Mein Kind will lieber ohne mich zur Schule laufen
Der Schulweg beträgt 1,1 Kilometer, führt über zwei Kreuzungen und eine davon ist Ihnen nicht geheuer. Deswegen begleiten Sie mor gens ihren Erst/Zweit/Drittklässler zur Schu le und holen ihn auch wieder ab. Aber: Ihr Kind sieht die Sache ganz anders. Die Kreuzung ist doch okay und natürlich guckt es links und rechts. Außerdem möchte es mit dem Nach barskind gehen. Überwinden und es losziehen lassen? Oder dem Bauchgefühl nachgeben, weiter mitlaufen?
Als unsere Tochter in die Schule kam, hatten wir kein gutes Gefühl, sie alleine gehen zu lassen, obwohl wir natürlich den Schulweg geübt und geübt hatten. Also haben wir uns ein Herz gefasst und die Eltern eines Nachbarjungen angesprochen, der damals in der vierten Klasse war. Ein Herz gefasst, weil wir die Eltern nie besonders sympathisch fanden, den Jungen aber schon. Und siehe da, es war der Volltreffer. Der Bub hat sich rührend um unsere Tochter gekümmert, er war wie ein großer Bruder. Der perfekte Begleitschutz. Er hat sie so lange mit zur Schule genommen, bis sie selbst Freunde gefunden hatte. Wir waren ihm damals sehr dankbar und freuen uns heute immer noch, wenn wir ihn sehen.
Wir haben den Schulweg wirklich sehr geübt. Aber Kinder sind doch mit dem Kopf ganz woanders. Die bemerken nicht jedes Auto – und wir haben mehrere verkehrsreiche Kreuzungen und eine große Hauptstraße auf dem Weg zu Schule. Momentan üben wir intensiv Rollerfahren und das richtige Bremsen. Wir machen Verkehrsschule in unserer Straße. Aber da fehlt es auch noch ordentlich. Ich rechne damit, dass ich noch einige Zeit mitgehe. Sascha,
Der Schulweg so etwas wie ein Puffer zwischen der Schule und zu Hause. Eine Zeit, in der auch einiges schon verarbeitet werden kann. Da gibt es Kinder, die sind zackig zu
Hause, und dann die Träumerle, die jeden Stein anschauen, die Freiheit genießen. Insofern: Ein klares Ja, wenn es darum geht, ob Grundschulkinder alleine zur Schule gehen oder nicht. Ich muss ehrlicherweise aber auch sagen, natürlich gibt es Gegenden und Strecken, da hätte ich Magenschmerzen gehabt, meine Kinder alleine laufen zu lassen. Dann sollten sie zumindest zu zweit oder zu dritt sein. Ich weiß jedenfalls noch, wie ich den Schulweg damals geliebt habe. Endlich war ich frei!
Auch Sie haben eine Er ziehungsfrage? Schreiben Sie an Familie@augsburger allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von Doris Weg ner und Stefanie Wirsching, beide Mütter, und Autorin nen des Buches „Supermüt ter“(www.augsburgerall gemeine.de/shop)