Donau Zeitung

Bin ich zu gut für meinen Job?

Viele sind für ihren Beruf besser ausgebilde­t, als es nötig wäre. Das kann sich negativ auf Laufbahn und Psyche auswirken. Experten raten, für sich den richtigen Weg herauszufi­nden. Warum sich ein „schlechter“Job auch lohnen kann

- Bernadette Winter, dpa

Nürnberg Häufig sind Beschäftig­te besser ausgebilde­t, als es ihre Position verlangen würde. Sie gelten als überqualif­iziert, „wenn der individuel­le Berufsabsc­hluss höher ist als das Anforderun­gsniveau der Tätigkeit“. So definiert es Basha Vicari vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung in Nürnberg. Aber ist das überhaupt problemati­sch?

Überqualif­ikation könne für diejenigen ein Nachteil sein, die unfreiwill­ig in eine solche Situation geraten, sagt Vicari. Etwa, weil man seinen Job verloren hat, in dem es kaum noch Nachfrage gibt, und einen anderen Job annehmen muss. Für Arbeitnehm­er ist es unbefriedi­gend, sobald sie das Gefühl haben, ihr Potenzial nicht ausschöpfe­n zu können.

Laut Psychother­apeut Enno Maaß könne es zum Problem werden, wenn die eigenen Erwartunge­n an einen Job nicht mit der Realität übereinsti­mmen. Eine Unterforde­rung könne dazu führen, dass man überforder­t ist, sich zu motivieren, sich selbst zu organisier­en und seine Arbeit zu erledigen. Je nach Alter und Lebenssitu­ation könne es dann sinnvoll sein, den Job zu wechseln.

müsse sich niemand den Druck machen, einen perfekten Job zu finden, oder sich über eine Arbeitszei­t von 50 Stunden die Woche definieren, sagt Maaß. Es sei besser, das Konzept des gesamten Lebens zu betrachten. „Das hat viele Facetten und kann Zufriedenh­eit bringen, auch ohne einen passenden Job.“Dann sei es möglich, dass man sich zwar geistig im Beruf unterforde­rt fühlt, das aber nicht als schlimm empfindet.

Wer sich bewusst für einen Job entscheide­t, der nicht zu 100 Prozent der Ausbildung entspricht, der aber bei guter Bezahlung das eigene Sicherheit­sbedürfnis befriedigt, kann laut Enno Maaß dabei sogar glückliche­r sein – etwa weil dann mehr Zeit für die Familie oder Privates bleibt.

Denkbar ist auch, dass der Job mit flachen Hierarchie­n einhergeht und Arbeitnehm­er die Möglichkei­t haben, sich zu beteiligen. „Dann entstehen unabhängig von der Jobbeschre­ibung Gestaltung­smöglichke­iten, die die Arbeitszuf­riedenheit steigern können“, sagt Maaß.

Wer auf dem Papier überqualif­iziert ist, denkt womöglich, in Benicht überzeugen zu können, weil man die Anforderun­gen übertrifft. Schließlic­h könnte ein potenziell­er Arbeitgebe­r befürchten, dass das Arbeitsver­hältnis nicht lange währt, wenn sich die Person bald nach einer „adäquaten“Stelle umschaut.

Basha Vicari rät, bei Bewerbungs­gesprächen die eigenen Fähigkeite­n in den Vordergrun­d zu stellen und Aufstiegsc­hancen zu verhandeln. „Eine unterwerti­ge Beschäftig­ung kann nach einer berufliAnd­ererseits chen Umorientie­rung eine gute Einstiegsc­hance sein, gerade in kleineren Betrieben.“

Enno Maaß schlägt Bewerbern vor, plausibel darzulegen, warum sie einen Job haben wollen. Etwa, weil es noch private Projekte gibt und die Art des Jobs gut in die Lebensplan­ung passt. Oder weil man festgestel­lt hat, dass der eigentlich erlernte Beruf eben nicht der Traumjob ist.

Finanziell muss eine unterquali­fizierte Beschäftig­ung nicht unbewerbun­gen dingt einen Nachteil bedeuten. Ein fiktives Beispiel: Wer als gelernter Bäcker nun in der Autoindust­rie am Fließband arbeitet, übt zwar formal eine Hilfstätig­keit aus, verdient aber trotzdem oft mehr als ein Bäcker – bei besseren Arbeitszei­ten. Überqualif­izierte haben durchschni­ttlich höhere Löhne, sagt Vicari. „Wenn ich Fähigkeite­n aus meiner eigentlich­en Qualifikat­ion, etwa der Ausbildung, auf die neue Stelle übertragen kann, wird das entspreche­nd entlohnt.“

Aber: Wer lange überqualif­iziert beschäftig­t ist, sendet an potenziell­e Arbeitgebe­r ein negatives Signal. Das könne über Jahre wie eine Art Stigma wirken, irgendwann werde es schwierig, zurück in eine adäquate Beschäftig­ung zu finden, sagt Vicari.

Maaß rät in diesem Fall, für sich selbst herauszufi­nden, woher die persönlich­e Unzufriede­nheit rührt. Darüber hinaus sollte man sich fragen: Welche Stellschra­uben gibt es, die verändert werden könnten, ohne den Job zu verlassen? Wer das offen mit seinen Vorgesetzt­en bespricht, kann der Unzufriede­nheit gegensteue­rn.

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Foto: dpa Überqualif­ikation führt oft dazu, sich nicht motivieren zu können.

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