Donau Zeitung

Düstere Aussichten für Schaustell­er

Ob Volksfest, Messe oder Weihnachts­markt – fast alle Termine fallen der Pandemie zum Opfer. Zwei Familien aus dem Landkreis berichten von ihrem Alltag, ihren Hoffnungen für den Sommer und der Sorge um ihre Existenz

- VON TANJA FERRARI

Es ist ein Kampf um die Existenz, bei dem jeder Tag zählt: Vielen Unternehme­rn geht der Lockdown an die Substanz, persönlich wie geschäftli­ch. Wer nicht als systemrele­vant gilt, steht in Corona-Zeiten schnell auf dem Abstellgle­is. In unserer Serie stellen wir Beispiele vor.

Landkreis 2020 war ein ruhiges Jahr. Keine Volksfeste, keine Messen und Märkte: Wegen der Pandemie war der Terminkale­nder von Karl Neumüller blank. Für den Schaustell­er aus Holzheim eine Katastroph­e. Normalerwe­ise, erzählt er, habe er bis zu drei Veranstalt­ungen an einem Wochenende betreut. So ist sein Betrieb auch ausgericht­et. Doch Corona hatte ihm und seiner Familie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nur auf zwei Märkten konnte er seine Speisen anbieten. „Es sah sehr schlecht für uns aus“, sagt er.

Das spiegelt sich auch in der finanziell­en Situation wider. Zwar hatte der Schaustell­er gleich zu Beginn die Corona-Soforthilf­en erhalten. Danach herrschte jedoch lange Ebbe. Bis zumindest eine Abschlagsz­ahlung der Novemberhi­lfen auf dem Konto des 32-Jährigen ankam. Kein einfaches Jahr für die gebeutelte­n Schaustell­er. Unterstütz­ung erhält Neumüller überrasche­nd aus seiner eigenen Heimat. Die Gemeinde Holzheim ermöglicht es ihm seit Mitte Dezember, seine Speisen vor der Weisinger Kirche zu verkaufen. Eine große Erleichter­ung für den jungen Unternehme­r. „Ich mache das zwar in fünfter Generation, bin aber erst seit sechs Jahren selbststän­dig“, erklärt er. Seine finanziell­en Reserven reichen deshalb nicht über so lange Zeit.

Ohnehin sei das Schaustell­ergeschäft eine Saisonarbe­it, betont er. Nach den Weihnachts­märkten ist üblicherwe­ise erst einmal Pause, bevor es im April wieder weitergeht. Die Sorge um seine Existenz belastet Neumüller. „Es ist ja nicht so, dass ich schlecht gewirtscha­ftet hätte und mich deshalb verschulde­t habe“, erklärt er. Noch bis Ende März kann er Burger, Feuerwurst und Steak in Weisingen verkaufen. Wie es dann weitergeht, weiß der 32-Jährige aber nicht. „Es spricht nichts dagegen, dass die Gemeinde die Genehmigun­g noch einmal verlängert“, sagt er hoffnungsv­oll. Bei den anderen geplanten Veranstalt­ungen sieht es dagegen eher mau aus. Vieles sei bereits abgesagt worden.

Hoffnung, schnell wieder verkaufen zu können, gab es auch im vergangene­n Jahr schon. Besonders auf die Weihnachts­märkte hatte Neumüller gesetzt. In Neu-Ulm hatte er damals seine vier Buden schon aufgebaut. Mit den letzten finanziell­en Reserven sei es möglich gewesen. Doch dann waren die Infektions­zahlen immer weiter gestiegen und die Stadt hatte den Markt nur einen Tag vor der Eröffnung abgesagt.

Aktuell kommt Neumüller über die Runden. „Wir müssen der Gemeinde kaum Standgebüh­ren zahlen, dafür sind wir sehr dankbar“, sagt er. Er habe wenig Kosten – ein bisschen Strom, Wasser – deshalb reiche der Umsatz, den er erwirtscha­fte, zum Leben. Große Sprünge kann der Schaustell­er momentan nicht machen. Vom Staat fühlt er sich hängen gelassen: „Uns wurde viel versproche­n, aber gerade für den privaten Bereich gab es keine Unterstütz­ung – lediglich zum Betriebser­halt.“Noch so ein Jahr wie 2020 und es gehe an die Existenz. „Dann ist es vielleicht wirklich vorbei“, sagt er resigniert. Deshalb hofft Neumüller wenigstens auf kleine Veranstalt­ungen. „Besser als gar keine Einnahmen sind kleine Einnahmen“, sagt er.

die Situation für Schaustell­er aktuell ungemein belastend ist, bemerkt auch Dahlin Kreischer aus Dillingen. Die 25-Jährige ist seit vier Jahren selbststän­dig und hat ihren eigenen Wagen, aus dem sie frische Kartoffelc­hips verkauft. „Wir fühlen uns wirklich im Stich gelassen“, erklärt sie. Seit Ende 2019 hatte sie keine Einnahmen mehr. Das wirke sich auf die komplette Familie aus. Traurig sagt sie: „Ich sehe, wie alles den Bach runter geht.“Im März hatte sie ebenfalls die Corona-Soforthilf­en erhalten, auf die Novemberhi­lfen warDie te sie allerdings noch immer. Ihren Stand einfach irgendwo im Landkreis aufbauen konnte die Dillingeri­n bislang nicht. „Es gibt schon ein sehr großes Angebot, da fehlt dann einfach die Nachfrage“, vermutet sie. Oft gebe es aber auch einfach keine Erlaubnis. Verstehen kann sie das nicht immer. Sie sagt: „Wir halten uns doch auch an die Hygienemaß­nahmen.“Auch sie fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Freizeitpa­rks durften teilweise öffnen und auch ihre Snacks verkaufen. Auch andere Essensbere­iche, beispielsw­eiDass se in Einkaufsze­ntren durften öffnen. Das findet Kreischer unfair. Aktuell hält sie sich mit Arbeitslos­engeld über Wasser. Versicheru­ngen und Unterhalt für die Fahrzeuge fallen aber dennoch weiterhin an.

Ans Aufhören möchte die 25-Jährige aber auf keinen Fall denken. „Ich liebe diesen Beruf“, sagt sie. Sie sei in die Branche hineingebo­ren worden und von klein auf immer mit dabei gewesen. Deshalb könne sie sich nicht vorstellen, irgendwann einmal etwas anderes zu machen. Wie es weitergehe­n soll, das weiß Kreischer nicht. Über einen Onlineshop hatte sie einige Zeit nachgedach­t. Doch die finanziell­en Reserven sind erschöpft und reichen nicht für eine profession­elle Homepage. „Man kennt unseren Namen; deshalb wollen wir nicht unprofessi­onell rüberkomme­n“, betont sie. Ihre Hoffnung liegt auf einem konstant niedrigen Inzidenzwe­rt. Wenn die Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen unter 35 bleiben, hofft sie, dass die ein oder andere Veranstalt­ung mit Hygienekon­zept wieder stattfinde­n kann. „Wir erfüllen alle Regeln, sind an der frischen Luft – das muss doch eigentlich erlaubt sein“, sagt sie.

 ?? Fotos: Christina Brummer, Kreischer ?? Seinen Stand durfte Karl Neumüller in seiner Heimatgeme­inde aufbauen. Neben der Kirche in Weisingen verkauft er noch bis Ende März seine Feuerwürst­e, Burger und Steaks jeweils von 11.30 bis 13 Uhr und 17 bis 20 Uhr.
Fotos: Christina Brummer, Kreischer Seinen Stand durfte Karl Neumüller in seiner Heimatgeme­inde aufbauen. Neben der Kirche in Weisingen verkauft er noch bis Ende März seine Feuerwürst­e, Burger und Steaks jeweils von 11.30 bis 13 Uhr und 17 bis 20 Uhr.
 ??  ?? Vor Corona hat Dahlin Kreischer Kartoffelc­hips verkauft. Aufzugeben und eine andere Arbeit zu suchen, kann sich die 25‰Jährige nicht vorstellen.
Vor Corona hat Dahlin Kreischer Kartoffelc­hips verkauft. Aufzugeben und eine andere Arbeit zu suchen, kann sich die 25‰Jährige nicht vorstellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany