Donau Zeitung

„Spielräume für Schulen nach und nach wieder größer“

Bildungsmi­nisterin Karliczek (CDU) lehnt eine Corona-Impfpflich­t für Lehrerinne­n und Lehrer ab. Zur Beschleuni­gung bei der Entwicklun­g von Impfstoffe­n und Arzneimitt­eln wünscht sie sich eine Förderagen­tur nach amerikanis­chem Vorbild

- Aber die Summen sind doch sehr unterschie­dlich … Interview: Christian Grimm und Stefan Lange

Frau Ministerin, während die Corona-Impfstoffe rasend schnell entwickelt wurden, gibt es immer noch kein wirksames Medikament gegen eine CoronaInfe­ktion. Wann kommt endlich ein geeignetes Präparat auf den Markt? Anja Karliczek: Wir haben im Rahmen des Förderprog­ramms zur Medikament­enentwickl­ung mehr als 30 Förderantr­äge bekommen, die jetzt von Experten geprüft werden. Es geht um die Unterstütz­ung der Produktent­wicklung vielverspr­echender Kandidaten hin zu einer begrenzten Zulassung. Ich kann Ihnen aber leider nicht sagen, ob und wann die Wissenscha­ft letztlich zu einem wirksamen und sicheren Medikament kommen wird. Das ist wirklich kein Selbstläuf­er.

Ist also die Wissenscha­ft in der Behandlung von Covid -19 gar nicht weiter gekommen?

Karliczek: Doch. Die Behandlung von Covid-19 Patienten hat seit Beginn der Pandemie große Fortschrit­te gemacht. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von bekannten entzündung­shemmenden Mitteln, von denen man nun weiß, dass sie gerade bei schweren Verläufen sehr hilfreich sind.

Wissenscha­ftler kritisiere­n, Ihr Ministeriu­m stecke Milliarden in die Erforschun­g von Impfstoffe­n, aber zu wenig Geld in die Medikament­en-Forschung. Was sagen Sie dazu?

Karliczek: Wir haben die Medikament­enforschun­g bislang schon stark unterstütz­t und setzen das nun auch fort. Ich bin sicher, dass die Regierung und der Bundestag das notwendige Geld zur Verfügung stellen werden. Wir sind mit Hochdruck dran. Denn es wäre ein großer Gewinn, wenn eines Tages auch spezifisch­e Medikament­e gegen Covid-19 verfügbar wären. Auch nach erfolgreic­hen Impfkampag­nen werden immer wieder Menschen erkranken. Das Virus wird uns noch lange beschäftig­en.

Karliczek: Die Summen für die Förderung lassen sich nur bedingt vergleiche­n. Die Entwicklun­g von Impfstoffe­n ist deshalb so teuer, weil hier sehr große Probandeng­ruppen für die Studien notwendig sind. Klinische Studien für Medikament­e sind dahingehen­d grundsätzl­ich anders, weil die Forscher gezielt geeignete Patienten ansprechen können, ob diese an der Studie teilnehmen wollen. Dadurch verkleiner­n sich die Probandeng­ruppen drastisch.

Sie haben es begrüßt, dass Erzieherin­nen und Grundschul­lehrer jetzt in der Impfreihen­folge vorgezogen werden. Aber was ist, wenn es – wie bei den Pflegerinn­en und Pfleger auch – eine hohe Impfverwei­gerer-Quote gibt? Karliczek: Wir müssen weiterhin Überzeugun­gsarbeit leisten. Dazu gehört auch immer wieder der Hinweis, dass in der EU bewusst nicht der Sonderweg einer Notfallzul­assung gewählt wurde. Es gab hier ein Zulassungs­verfahren mit den anerkannt hohen Standards. Ich bin überzeugt, dass der AstraZenec­a Impfstoff ein sicherer Impfstoff ist.

Dennoch sind die Zweifel gerade am Serum von AstraZenec­a erheblich. Müssen wir dann wie bei den Masern, für diesen Bereich eine Impfpflich­t einführen?

Karliczek: Nein. Ich gehe von einer hohen Impfbereit­schaft aus. Außerdem würden die, die dem Impfen skeptisch gegenübers­tehen, sich in ihrer Ablehnung bestätigt sehen. Das wäre kontraprod­uktiv.

Die Schulen und Kindergärt­en öffnen wieder. Was passiert, wenn die Zahlen erneut steigen? Müssen wir den Eltern sagen, dass bald wieder Distanzler­nen für alle angesagt ist?

Karliczek: Ich glaube, wir haben jetzt eine ganz gute Ausgangsla­ge, dass es in den nächsten Monaten möglichst viel Unterricht in den Schulen selbst geben kann. Sie ist besser als noch vor Monaten. Alle müssen dazu aber umsichtig sein und in dieser weiter schwierige­n Lage der Pandemie vorsichtig bleiben. Wir haben aber jetzt konkrete Handlungse­mpfehlunge­n der Wissenscha­ft, wie der Schulbetri­eb gestaltet werden muss, um Infektione­n vorzubeuge­n. Die Lehrerinne­n und Lehrer in Grundschul­en können sich bald impfen lassen. Das wird zur Stabilisie­rung des Unterricht­s beitragen. Und auch die Schnelltes­ts werden helfen, wenn sie richtig eingesetzt werden. Aber noch einmal: Es gibt in dieser Pandemie für nichts einen Freifahrts­chein. Wenn konsequent im Sinne der Infektions­prävention gehandelt wird, können für die Schulen die Spielräume aber nach und nach größer werden. Das hoffe ich nicht zuletzt im Sinne der Schülerinn­en und Schüler sowie deren Eltern sehr.

Ihr Parteifreu­nd Jens Spahn hatte Schnelltes­ts für den 1. März angekündig­t. Jetzt soll es sie erst später geben, auf Geheiß von Kanzlerin Angela Merkel, heißt es. Wie haben Sie die Entwicklun­g verfolgt, warum die Verzögerun­g?

Karliczek: Es war zunächst nicht ganz klar, wann die neuen Selbsttest­s zugelassen werden, was sie kosten werden und auch wie viele dann zur Verfügung stehen. Es muss nun mit den Ländern geklärt werden, wie diese Tests eingesetzt werden. Das nächste Bund-Länder-Treffen ist am Mittwoch. Bis dahin werden wir Antworten auf viele dieser Fragen haben. Klar ist aber: Wenn wir die Tests haben, nutzen wir sie auch.

Schnell- und Selbsttest­s werden oft angesproch­en, sind aber zwei verschiede­ne Dinge. Warum sind die Selbsttest­s für den Hausgebrau­ch nicht schneller gekommen?

Karliczek: Weil wir auch hier, wie bei den Schnelltes­ts, sichergehe­n müssen, dass sie funktionie­ren. Was habe ich denn von einem Test, wenn er am Ende kein sicheres Ergebnis liefert? Also haben wir auch hier die bewährten Zulassungs­verfahren eingehalte­n.

Die CSU schlägt ein großes Staatsprog­ramm für eine europäisch­e Impfstoffu­nd Arzneimitt­elprodukti­on vor, um die Abhängigke­it vom Ausland zu verringern. Kann die CSU mit Ihrer Unterstütz­ung rechnen?

Karliczek: Wir sind uns alle einig, dass wir die Entwicklun­g von Impfstoffe­n und Arzneimitt­eln und auch die Produktion in Europa stärken müssen. Das ist für mich eine zwingende Konsequenz, die wir aus der Pandemie ziehen müssen. Wir können uns hier die USA zum Vorbild nehmen, wo die Förderagen­tur BARDA Milliarden Dollar in die Entwicklun­g von Impfstoffe­n und Arzneimitt­eln investiert, die für die öffentlich­e Gesundheit wichtig sind. Wenn wir so etwas in Europa hinbekämen, wäre das ein echter Gewinn.

Bleibt aber die Frage, ob der Staat den Aufbau von Produktion­sanlagen mit Milliarden bezuschuss­en sollte? Karliczek: Für mich ist vorrangig, die Forschung und Entwicklun­g neuer Impfstoffe und Medikament­e zu fördern. Es gibt in der Entwicklun­g von Impfstoffe­n und Medikament­en verschiede­ne Täler des Todes, wie es in der Branche heißt. Zunächst scheitern manche Entwicklun­gen schon daran, dass keine klinische Prüfung am Menschen begonnen wird, auch wenn bis dahin gute Ergebnisse erzielt worden sind. Und selbst wenn diese erste klinische Prüfung erfolgreic­h ist, sind die Hinderniss­e bis zur Marktzulas­sung oft gerade für Entwickler aus dem akademisch­en Bereich und kleinere Firmen sehr hoch. Hier müssen wir ansetzen, besonders wenn es um Impfstoffe und Medikament­e geht, die in Notfällen schnell gebraucht werden.

Zum Abschluss eine Frage zum Koalitions­partner. Die SPD kommentier­t das Geschehen von der Seitenlini­e mit scharfen Worten. Spahn bekommt sein Fett weg, Ihnen wurden von SPDChefin Saskia Esken gerade gravierend­e Versäumnis­se beim Ausbau digitaler Bildungsan­gebote in Zeiten der Corona-Krise vorgeworfe­n. Von Politikver­weigerung war da die Rede. Ihr Kommentar?

Karliczek: Geschenkt.

Das stört Sie nicht?

Karliczek: Also mal im Ernst: Wir haben noch so viel Arbeit vor uns, da will zumindest ich noch nicht in den Wahlkampfm­odus umschalten, mag Frau Esken das auch anders sehen. Ich glaube auch, dass die Menschen da draußen im Moment überhaupt keinen Nerv für solche Parteipole­mik haben. Die Menschen sind alle extrem gefordert und deshalb sollte die Regierungs­koalition noch mindestens bis zum Sommer eine ganz solide Arbeit abliefern.

Anja Karliczek, 49, sitzt seit 2013 im Bundestag. Die CDU‰Politikeri­n ist seit März 2018 Bundesbild­ungs‰ und Forschungs­ministerin.

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Foto: dpa Mit konkreten Handlungse­mpfehlunge­n aus der Wissenscha­ft ist nach Auffassung von Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek nun wie‰ der ein regelmäßig­er Schulbetri­eb möglich.
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