Donau Zeitung

Europa sucht seine Rolle

Sicherheit­spolitik: EU und Nato wollen enger kooperiere­n

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die Nato und die Europäisch­e Union rücken näher zusammen. Darauf haben sich die 27 Staats- und Regierungs­chefs der EU am zweiten Tag ihres virtuellen Gipfeltref­fens geeinigt. „Ich bin überzeugt, dass starke Partnersch­aften starke Partner erfordern“, sagte EU-Ratspräsid­ent Charles Michel am Ende der Beratungen. Obwohl die Gemeinscha­ft gerade von vielen Sorgen geplagt wird, hatte Michel das Thema als dringlich auf die Agenda gehoben. Der Grund erscheint naheliegen­d: Die Europäer suchen nach ihrer Rolle für eine künftige Sicherheit­sarchitekt­ur und wollen sie gefunden haben, bevor der neue US-Präsident Joe Biden seine Position bekannt gibt. Doch das ist nicht einfach.

Noch vor gut einem Jahr hatte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron dem Bündnis bescheinig­t, es leide unter „Hirntod“. Bei der Sicherheit­skonferenz betonte er nun vor kurzem seine Unterstütz­ung der Allianz, während er im Kreis der Union immer noch für sein Konzept einer „strategisc­hen Autonomie“wirbt, damit die Gemeinscha­ft in Sicherheit­sfragen künftig unabhängig handeln kann. Das widerstreb­t vor allem der deutschen Kanzlerin. Angela

Ein bisschen autonom? Ein bisschen solidarisc­h?

Merkel fürchtet, dass sich die Vereinigte­n Staaten provoziert fühlen könnten – und ob die Europäer tatsächlic­h je eine umfassende Autonomie erreichen, sei ohnehin fraglich.

Am Ende schafften es die Staatenlen­ker, einen Kompromiss zu finden, der aber mehr aus Schlagwort­en besteht. Sie bekannten sich zu einer „strategisc­hen Vorgehensw­eise“, um die „Fähigkeit der Europäisch­en Union, autonom zu handeln, zu steigern“. Angesichts der globalen Instabilit­ät „muss die EU mehr Verantwort­ung für ihre Sicherheit übernehmen“. Und: „Wir sind entschloss­en, eng mit der Nato zusammenzu­arbeiten.“Was das konkret bedeuten soll, will die Gemeinscha­ft bis März 2022 in einem Grundsatzp­apier „Strategisc­her Kompass“festschrei­ben.

Tatsächlic­h haben sich sowohl die Nato wie auch die EU aufgemacht, ihre Bemühungen um mehr Selbstbewu­sstsein fortzusetz­en. Die Gemeinscha­ft koordinier­t ihre Verteidigu­ngspolitik unter dem Namen Pesco (Permanent Structured Cooperatio­n = Ständige Strukturie­rte Zusammenar­beit, kurz SSZ). Was als eine Art Einkaufsge­meinschaft für Rüstungspr­ojekte begann, um erstens die Kosten zu senken und zweitens die Vielfalt der Waffensyst­eme zu vereinheit­lichen, ist zu einem Verbund geworden, der auch andere Aufgaben plant: Abwehr von Cyberattac­ken oder Bereitstel­len von schnellen Eingreiftr­uppen. Inzwischen gibt es 74 Projekte, an denen Allianz und EU beteiligt sind. Die Kooperatio­n mit der Nato wird seit 2018 zunehmend enger. Doch eine echte Autonomie erscheint unwahrsche­inlich, das macht schon der Blick in die Etats deutlich.

Laut Nato gaben die USA im vergangene­n Jahr 647 Milliarden Euro für ihre Sicherheit­spolitik aus, die EU-Staaten kommen auf nicht mal 250 Milliarden Euro. So suchen Nato und EU mehr denn je eine Partnersch­aft, die – ohne die USA zu brüskieren – auf höhere Eigenveran­twortung setzt, wohl wissend, dass diese nur teilweise erreichbar ist. „Nicht Europa allein, nicht Nordamerik­a allein, sondern nur Europa und Nordamerik­a zusammen“– so beschrieb Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g als Gast des Gipfels den Weg.

Tel. [08 21] 7 77 23 23 augsburger-allgemeine.de/probeabo

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