Der Lockdown ist ein finanzieller Kraftakt
Fitnessstudios waren sieben der vergangenen zwölf Monate geschlossen. Dabei, so argumentieren Betreiber, tragen sie maßgeblich zur Gesundheit der Menschen bei. Die Branche steht vor einem Umbruch
Augsburg Jürgen Windisch betreibt die beiden Trendyone-Fitnessstudios in Augsburg und Ulm. In den vergangenen zwölf Monaten waren sie wegen des Lockdowns insgesamt sieben Monate geschlossen. „Der Großteil unserer laufenden Kosten entsteht unabhängig davon, ob wir geöffnet haben oder nicht“, sagt Windisch. Der Augsburger Fitnessstudiobetreiber hat wie viele Unternehmer finanzielle Hilfe vom Staat bekommen. Aber: Alle Hilfen vom Bund zusammengerechnet, die Windisch im Jahr 2020 erhalten hat, reichen lediglich aus, um einen Monat lang die Mieten für die Studios zu bezahlen.
Bundesweit waren vor der Corona-Krise laut dem Arbeitgeberverband der deutschen Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) über elf Millionen Deutsche Mitglied in einem Fitnessklub. Mehr als 9500 Studios gab es in Deutschland vor der Pandemie. Wie die Zahlen nun, etwa ein Jahr nach dem flächendeckenden Infektionsgeschehen, aussehen, kann der Arbeitgeberverband auf Nachfrage nicht mitteilen. Derzeit werde ein Branchenreport erarbeitet, heißt es. So viel ist bereits klar: Die Branche boomte vor Corona und wird sich nach dem Lockdown verändern.
DSSV-Präsidentin Birgit Schwarze beklagt, dass die Fitnessbranche von der Politik vergessen worden ist. „Alle reden über Corona und seine gesundheitlichen Folgen, aber niemand redet über die geschlossenen Fitnessstudios.“Man könne zu Hause auf dem Wohnzimmerteppich kaum Kraft- und Cardio-Training machen, es bestehe die Gefahr, dass viele Menschen, die Sport machen sollen und wollen, über Monate nicht trainieren können, was sich negativ auf die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung auswirke.
Trainieren im Fitnessstudio ist ein Volkssport, das Durchschnittsalter der Mitglieder beträgt 42 Jahre. Doch dieser Volkssport liegt derzeit brach. Schwarze sagt, viele Studios stehen derzeit finanziell mit dem Rücken zur Wand. Oft seien die Hilfsgelder wegen der Bürokratie noch nicht bei den Unternehmern angekommen, aber die Fixkosten würden weiterlaufen.
Und das Ende des Lockdowns sei bisher nicht in Sicht. „Jeder Tag im Frühjahr, an dem die Studios geschlossen haben müssen, tut besonders weh.“Was für den Einzelhan
die Vorweihnachtszeit ist, sind für Fitnessstudios die ersten drei Monate im Jahr. „Der Umsatz, der den Betreibern jetzt verloren geht, können sie im Laufe eines Jahres gar nicht aufholen“, sagt Schwarze.
Die Fitnesskette FitX aus Essen betreibt 90 Studios in Deutschland mit insgesamt 2500 Mitarbeitern. Sprecherin Maike Blankenstein sagt, die staatlichen Hilfen seien noch nicht in einem nennenswerten
Umfang geflossen. Trotzdem sieht sich die Kette noch gut aufgestellt, auch, weil sich die meisten Mitglieder bisher solidarisch zeigten und ihren Vertrag nicht kündigten. Das könne sich aber ändern, sagt Blankenstein. „Der Frust wächst, viele Mitglieder fragen uns, wie es weitergehen soll.“
Wie viele Fitnessstudios hat auch FitX seinen Kunden angeboten, die Zeit des Lockdowns kostenfrei an den bestehenden Vertrag anzuhängen. Langfristig sei man optimistisch, was die Zukunft der Branche angeht. „Wir erwarten einen deutlichen Mitgliederzuwachs nach der
Pandemie.“Aber die Branchenlandschaft mit den vielen kleinen Studios werde sich wohl hin zu weniger und größeren Studios verändern.
In den Prospekten der Discounter oder auf Verkaufsplattformen im Internet waren zuletzt immer wieder Sonderangebote von Fitnessgeräten fürs Eigenheim zu finden. Mit den frühlingshaften Temperaturen treiben wieder mehr Menschen Sport an der frischen Luft. Besteht also aus Sicht der Betreiber die Gefahr, dass sich Mitglieder an die Zeit ohne Training in einem Fitnessstudio gewöhnen und auf lange Sicht ihren Vertrag kündigen werden?
Blankenstein sieht diese Gefahr nicht. In den Studios gebe es ProfiGeräte, die für eine ausgewogene Belastungsteuerung ausgelegt seien. „Viele haben eine kleine Wohnung oder kommen erst spät nach Hause und haben gar keine Möglichkeit, zu Hause oder im Park zu trainieren.“Auch das Gemeinschaftsgefühl im Studio könne man nicht ersetzen, ebenso nicht die Betreuung.
Auch der Augsburger Studiobetreiber Windisch sieht bezüglich der Zukunft der Fitness-Branche trotz aller negativen auch positive Zeichen. So sei das allgemeine Gesunddel heitsbewusstsein größer. Windisch rechnet mit steigenden Mitgliederzahlen nach dem Lockdown, auch wenn die Zahlen derzeit eine andere Richtung vorzugeben scheinen.
Von einer Kündigungswelle will Windisch im Falle seiner Studios nicht sprechen, da auch vor Corona Mitglieder regelmäßig kündigten. Allerdings schließen in normalen Zeiten als Ausgleich Neukunden oder frühere Mitglieder Verträge ab. Im Lockdown dagegen schließt kaum jemand einen Vertrag ab, wenn er gar nicht trainieren darf.
Je länger der Lockdown andauern wird, sagt Windisch, desto schwerwiegender werde sich der aktuelle Mitgliederverlust auf die Branche auswirken. „Im schlimmsten Fall öffnen Studios mit so wenigen Mitgliedern, dass sich ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr darstellen lässt – gleichzeitig fallen dann voraussichtlich die Wirtschaftshilfen weg.“
Aufgrund der langjährigen Marktpräsenz ist Windisch zuversichtlich, dass seine beiden Fitnessstudios Corona überstehen werden. Ob das allerdings für alle Fitnessstudios gelte, werde sich erst in den kommenden Monaten zeigen, sagt der Augsburger Studiobetreiber.
Die Kette FitX blickt optimistisch in die Zukunft