Genauer Blick ins TruppenInnere
Die Wehrbeauftragte Eva Högl stellt ihren ersten Jahresbericht vor. Ihr Auftritt deutet darauf hin, dass dem angestaubten Amt eine Frischzellenkur bevorsteht. Die Probleme sind altbekannt
Berlin Eva Högl kommt pünktlich in die Bundespressekonferenz. Die Fotografen warten schon auf die Wehrbeauftragte, die hier ihren ersten Jahresbericht vorstellen wird. Die Auslöser klicken laut, als die 52-Jährige ihre Corona-Maske ablegt und sich das Haar zurechtzupft. Bei ihrem Vorgänger Hans-Peter Bartels, dem sie überraschend nachfolgte, hätte das vermutlich niemanden interessiert. Aber für einige ist es offenbar noch ungewohnt, dass eine Frau den Posten innehat. Högl ist nach Claire Marienfeld erst die zweite Wehrbeauftragte.
Sie stört sich nicht an den Fotografen. Högl macht schon jetzt deutlich, dass es nicht so sehr auf Äußerlichkeiten ankommt und verfestigt diesen Eindruck, als sie ihren Bericht vorträgt. Der Wehrbeauftragten geht es offensichtlich darum, ins Innere, in den Kern der einstigen Männerdomäne Bundeswehr vorzudringen.
Die Wehrbeauftragte kümmert sich, wenn Soldatinnen und Soldaten Probleme haben. Insgesamt sind im Berichtsjahr 2753 persönliche Eingaben eingegangen. Beim Thema Rechtsextremismus bestehe „weiter Handlungsbedarf in allen Bereichen der Bundeswehr“, sagt sie, während parallel im Netz unter dem Hashtag „#WirGegenExtremismus“eine private Initiative von Bundeswehrangehörigen Fahrt aufnimmt. Die Meldungen über extremistische Vorfälle legten im Berichtsjahr 2020 mit 229 gegenüber dem Vorjahr (197) noch einmal zu.
In den neun Monaten ihrer Amtszeit ist sie viel herumgereist, hat auch das skandalgeplagte Kommando Spezialkräfte (KSK) besucht. Als Reaktion auf nicht abreißende Rechtsextremismus-Vorwürfe wurde dort die 2. Kompanie aufgelöst. Aktuell steht Kommandeur Markus Kreitmayr im Fokus: Er soll Soldaten die Möglichkeit gegeben haben, unerlaubt gehortete Munition straffrei zurückzugeben. Högl hält das für einen schweren Verstoß, beklagt, dass der „Amnestie“-Vorwurf den gesamten Reformprozess bei der Spezialtruppe erheblich behindere. Die Wehrbeauftragte fordert Aufklärung, auch von Verteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer (CDU).
Natürlich geht es im Wehrbericht auch um Corona. Die Truppe war genauso betroffen wie der Rest der Gesellschaft: Ansteckungen, Quarantäne, Homeoffice und verkürzte Ausbildungen. Den wichtigsten Dienst für das Vaterland tun derzeit jene Soldaten, die in den Gesundheitsämtern Infektionen nachspüren. Die Wehrbeauftragte schlägt vor, dass der Einsatz mit einer Medaille gewürdigt werden sollte.
Wie schon ihre Vorgänger meldet Högl der Verteidigungsministerin, in welch schlechtem Zustand die Streitkräfte sind: Fluglehrer fehlen. Fallschirmspringer sind da, aber offenbar nicht fit. Wegen der Beschränkungen durch die Pandemie lahmt die Nachwuchsgewinnung.
Die Truppe ist teilweise nicht in der Lage, einfache Fliegerhelme zu kaufen. Fahrzeuge werden angeschafft und entpuppen sich als einsatzuntauglich. „Es ist absolut unverständlich, dass es nicht gelingt, Beschaffungen selbst von kleinen Ausrüstungsgegenständen wie Kälteschutzanzügen, Gehörschutz, Helmen oder Rucksäcken zu beschleunigen“, beklagt die SPD-Politikerin. Sie nimmt dabei die Wehrverwaltung ein Stück weit aus dem Feuer. Högl sieht dringende Verbesserungen beim Vergaberecht auch als Aufgabe des Gesetzgebers.
Ihren Ex-Kollegen in der SPDFraktion will die Juristin nicht nach dem Mund reden. Zu Amtsantritt plädierte sie für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und erntete dafür Kritik auch aus den eigenen Reihen. Ein anderes Aufregerthema ist die Bewaffnung der Drohnen. Högl befürwortet sie und stellt sich damit quer zur Fraktion.