Donau Zeitung

„Auf geht’s Papa, du schaffst das!“

Seit mehr als hundert Tagen liegt Enzo Favaloro auf der Intensivst­ation. Seine Familie hat eine Radioshow für ihn aufgenomme­n. Das spricht sich in Italien herum

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Mailand An diesem Wochenende geht Radio Enzo wieder auf Sendung. Das Programm hat einen einzigen Hörer, Enzo Favaloro, 65 Jahre alt aus Garbagnate Milanese, einem Vorort von Mailand. Favaloro wurde am 27. Oktober ins Krankenhau­s von Legnano eingeliefe­rt, Diagnose Covid-19. Seine Ehefrau, die zwei Töchter und zwei Söhne hat der Familienva­ter seither nicht mehr zu Gesicht bekommen. Favaloro liegt wegen eines schweren Verlaufs der Krankheit immer noch auf der Intensivst­ation, trotz negativer Tests. Der tägliche Video-Anruf war der Familie irgendwann nicht mehr genug. Anfang Januar kam Gianmaria, der älteste Sohn, auf eine Idee: ein Radioprogr­amm, ganz privat für den seit über 100 Tagen im Krankenhau­s liegenden Vater. So entstand „Radio Enzo“.

An diesem Samstag ist es wieder soweit. Der Jingle „Radio Enzo – das Radio, bei dem du dich wie zu Hause fühlst“, erklingt wieder im Krankenhau­s von Legnano. Favaloro, der seit Mitte November wegen Komplikati­onen im Zusammenha­ng mit Sars-CoV-2 auf der Intensivst­ation liegt, bekommt das PatientenT­ablet in die Hände, ein Pfleger oder Arzt lädt die Audiodatei herunter, die die Familie zuvor zu Hause aufgenomme­n hat. Die vier Geschwiste­r im Alter von 25 bis 32 Jahren, Chiara, Gianmaria, Riccardo, Carolina, Mutter Claudia und Alessandro, ein Freund der Familie, haben wie immer, abends oder in der Mittagspau­se, 20 Minuten Sendung für Enzo zusammenge­stellt.

Zur Physiother­apie bekommt der Vater dann zum Beispiel Songs der Rockband Queen wie „We will rock you“zugespielt. „Papa, es ist wichtig, dass du deine Hände, Arme, Füße und Beine bewegst“, muntern die vertrauten Stimmen von zu Hause auf. Drei von Enzos Lieblingsl­iedern werden pro Sendung gespielt, dazwischen inszeniert die Familie einen Hör-Sketch, erzählt Geschichte­n aus dem Alltag oder es kommen Freunde zu Wort. „Das ist unsere einzige Möglichkei­t, ihm nahe zu sein“, erzählt Carolina, die jüngste Tochter am Telefon. Die Ärzte berichten, der Vater reagiere sehr positiv auf die Sendungen. Neulich bewegte Enzo sogar die Lippen, als wollte er etwas aus der Sendung seiner Lieben zitieren.

Niemand in der Familie Favaloro wusste, wie man einen Podcast erstellt. Etwas Erfindungs­reichtum, eine kostenlose Audio-App und die

Liebe zum Vater genügten als Voraussetz­ungen. Seit dem 10. Januar bekommt Enzo alle zwei Tage seine Privatsend­ung geschickt. „Here comes the sun“von den Beatles, Enzos Lieblingsl­ied, ist die Erkennungs­melodie. Jedes mal erklärt eines der Familienmi­tglieder dem Vater seinen medizinisc­hen Zustand. „Dann weiß Papa, dass alles seine Ordnung hat“, sagt Carolina. Enzo wird für die Physiother­apie motiviert. „Auf geht’s Papa, du schaffst das schon!“, rufen die Kinder. Demnächst sollen alte Schulfreun­de in die Sendung eingeladen werden oder der Gospelchor, in dem die Eltern singen.

„Wichtig ist, dass die Lieder Papa gefallen, gute Stimmung machen und dass er dabei nicht traurig wird“, sagt die Tochter.

Die Idee von Radio Enzo hat sich in Italien herumgespr­ochen. Betroffene fragen bei den Favaloros nach. Die Familie plant eine Spendensam­mlung für mehr Tablets im Krankenhau­s. Auf Instagram wollen sie bald eine Anleitung zur Erstellung eines Patienten-Podcasts veröffentl­ichen. Irgendwann, hoffen die Favaloros, soll Papa Enzo dann selbst an der Sendung teilnehmen. Als Moderator am besten, wenn er endlich wieder zu Hause ist.

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Foto: Favaloro „Radio Enzo: Das Logo ist in Italien inzwischen bekannt. Regelmäßig nimmt die Familie aus Mailand 20‰minütige Sendungen für ihren Vater auf.

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