Viel E-Auto für viel Geld
Dieser Stromer elektrisiert einfach: Der Audi e-tron Sportback zeigt, dass Luxus längst kein Privileg der alten Verbrenner-Welt mehr ist
Selbst nach der relativ kurzen Zeit ihrer Koexistenz weisen Verbrenner und Stromer eine Parallele auf: Die (wenigen) Modelle mit dem Habenwollen-Faktor sind richtig teuer. So kostet der Audi e-tron Sportback S line 55 quattro, eines der begehrenswertesten Elektroautos am Markt, in der Basis 86700 Euro. Das sind noch mal rund 10 000 Euro mehr als die Top-Versionen des Q8!
Kein Drandenken also an eine Förderprämie (die winkt nur bis 65 000 Euro netto), aber wer in solchen Sphären schwebt, dürfte die auch kaum nötig haben. Schweben trifft es gut: Der vollelektrische Audi gleitet genauso souverän über die Straße wie seine Benzin-Brüder; sein Leise-Niveau ist unschlagbar. Die Stille ist eine der faszinierendsten Erfahrungen, die man als E-Auto-Neuling machen kann.
Anders als bei vielen kleineren Stromern rekuperiert der e-tron von Haus aus nicht allzu vehement, das heißt, er verzögert bei Gaswegnahme nur dezent. Das bei Stromer-Fans beliebte Ein-Pedal-Fahren ist damit tabu, aber dieses scheinbar schwerelose, gefühlt ewige Dahinsegeln passt besser zu der Edelmarke mit den vier Ringen. Im Hintergrund wirkt ferner der Effizienzassistent, der in weiser Voraussicht sanft bremst, wenn es etwa auf eine Kreuzung zugeht oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung folgt; „wissen“tut das System dies aus den Navi-Daten. Auch einem langsameren Vorderrückt der e-tron nicht auf die Pelle, sondern er hält brav Abstand. So fährt man entspannt defensiv, ohne sich defensiv zu fühlen.
Das zarte Gasfüßchen empfiehlt sich ohnehin, will man der Normreichweite von 373 bis 452 Kilometern möglichst nahe kommen. Während einer zügigen Autobahnfahrt elektro-untypische 200 Sachen rennt der e-tron – oder bei eisigen Temperaturen schrumpft die Maximaldistanz schnell auf die Hälfte. Das ist kein Audi-typisches Phänomen, aber in einem solch komfortablen Wagen, der als Langstrecken-Champion reüssieren könnte, doppelt schade. „Getankt“wird tatsächlich am besten an der Autobahn, wo sich die meisten Schnelllader finmann den. Die mit dem Kürzel „HPC“(High Power Charging) versehenen Säulen des Ionity-Netzwerkes füllen die Batterie des e-tron in einer halben Stunde zu 80 Prozent auf; die restlichen 20 Prozent dauern weitere 20 Minuten. Das Prozedere ist denkbar einfach: Chipkarte an die Säule halten, einstecken, los geht’s.
Mit dem Audi-Ladesystem hat man so Zugang zu rund 200000 Ladepunkten in 25 europäischen Ländern. Der dazu am besten passende Tarif „Transit“kostet im Monat 17,95 Euro Grundgebühr; die Kilowattstunde an der HPC-Station kommt dann auf 31 Cent. Das hält sich in Grenzen, nimmt Ionity doch Kunden ohne Vertrag bis zu 79 Cent pro kWh ab.
Noch günstiger lädt man in der Regel zu Hause, wobei jedoch an der Anschaffung einer Wallbox (1270 Euro extra) kein Weg vorbeiführt. Via Industriesteckdose und mit 22 kW Ladeleistung steht der e-tron in 4:45 Stunden wieder voll im Saft. An der Haushaltssteckdose würden geschlagene zwei Tage vergehen.
Die Versuchung, die 95 kWh aus dem Energiespeicher in weniger als zwei Stunden zu verprassen, könnte größer nicht sein. 300 Kilowatt und 664 Newtonmeter stemmt der Stromer auf alle vier Räder; entsprechend ab geht die Luzie. Beim Beschleunigen fallen die 2,6 Tonnen Masse buchstäblich nicht besonders ins Gewicht, umso mehr jedoch in der Kurve, wo der Koloss trotz exzellenten Fahrwerks zum Schieben neigt. Im Sinne der Ökologie ist eine solche elektrische Sause eher nicht, allerdings wird man die grüne Verkehrswende ohnehin kaum mit 100000-Euro-Autos vollziehen.