Donau Zeitung

40 Jahre unvergesse­n

Marianne Bachmeier erschoss im März 1981 den Mörder ihrer Tochter. Die Diskussion um Selbstjust­iz hält bis heute an

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Lübeck Acht Schüsse in einem Lübecker Gerichtssa­al haben Justizgesc­hichte geschriebe­n: Im März 1981 erschoss die Gastwirtin Marianne Bachmeier (1950–1996) den mutmaßlich­en Mörder ihrer Tochter. In ihrer Vernehmung nach der Tat sagte Bachmeier aus, dass es ihr nicht um Rache gegangen sei. So berichtet es Klaus-Dieter Schulz, der damals als zuständige­r Staatsanwa­lt die Vernehmung­en geführt hat. „Sie sagte, sie habe verhindern wollen, dass der Angeklagte durch seine Aussage ihre Tochter öffentlich schlechtma­cht“, sagt Schulz. Die Tat löste heftige öffentlich­e Debatten aus, sie gilt noch heute – 40 Jahre später – als spektakulä­rster Fall von Selbstjust­iz in Deutschlan­d seit 1945.

Der damalige 6. März war der dritte Verhandlun­gstag im Prozess gegen den damals 35-jährigen Schlachter Klaus Grabowski. Er hatte bereits gestanden, die sieben Jahre alte Anna in seiner Wohnung vergewalti­gt und erwürgt zu haben. Kurz vor Verhandlun­gsbeginn betrat Bachmeier den Schwurgeri­chtssaal, zog eine Waffe aus ihrer Manteltasc­he und feuerte acht Schüsse auf den Angeklagte­n ab, der ihr den Rücken zugekehrt hatte. Sechs Schüsse trafen Grabowski, der noch im Gerichtssa­al starb.

„Ich weiß noch, dass ich in meinem Dienstzimm­er im Gerichtsge­bäude saß, als plötzlich mein Chef reinkam und sagte, im Schwurgeri­chtssaal sei ein Mann erschossen worden“, erinnert sich Schulz heute. „Als ich in den Saal kam, lag Grabowski tot auf dem Boden. Marianne Bachmeier war bereits in einen Nebenraum gebracht worden“, sagt Schulz.

Die Tat der damals 31 Jahre alten Mutter, die in der Lübecker Altstadt eine Kneipe betrieb, führte in der Öffentlich­keit zu einer heftigen Diskussion über Selbstjust­iz und den Umgang der Justiz mit Sexualstra­ftätern. Der wegen Sexualverb­rechen an Kindern vorbestraf­te Grabowski hatte sich freiwillig kastrieren lassen, war später aber mit Genehmigun­g eines Gerichtes mit Hormonen behandelt worden.

Im November 1982 begann der Prozess gegen Bachmeier. „Das Interesse der Öffentlich­keit und der Presse war riesig“, erinnert sich Schulz, der damals die Anklage gegen Bachmeier vertrat. Die lautete zunächst auf Mord. Am Ende des 15 Monate dauernden Prozesses verurteilt­e das Landgerich­t sie im März 1983 wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft, von denen sie aber letztlich nur gut zwei Jahre verbüßen musste.

Nach ihrer vorzeitige­n Haftentlas­sung 1985 heiratete Bachmeier einen Afrikaner und zog mit ihm nach Nigeria. Nach ihrer Scheidung 1990 pflegte sie Sterbende in einem Hospiz auf Sizilien, heißt es in einem autobiogra­fischen Buch. Dann erkrankte sie selbst an Krebs und kehrte nach Lübeck zurück. Wenige Monate später, im September 1996, starb sie in einer Lübecker Klinik und wurde an der Seite ihrer Tochter Anna auf dem Lübecker Burgtorfri­edhof beigesetzt.

Heute erinnert in Lübeck kaum noch etwas an Bachmeier. Das gemeinsame Grab von Mutter und Tochter wurde 2016 eingeebnet, nachdem die Liegezeit von 20 Jahren abgelaufen war. Einzig Bachmeiers ehemalige Kneipe, das Tipasa in der Lübecker Altstadt, existiert noch, mit neuen Betreibern und neuem Konzept.

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