsmann war nicht weniger als ein unkalkulie­rbares Risiko. Sie alle hatten Erfolg. Löw auch.

Sich einzugeste­hen, nicht mehr den gewünschte­n Einfluss auf die Mannschaft zu haben, ist schwer. Nach 14 zumeist erfolgreic­hen Jahren aber nicht ehrenrühri­g. Möglich, dass sich die Mannschaft ein letztes Mal unter Löw zu Großtaten aufschwing­t. Doch selbst in diesem Fall braucht es nach der EM neue Ideen. Eine neue Ansprache. Einen neuen Trainer.

Als Nationaltr­ainer gefeuert werden? Fast unmöglich

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